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Projekt Keltische Schnabelschuhe
Verfasst: 07.05.2010 20:40
von atroxus
Hallo miteinander,
nachdem ich bis jetzt hauptsächlich still mitgelesen habe, möchte ich auch mal etwas einbringen und zwar ein Projekt, an dem ich dran bin. Ich will mir nämlich für meine Frühlatene- Darstellung Schnabelschuhe machen. Mit dem "Standardmodell" der Szene, das meist mehr oder weniger abgewandelt wird, bin ich nicht so recht glücklich - weil ich gerne Schuhe vom Schwung und der Anmut der schönen Dürrnberger Fibel hätte:
Schon lange bin ich am Knobeln, wie so etwas umzusetzen wäre. Aus Würtemberg gibt es etliche Schuhanhänger, die zwar keinen Schnabel haben, aber von der Machart her ähnlich sind, die habe ich in die Überlegungen einbezogen:
Als ich Martins Römerschuhe hier im Forum entdeckt habe, war mir klar: Ich brauche Leisten. Also habe ich mir eine Schachtel voll gekauft. Dann bin ich zu einem Schuhmacher gegangen und habe ihn um einen Schnellkurs in seinem Handwerk gebeten. Er hat mir ein Buch aus der 30- er Jahren in die Hand gedrückt, da stehe alles drin.
Beim Schmökern habe ich dann gemerkt, dass man nicht umsonst drei Jahre Lehre braucht, um Schuhmacher zu werden. Also habe ich das Buch beiseitegelegt und die Sache ruhen und reifen lassen und immer wieder nachgedacht und bei anderen hingeschaut. Ich bin immer noch kein Schuhmacher, aber jetzt fange ich einfach an - und hoffe auf Unterstützung aus dem Forum.
Erster Akt war das Maßnehmen am Fuß (streng nach dem Lehrbuch) und das Erarbeiten des Leistens (aus einem alten Klumpfuß- Leisten eines orthopädischen Schuhmachers).
Als die Grundform stand, habe ich den "Schnabel" aus Korkplatten aufgebaut und dann mit der Raspel geformt. So weit bin ich jetzt.
Liebe Grüße
Michael
Verfasst: 07.05.2010 22:18
von magali
Michael, du hast ja wirklich ein goldenes Haendchen!
Setzt dich doch mal mit Gabi von den BoiPannonia in Verbindung, wenn Du magst, sie hat zusammen mit ihrer Schwester sehr schoene Schabelschuhe angefertigt, die der Duerrnberger Fibel sehr nahe kommen ...
Verfasst: 08.05.2010 09:24
von atroxus
Danke für den Tip, Magali.
Beim Stöbern auf der Boii pannonia Website habe ich zwar kein deutliches Bild der Dürrnberg- Schuhe gefunden, aber dafür einmalige Etruskerschuhe.
So eine Ausführung ist mein fernes Ziel.
l.g. Michael
http://picasaweb.google.at/Ludmilla.boi ... 6304646322
Verfasst: 08.05.2010 12:02
von atroxus
Die Leisten passen! Der befreundete Schuhmacher hat mir Probeschuhe aus Kunststoff gemacht. Ergebnis: keine Nacharbeit nötig. Ich bin selber erstaunt. Denn die Leisten hatten ursprünglich Gr. 45 hatten (jetzt 43) und eine seltsame Form.
Jetzt kanns weitergehen mit dem Leder.
l.g.
Michael
Verfasst: 08.05.2010 12:47
von Patrick M.
Genial. Mehr kann man dazu ja nicht mehr sagen! Ich glaub das ist die Zukunft für kelt. Schuhe der Vergangenheit! Ich brauch schnell Leisten glaub ich!
Verfasst: 08.05.2010 21:25
von Joze
Michael: unser einziger Schuemacher /wo ich seit Sommer noch immer auf Schuhe warte - denke er hat mich fett verarscht mit Geldvorzahlung und die Schuhe kommen nicht) in Ljubljana macht es gleich. Mein Fuss ist "extra" geförmt und wenn man denkt, dass man drin noch einen LAmmfell trägt etc .... muss man sich auch so mit Leiste-Polsterung helfen. Also - die Idee ist nicht neu.
Man muss oft mit Leiste Grösse/Breite/Länge Anpassung rechnen; dazu dann noch den Leisten-Querrschnitt auch wieder extra anpassen (damit man "unten" vom Fuss im WInter auch was stecken kann - wegen Kälte).
