Gut, ich versuch es mal. (Steve/Ferro, sei so nett und verschieb alles ab Melas Einwurf in einen neuen Threat, ich kann das hier nicht)
Nehmen wir eine Maskenfibel, ca 500 v.Chr, keltisch.
Man findet sie, nicht ganz komplett, die Wicklung und die Nadel sind nur noch mm-große Bronzeteilchen,
als Beispiel siehe:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Samml ... rFibel.jpg
1.EXPERIMENTELLE ARCHÄOLOGIE:
Frage: Wie wurde sie hergestellt ?
Idee: Guß in verlorener Form .
Ausführung: Man bildet den Körper aus Wachs und vergißt den Einguß und Öffnungen, damit die Luft entweichen kann, nicht, umhüllt ihn mit Schlicker, dann mit dichterem Lehm, lässt trocknen, erhitzt den Lehm. Dabei verbrennt das Wachs.
In den Hohlraum kommt die flüssige Bronze, die Umhüllung wird abgeschlagen, der Rohguss gesaübert, bearbeitet und poliert, Körper fertig.
Dann - hämmert man sich Bronzedraht und fertigt aus dem Draht die notwendige Wicklung, achtet auf die Spannung, indem der Draht immer wieder nachgeglüht wird, fertigt die Nadel. Man fügt alles zusammen und fertig ist die Fibel.
So - was ist das Archäologische Experiment ?
Der Nachweis, dass dies mit Hilfe der obigen Schritte gelang.
Ein Experiment im wissenschaftlichen Sinn muß aber überprüfbar, wiederholbar und nachvollziehbar sein.
Also - man dokumentiert alles.
Welches Wachs, welche Temperatur des Wachses beim Formen.
Schlickerbestandteile, Lehmbestandteile, Trocknungszeit, ab wann das Wachs schmilzt, Temperaturen beim Brennen der Form, Zeit der Abkühlung etc.
Gewicht der Bronze, verwendete Werkzeuge etc.
Das Experiment muss durch einen Dritten genauso wiederholt und verstanden werden können, wie von der/denjenigen, die es zum ersten Mal machten. Ansonsten ist es ungültig, Aussagen können keine getroffen werden, das Ergebnis bleibt sonst eine nicht-nachweisbare Behauptung.
Der Gag: Es muss eigentlich, solange die Größe und das Gewicht den Originalformen entspricht, nicht wirklich jedes allerletzte Detail der Fibel rekonstruiert werden. Ob es nun neun oder zehn Einkerbungen am Hals der Figur sind, ist unerheblich.
Wichtig ist der Produktionsprozeß mit zeitgemäßen Materialen und Werkzeugen.
Mehr Dokumentationsarbeit als eigentliche Arbeit zur Herstellung.
Ergebnis: Herstellungsprozeß
REKONSTRUIERENDE ARCHÄOLOGIE.
Frage: Wie sah sie aus, wie funktioniert sie ?
Um die Fibel herzustellen, kommt man um das Wachsausschmelzverfahren nicht herum.
Nur: hier kommt es auf die Details an. Hier müssen sie stimmen. Wenn es neun Einkerbungen sind, muss die rekonstruierte Fibel auch neun Einkerbungen vorweisen.
Allerdings kann dann die Herstellung auch mit modernen Material und Mitteln (Zahntechnikerlabor) erfolgen.
Das Werkmaterial sollte schon stimmen. Also dieselbe Bronzezusammensetzung wie damals meist üblich.
Auch der Draht sollte kein moderner, gezogener sein, sondern eigentlich ein geschmiedeter. (Bruchgefahr)
Jetzt kann ich ausprobieren, welche Spannung sie hatte, (wie fest sie saß), welche Stoffstärken sie durchdrang und wie lange sie am Platz blieb, ohne zu verrutschen, ob sie nun besser mit dem Kopf nach oben oder nach unten getragen wurde.
Besondere Eigenschaften machen sich erst bei der Verwendung deutlich.
Ergebnis: Das damalige Aussehen und die Funktionsweise der Fibel. Möglichkeit der Demonstration, der Erklärung was eine Fibel überhaupt ist.
Anderes Beispiel:
Experiment:
Frage: Wie war die Einschlagwucht und Wirkung dieser Steinpfeilspitze im Vergleich zu jener ?
Die Spitzen müss aus dem selben Material sein und die gleichen Abmessungen haben wie die Originale.
Der Pfeilschaft nicht. Hier ist es sogar sinnvoll, "ideale" Schäfte, die können sogar aus Kunststoff sein, zu verwenden. Man erzielt hier besser vergleichbare Ergebnisse.
Es ist auch nötig, hier einen Schußapparat zu bauen, der immer genau gleich mit derselben Wucht abschießt.
Alles wird dokumentiert.
Ergebnis: Vergleichszahlen unterschiedlicher Spitzen. Rückschlüsse über die Gründe verschiedener Spitzen z.B. in einem Grab.
Rekonstruktion:
Frage: Wie sah ein Pfeil damals aus ?
Jetzt muß auch der Schaft passen. Er braucht aber nicht mit Steingerät gefertigt zu sein, wenn am Schluß das Bild passt.
Ich kann auch einfach gekauftes Birkenpech verwenden, ohne erst solches herzustellen.
Ergebnis: Aussehen des Pfeils. Möglichkeit der Demonstration.
Noch zum Begriff Versuch:
Wissenschaftlich ist ein Versuch ein Test, eine Überprüfung einer Idee. Ein Versuch weist nichts nach.
Es gibt z.b. einen aus Mammutstoßzahn gefertigten Gegenstand aus Polen, der im Verdacht steht, ein Bumerang zu sein.
Der Versuch wäre, diesen Gegenstand aus Gießharz im richtigen Gewicht und in den richtigen Abmessungen zu bauen, um zu sehen ob er überhaupt wie ein Bumerang fliegt. Erst dann mache ich mir die Mühe und bau in genau nach und dokumentiere das Flugverhalten.
Der Unterschied ist also in erster Linie die Fragestellung.
Aus dieser ergeben sich die unterschiedlichen Vorgehens- und Herstellungsweisen.
Es ist also wirklich nicht mit einer Wertung verbunden.
Thomas