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Ötzis Erbgut

Verfasst: 28.07.2010 09:07
von Fridolin
Forscher entschlüsseln Ötzis Erbgut
Forscher aus Deutschland und Italien haben das Erbgut der Gletschermumie Ötzi entziffert. Aus einer Knochenprobe hatten die Wissenschaftler die DNA des Eismanns isoliert. Jetzt hoffen sie darauf, dass das Genom weitere Geheimnisse um den rätselhaften Tod der Mumie preisgibt.

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mens ... 77,00.html

Re: Ötzis Erbgut

Verfasst: 28.07.2010 09:45
von ulfr
Fridolin hat geschrieben: Jetzt hoffen sie darauf, dass das Genom weitere Geheimnisse um den rätselhaften Tod der Mumie preisgibt.
Vielleicht sollten sie lieber die chemische Zusammensetzung der Flintspitze erforschen, das Genom ist hier doch wohl eher zweitrangig ...?!?

Verfasst: 28.07.2010 10:25
von LS
Moin Wulf,
naja, Flint und Chemie sind so ne Sache...
In diesem Zusammenhang fällt mir aber mal wieder die Frage ein, warum die Flintspitze eigentlich im Rücken stecken geblieben ist, als der Pfeil wieder rausgezogen wurde (gemäß Interpretation in Germania 85, 2007)? Nicht gescheit geschäftet? Wurde Ötzi von einem Pfuscher erschossen?
Im übrigen soll ja ein Schlag auf den Kopf ausschlaggebend gewesen sein, was auch nicht so die feine Art ist...

Gruß L.

Verfasst: 28.07.2010 11:38
von ulfr
Die Spitze ist ja dreieckig, wenn die tief genug drinsteckt, reißt man sie sicher beim Herausziehen aus der Wunde aus der Schäftung, Birkenpech und eine evtl. Wicklung unterhalb der Spitze halten dem nicht stand, denke ich. Es gibt Untersuchungen dazu:

Wilson, Th. 1901: Arrow wounds, American Anthropologist
Alrune, F. o.D.: The lethal stone
Fischer, A. 1985: På jagt med stenalder-våben. Forsøg med fortiden 3, HAF Lejre
Ashby, E. 2000: Jagdpfeil-Letalität, Teil V http://wells-bogensport.de/jagdpfeil.htm

Freiwillige vor für einen Beschußversuch :D

Verfasst: 28.07.2010 11:56
von Thomas Trauner
Ich sehs auch wie ulfr.
Das Pech hält nicht so toll und die Wicklung vermeidet eigentlich nur eine Aufbrechen des Schaftes beim Einschlag. Beim Herausziehen hilft die Wicklung nicht so arg.

Thomas

Verfasst: 28.07.2010 12:11
von Manu
Stirbt man dann einer einer Blutvergiftung :?:

Oder Wundbrand, oder ist das dasselbe?

Verfasst: 28.07.2010 12:43
von ulfr
Das sind zwei verschiedene Sachen, siehe Wikipedia.

Todesursachen können vielfältig sein: Verbluten durch Durchtrennen einer Arterie, durch Infektion der Wunde etc. Manchmal wandert so eine eingeschossenen Spitze auch und wird erst bei endgültiger Ankunft an lebenswichtigen Teilen lethal (die beliebte Geschichte vom Opa mit dem Andenken an Verdun - wandernder Granatsplitter)

Verfasst: 28.07.2010 13:04
von Manu
Da bei Gangrän meistens Bakterien vorhanden sind, trägt die daraus entstandene Infektion oft dazu bei, dass sich das Absterben der Zellen schnell ausbreitet. Gelangen die Bakterien in den Blutstrom, wird der Zustand noch kritischer (septische Blutvergiftung), und wenn nicht sofort eine geeignete antibiotische Behandlung erfolgt, tritt häufig der Tod ein.
Aha, wenn also kein lebenswichtiges Organ oder Arterie zerstört wurde, dann evtl. erst "Wundbrand" und danach "Blutvergiftung". Ist eigentlich klar.
Wenn man also einen schnellen Tod des Tieres oder Menschen will, muß der Jäger genau zielen, sonst kann sich´s rausziehen.
Dann ist ein Schlag auf den Kopf tatsächlich effektiver. :idea:

Man könnte die Pfeilspitze absichtlich nicht so fest an den Pfeil binden, damit sie eben stecken bleibt, um den Wundbrand und die Blutvergiftung zu erzeugen, warum dann aber der Schlag auf den Kopf?
Wahrscheinlich haben "die" ihn gerade noch erwischt. Warum haben sie ihm aber dann das kostbare Kupferbeil nicht abgenommen ??
Also, immernoch sehr verwirrend. :?