Also: unbedingt zu erst deine Fussmasse gut messen + dann noch diesen unteren Zusatz zugeben, so lautet mein Rat.
Am besten wäre es eigenen Fuss abgiessen und dann daraus einen Model machen (aus gebranntem Ton, Holz, etc ....)
Joze
Verfasst: 09.05.2010 08:26
von Hans T.
Echt alte Leisten gibts ja auch, zwar hallstattzeitlich, aber immerhin auch schon mit Schnabel-Andeutung.
Meine Version des Modells Dürrnberg sind über einem Standard-41er-Leisten entstanden. Unsere Expertin für Lederarbeiten, Caro Holleber, hat zuerst einen Entwurf aus Restleder ( es war grün...
) gefertigt und auf Nähbarkeit und Passung überprüft. Danach dann das erste Paar, dass auch nicht so gut passte, aber unser LTA-Kelte im Museum hat sich noch nicht beschwert..
. Das zweite Paar sass dann bei mir wie angegossen. Der Gag an Caros Interpretation: Sie nahm die Form der Dürrnberger Fibel recht wörtlich und schloss aufgrund der gewölbten Unterseite auf weiches (!) Leder. Jede dargestellte Naht hat auch eine Funktion. Der Schuh wird am Knöchel geschlossen, aussen klappt dann eine Art Zunge (nur halt aussen) darüber und schliesst das Ganze fest und dicht (im Gegensatz zur Halleiner-Museums-Interpretation, die an einigen Stellen regelrecht aufklafft). Ein besonderer Gag: Die Fransen auf dem Rist und das auf der Fibel deutlich erkennbare Band, dass auch unter der Sohle durchläuft haben eine wichtige Funktion. Es ist lose, nicht mit dem Schuh vernäht. Das Band hat die Funktion einer Bindung an der höchsten Stelle der Sohlenwölbung, man läuft deshalb nicht darauf, aber es fixiert den Schuh am Fuss in hervorragender Weise. Meine bequemsten VG-Schuhe überhaupt.
H
Verfasst: 09.05.2010 10:44
von atroxus
Danke für Deine ausführliche Beschreibung, Hans. Ich denke auch an eine weiche Sohle. Alle keltischen Schuhfibeln, die mir präsent sind und die Schuhanhänger scheinen mir eine solche darzustellen (anders als die etruskischen Bilder).
Allerdings will ich für die Sohle doch dickeres Leder nehmen als für die oberen Teile. Dafür legt sich dann eine Sohle im Mokkassin- Stil nahe.
Über das Band, das rund um den Schuh geht, habe ich mir auch schon viele Gedanken gemacht. Es muss tatsächlich eine elementare konstruktive Funktion haben, weil es bei den württembergischen Schuhanhängern genauso vorkommt, obwohl die Form der Schuhe da anders ist.
Habe ich richtig verstanden, dass dieses Band bei Deinen Schuhen überhaupt nicht am restlichen Schuh festgenäht ist - also nur lose aufgeschoben?
Du schreibst: man läuft nicht drauf. Ich hatte umgekehrt den Gedanken, ob dieses Band vielleicht beim Gehen an steilen Hängen (Ipf, Dürrnberg
) zusätzlichen Grip gibt.
Die Idee, die Linien der Dürrnberger Fibel als Nähte aufzufassen, finde ich interessant und - was die Nahtr an der Ferse und die außenliegende Zunge angeht, sehr nachvollziehbar.Freilich hat die Fibel vor der Lasche ein Zickzackmuster. Und wenn ich recht sehe, hat Eure Caro auf eine Naht von der gefransten Lasche zum Vorderfuß verzichtet.
Hier finde ich jedoch eine Naht sehr nachvollziehbar. Leider sind die Bilder, die ich von der Fibel habe, nicht ideal. Doch bei dem Bild von der Fibel, das ich oben gepostet habe, sieht es fast so aus, als ob die Linie von der Lasche sich bis unter die Spitze fortsetzt - was dann für meine Mokkassin- Sohle sprechen würde.
Ich mache natürlich auch erst einmal einen Probeschuh (aber nicht aus grünem
sondern aus edel weißem Sofaleder). Dann wird sich zeigen, wie sich die Überlegungen bewähren.
Gruß
Michael
Verfasst: 09.05.2010 12:53
von Joze
Das stimmt, die sind seit Ha bekannt. Und die gibt auch in Halleiner Museum.