Verfasst: 28.07.2010 14:42
von Chris
ulfr hat geschrieben:Die Spitze ist ja dreieckig, wenn die tief genug drinsteckt, reißt man sie sicher beim Herausziehen aus der Wunde aus der Schäftung, Birkenpech und eine evtl. Wicklung unterhalb der Spitze halten dem nicht stand, denke ich. Es gibt Untersuchungen dazu:

Wilson, Th. 1901: Arrow wounds, American Anthropologist
Alrune, F. o.D.: The lethal stone
Fischer, A. 1985: På jagt med stenalder-våben. Forsøg med fortiden 3, HAF Lejre
Ashby, E. 2000: Jagdpfeil-Letalität, Teil V http://wells-bogensport.de/jagdpfeil.htm

Freiwillige vor für einen Beschußversuch :D
:idea: Hm, auf dem nächsten Forumstreffen erst ein Beschuß-und-Pfeil-rauszieh-Test mit einem schmackhaften Paarhufer aus der Familie der Bovidae und nach Feststellung des Ergebnisses experimentelles Grillen-und-Aufessen :kessel:

Verfasst: 28.07.2010 22:09
von Merha
Chris, das habe ich schon hinter mir :o .

Wo wir ohnehin schon nicht mehr beim treadthema sind hätte ich aus was beizutragen.

Birkenrindenteer im Körper bei 36° wird sehr schnell weich, je nachdem, wie dick er ist. Bei einem Pfeil würde ich mal sagen 10-20 Minuten. Ich mache kleinere Teerkugeln weich, indem ich sie mir zwischen die :oops: klemme :D. Vom Blut umspülte Sehne wird noch schneller weich. Wenn die Spitze nicht sofort (wenige Minuten) nach dem Einschuss herausgezogen wird, wird sich der Schaft beim Herausziehen lösen.

Ich habe keine Ahnung, wie Ötzis Spitze aussieht aber wenn auch nur ein kleiner Hacken an einem Ende ist, dann wird schon alleine deshalb nichts mehr mit rausziehen sein. Bei Jagdwild und Muskeltreffern wird der Pfeil dann ruckartig durchgestoßen, wenn man ihn nicht beim Zerwirken rausschneiden will.

Bild

Erschlagen ist eine sehr praktische Lösung, wenn sich die Beute aufgrund der Schussverletzung nicht mehr (richtig) bewegen kann. Holzprügel oder Steine gibt es fast überall. Ein, zwei, drei kräftige Schläge auf den Schädel und es rührt sich nicht mehr.

Zur Infektion: meine Mutter hatte Anfang des Jahres einen septischen Schock, der durch eine eitrige Entzündung im Körper hervorgerufen wurde. Sie wäre ohne sofortige intensiv-ärztliche Betreuung innerhalb kürzester Zeit gestorben. Die Entzündung wurde Donnerstag spürbar, der Zusammenbruch erfolgte Sonntag morgen.

Außerdem sind psychischer Schock und ganz erheblicher Schmerz nicht zu unterschätzen. Man ergibt sich dann recht schnell in sein Schicksal und lässt „es“ einfach passieren. Es gibt dafür einen schönen Ausdruck. Man „ergibt sich“ in sein Schicksal.

Verfasst: 29.07.2010 07:26
von Manu
Ok, jetzt sind wir eh schon nicht mehr beim Thema.

Angenommen es hat jemand eine Verletzung durch einen Pfeil/Pfeilspitze. Gab es früher überhaupt eine Möglichkeit die Infektion zu verhindern? Oder gab es nur noch ein sich in sein Schicksal ergeben?

Wie könnte denn eine medizinische Versorgung im günstigsten Fall ausgesehen haben? Weiß jemand was dazu?

Verfasst: 29.07.2010 09:32
von LS
Hallo,
die Pfeilspitze in Ötzis Rücken war eine gestielte, wobei das Blatt je nach Röntgenaufnahme mal dreieckig scharfkantig und mal recht plump aussieht. Dass mit dem Aufweichen des Birkenpechs im Körper ist ein interessanter Aspekt. Angenommen, der Pfeil steckte länger als 10 min im Körper, halte ich das für ein gutes Argument.
Ich habe gestern den Germania-Aufsatz im WP-Eintrag zum Ötzi ergänzt. In diesem Aufsatz steht alles Entscheidende zum Thema drin.

Gruß L.

Verfasst: 29.07.2010 10:42
von Thomas Trauner
Ich habe jetzt die Germania noch nicht gelesen, kann mich aber noch grob an die Aussagen des Österreichischen Kriminalers erinnern, der erstmals aus der Sicht eines Kriminalfachmannes die Leiche begutachtete.
Ich denke, die genaue Todesursache wissen wir erst nach einer Publikation.
Nach meinem Dafürhalten ist dies aber, ich meine das jetzt nicht spitzfindig, von eher akademischem Interesse.
Ich denke, dass die Gesamtsituation dem Mann keine Chance ließ, die Täter waren offensichtlich darauf aus, ihn zu töten.
Ob nun der Schlag auf den Kopf nur die Leidenszeit nach dem Treffer mit dem Pfeil verkürzte oder der Schuss alleine zum Tod geführt hat ist letztlich egal.
Allerdings denke ich, dass der Schuss sehr wohl eine Arterie verletzte, die zumindest zu einer Einblutung und damit zur Eintrübung und Bewusstlosigkeit geführt hätte. Ohne Hilfe, die wohl auch mit damaligen Mitteln nicht gegeben werde hätte können, wäre der Mann wohl auch ohne dem Schädeltrauma verstorben.

Zum Pfeilschuss. Ich habe immer das Gefühl, dass die Wirkung von Pfeilschüssen nicht richtig eingeschätzt wird. Was bei Treffern mit Pfeilen (fast) immer fehlt, ist die Schockwirkung eines modernen Geschosses. Soll heißen, bei einer modernen Schussverletzung ist alleine die Gewalt des Einschlages so stark, dass dies zum Versagen des Kreislaufes führen kann.
Das exakte Treffen von Organen, (Stammhirn, Herz) dass sofort zum Tod führt, ist bei Pfeilschüssen sehr schwer möglich. Ausserdem fehlt, wie gesagt, die Schockwirkung. Je nach Entfernung kann der Einschuss auch rein von der Kraft her nicht ausreichen, selbst bei Hirn oder Herztreffern zum sofortigen Tod zu führen. (Es handelt sich ja auch im Fall vom Hauslabjoch um eine gestielte, dreieckige Spitze, bei der die Einschlagkraft schräg abgeleitet wird) Es gibt immer wieder Fälle, dass Stichverletzungen im Herz oder sogar Hirn vom Opfer erst gar nicht bemerkt wurden (!).
Zweitens ist der Blutverlust nach außen bei anderweitigen Treffern im Körper auch bei Breitschneidigen Spitzen immer noch relativ gering.
Der Mann erlitt keinen Durchschuss, die Wunde wurde durch den Schaft „verschlossen“.

Damit ich richtig verstanden werde, ich bin kein Spezialist, meine Kenntnisse bewegen sich nur innerhalb der Erfahrungen von Rettungsdienstmitarbeitern. Zu unterschätzen sind Pfeil und Bogen keineswegs. Aber wir sollten auch nicht vergessen, dass die Bogenausstattung nicht unbedingt zu modernen Spitzenleistungen fähig war.

Zum Motiv:
Ich komme um den Verdacht nicht herum, dass rein persönliche Motive eine Rolle spielten, die eher auf emotionalen Gründen basierten.
Der Mann sollte getötet werden. Nichts anderes. Keine Gefangennahme, kein „Verhör“, kein Raub.
Das Ziel war seine Beseitigung.
Indizien: Keine Wegnahme von Besitz, Kontaktaufnahme mit dem Sterbenden, das Wenden des Mannes, um seinen Zustand zu überprüfen, Schläge auf den Kopf und letztlich Verweigerung einer Bestattung.
Eine zufällige Begegnung mit den Tätern halte ich aufgrund des Tatortes, der wohl auch in etwa der Fundort ist, für sehr unwahrscheinlich. Der Schuss kam wohl aufgrund der Eindringtiefe des Pfeils aus einer Entfernung von mindestens 25 m. Von hinten. Wenn wir es nicht mit äußerst kaltblütigen Tätern zu tun haben, die einfach auf alles schossen, was ihnen vor den Pfeil kam, müssen wir davon ausgehen, dass der Mann verfolgt wurde und zwar von Menschen, die ihn kannten. Deren Vorgehen war wohl geplant, sie waren hinter ihm her. Ihr Handeln geschah in Tötungsabsicht, also bewusst. Fehlt für den Mordvorwurf nur noch der niedrige Beweggrund.
Notwehr war es aufgrund der Schussrichtung keine (mehr).
Raub war es nicht, Vertuschen einer Straftat wohl auch nicht, da die Leiche in diesem wohl beseitigt worden wäre. Bleibt Rache oder Vergeltung. Und das werden wir wohl nicht mehr erfahren, vor allem wenn wir bedenken, dass Rache oder Vergeltung inhaltlich in einander übergehen und sehr wohl sehr lange Grundlage für die Ahndung von Verbrechen waren oder sind.
Allerdings stellt sich bei Ahndung die Frage, warum dann kein Beweis der Beseitigung des „Verbrechers“ mitgenommen wurde.
Die Annahme, dass vielleicht doch, z.b eine Geisel, die der Mann mit sich führte, oder ein bestimmtes Diebesgut, wieder zurückgebracht wurde, wäre methodisch nicht zulässig, da dies eine zusätzliche Theorie wäre, die die Theorie „Ahndung“ unterstützen würde.

Zusammenfassen würde ich sagen, euer Ehren, es handelt sich um eine bewusste Tötung. Das Motiv wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit im emotionalen Umfeld befinden. Ob es nun noch „ehrenwert“ war oder nicht müssen wir dahin gestellt lassen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

Thomas

Verfasst: 29.07.2010 11:20
von Manu
Wenn ich mal einen Verteidiger brauche, dürfte ich dann nachfragen ?

:wink:

Verfasst: 29.07.2010 11:45
von Thomas Trauner
:D :D

Th.