Diese Diskussion (Einleitung vom Hans) haben wir schon in FG gehabt (konnte ich gestern dort verlinken) - aber der Autor war Hans und ist ok, wenn er das macht (und hast's gerade auch).
die Schuhe habe ich gesehen in NHM. Die sind toll. Die andere die in Dürrnberger Grab die Puppe hat, habe auch ausführlich fotografiert.
Ist nur schade - ich mache nicht Lt A ....
Aber ich habe mich auch schon entschieden, andere Zeitrecos zu machen - wegen Ausstellungsexemplare (man braucht nicht alles selber tragen).
Joze
Verfasst: 09.05.2010 13:14
von Hans T.
aber der Autor war Hans und ist ok, wenn er das macht
Danke Joze, dass du mir das gestattest. Du bist zwar Lehrer, aber du musst uns nicht immer loben. Ich bin schon gross und geh auch alleine aufs Klo.
H
Verfasst: 09.05.2010 13:32
von Hans T.
Hier die Halleiner Interpretation. Formal befriedigend, aber praktisch? Siehe Schlitz hinten...
In Hallein wird ein Abguss der Fibel verkauft, er hat einige Details nicht, aber es ist schon praktischer, wenn man sowas in der Hand hat
H
Verfasst: 09.05.2010 13:33
von Joze
Hans T. hat geschrieben:aber der Autor war Hans und ist ok, wenn er das macht
Danke Joze, dass du mir das gestattest. Du bist zwar Lehrer, aber du musst uns nicht immer loben. Ich bin schon gross und geh auch alleine aufs Klo.
H
hehe Hans, darfst du auch!
(hab's darum erwähnt, weil die Diskussion doch schon war und ich errinere an die - also, Quelle dort warst du).
Joze
Verfasst: 09.05.2010 13:43
von Joze
Also - ich kenne beide Recos vom Puppe im Dorf und Puppe auf Streitwagen im Museum. Finde ebenso seltsam, dass mit diesem Schuhe eins richtige Krieger herumgelaufen sind. Finde die unpraktisch.
(doch möglich ist es)
Ich denke dass das Festschuhe waren (Schuhe für besondere Gelegenheiten) und so trägt die Krieger-Puppe falsche Shuhe.
Joze
Verfasst: 09.05.2010 14:42
von Patrick M.
Die Frage ob diese Striche wirklich alle Nähte sind sei mal dahingestellt. Ich könnte mir auch vorstellen, dass es aufgenähte Applikationen sind oder Verzierungen im Leder. Die Beschläge aus Hochdorf und auch die Schuhknöpfe zeigen ja, dass die Schuhe verziert waren.
Was mir bei der Diskussion auffällt, dass ihr davon ausgeht, oder sehe ich das falsch, dass die keltischen Schnabelschuhe anders aufgebaut sind als die etruskischen Exemplare. Das sehe ich gerade nicht umbedingt so.
Ich habe leider jetzt kein Bild im Netz gefunden, aber auf einer Boccanera Platte aus Cerveteri aus dem 6. Jh. v. Chr. sieht man einige Damen mit Schnabelschuhen die genauso geschwungen sind wie die Schuhfibel aus Hallein.
Verfasst: 09.05.2010 15:00
von Hans T.
Das mit den Nähten ist natürlich nur eine Interpretation, jede andere ist denkbar. Was die etruskischen Exemplare anbelangt: Wie kommst du drauf, Patrick? Natürlich folgen die keltischen Exemplare der etruskischen oder südalpinen Mode. Wobei Schnabelschuhe an sich nordalpin bis in die Bronzezeit zurückreichen. Nur: Wo bitte gibts einen Schnitt oder einen Aufbau für etruskische Schuhe? Die Abbildungen sind ja bekannt, aber eben halt auch die keltischen. Über die Konstruktionsdetails wissen wir von den Etruskischen Schuhen auch nix näheres. Und: Es gibt eine Reihe von Beispielen, bei denen die keltischen Interpretationen zwar Form und Funktion südalpiner Vorbilder aufgreifen, jedoch im Detail und Konstruktion dann abweichen. Beispiel Kompositpanzer oder die ostalpinen Helme picenischen Typs. Ein bisschen Abweichung sei also gestattet.
Du schreibst zudem, als ob wir hier unsere Interpretationen als in Stein gemeisselt betrachten. Au contraire. Wir diskutieren und stellen Lösungsansätze nebeneinander.
H