Archäologischer Kriminalfall Eulau
Moderatoren: Hans T., Nils B., Turms Kreutzfeldt, Chris, ulfr
Archäologischer Kriminalfall Eulau
Neu auf dem Büchertisch:
Harald Meller et.al.:
Tatort Eulau.
Theiss, August 2010.
€ 22,90
Ich denke, viele haben den dazugehörigen Terra X Beitrag im TV gesehen und sind entsprechend skeptisch.
Um was geht´s ?
In der Nähe von Naumburg, im Ort Eulau, nördlich der Saale-Schleife findet seit Jahren Kiesabbau statt. Da Luftbilder und Einzelfunde arch. Be-Funde voraussagten, wird dort im Voraus gegraben.
Befund auf der hochwassersicheren Terrasse: Zwei oder drei noch erkennbare Neolithische Hausgrundrisse, rund 200 m nördlich davon ein Gräberfeld.
Kultur: Schnurkeramik, 14C pendelt um 2.500 v.Chr.
Funde, neben anderen Gräbern:
Drei Grabgruben, jeweils mit Mehrfachbestattungen, insgesamt 13 Menschen.
Schon alleine aufgrund der Lage der Skelette zueinander, wobei bei den Kindern auffälligerweise von der geschlechtsspezifischen geographischen Ausrichtung abgesehen wurde, ließen von vornherein eine Beziehung der Bestatteten untereinander vermuten.
aDNA (ancient DNA) Proben machten in einer der Grabgruben mit einer Frau, einem Mann und zwei Kindern sicher, dass es sich hierbei um eine Familie handelt. Dies konnte für die anderen Gräber aufgrund der schlechten Erhaltungszustände der Kinderknochen (warum ist Word eigentlich bei diesem Wort nicht irritiert...?) nicht nachgewiesen werden.
Isotopenanalyse der Zähne zeigte weiterhin, dass die Männer offenbar in der Gegend aufgewachsen waren, die Frauen jedoch nicht.
Deren Herkunftsort ist unklar, da es keine flächendeckende Isotopenkartierung für Deutschland gibt.
Die nächste Möglichkeit wäre rund 60 km von Eulau entfernt.
Medizinischer Befund:
Zwei sehr große, sehr kräftige Männer, die jedoch unter körperlichen Einschränkungen litten.
Die Frauen offenbar lange Zeit in Hockhaltung, Abnutzung der Gelenke.
Kinder, soweit die Knochen da Aussagen zulassen, gesund.
Pfeileinschüsse bei einer Frau, zusätzlich Hiebmarkierungen am Schädel.
Bei den Männern Abwehrverletzungen an den Unterarmen.
Pfeilspitzen sind Querschneider.
Erklärung:
Überfall bei Abwesenheit der kampffähigen Bevölkerung. Die beiden Männer litten, wie gesagt unter Bewegungseinschränkung, kämpften jedoch beim Überfall. Sie hatten keine Verletzungen von Fernwaffen, sondern unterlagen offenbar in einem Nahkampf.
Die Pfeilspitzen gehören wohl zur nördlich angesiedelten Schönfelder Kultur.
Sicher entwickelt auch das Buch einige Thesen, die sich nicht belegen lassen. Man merkt auch, dass während des Schreibens der Texte und offenbar auch während der Dreharbeiten noch nicht klar war, wer als Täter in Frage kam. Deshalb auch ein längerer Exkurs über die den Schnurkeramikern benachbarten Glockenbecherleuten und deren Verbreitung.
Trotzdem:
Interessante Lektüre. Lesbar auch für den interessierten Laien. Vielleicht ein wenig unnötig populärer Sprachstil.
Insgesamt ist das Buch aber wohl nicht mit dem Stil des TV-Berichtes zu vergleichen.
Weitere Meinung, mal unter uns Pfarrerstöchtern:
Wir (NHG) habe leider keine Berichte über die aktuelle Archäologie Sachsen-Anhalts in der Bibliothek. Natürlich ist ein Vergleich mit der Faktenlage ausweislich einer normalen Publikation notwendig und sinnvoll.
Andererseits werden die Hauptfakten über das Skelettmaterial und deren medizinischen und sonstigen naturwissenschaftlichen Aussagemöglichkeiten wohl richtig bekanntgegeben.
Auch die schmalen, recht einfach gestalteten Querschneider dienen wohl zurecht als Indikator einer Beteiligung von Menschen der Schönfelder Kultur. Ebenso zeigen die Hiebwunden die Größe von Schönfelder Beilen und nicht die von Glockenbecher-Äxten.
Auch die Hinzuziehung eines modernen Profilers ist natürlich diskussionswürdig. Allerdings weißt er selbst deutlich darauf hin, dass sich moderne Täterforschung aufgrund der wohl höchst unterschiedlichen Sozialstrukturen nicht einfach übertragen lässt. Allerdings stellt er fest, dass vor allem bei besonders brutalen Taten, in rund 95% der Fälle die Täter aus dem unmittelbaren Umfeld kommen. Erklärung hierfür ist, dass die zu solchen brutalen Taten notwendigen emotionalen Konflikte sich eben allermeist im unmittelbaren Umfeld ergeben. Diese Beobachtung auf die Zeit um 2.500 v.Chr. als Überlegung zu übertragen, halte ich zumindest erstmal für statthaft. Zwingend ist sie natürlich nicht.
Der „Overkill“ der sicher zumindest in einem Fall stattfand, (Zwei Hiebverletzungen, zwei Pfeileinschüsse) gibt allerdings schon zu denken.
Die Isotopenanalyse ist natürlich ein wirklich interessantes modernes Mittel. Zumindest in diesem Fall gelang ja das allererste Mal der Nachweis einer patrilokalen Struktur im Endneolithikum.
Dass weiterreichende Schlüsse, wie z.B. der von ulfr im Thread zur neolithischen Scheibenkeule erwähnte Fall des glockenbecherzeitlichen Amesbury Schützen, der auch im besprochenen Buch als Indiz zur Beteiligung der Glockenbecherkultur am Ausbau von Stonehenge (!) herhalten muss, auch letztlich zu stark ins Spekulative gehen, sei mal der Begeisterung über diese für die Arch. neue Methode geschuldet..
Und, rein akademisch, sagt die Isotopenanalyse ja eigentlich nur, wo die Nahrung des Menschen zur Zeit während und nach der Entwicklung seines zweiten Zahnsatzes herkam.
Ich komme demnach in 4.500 Jahren wohl aus Neuseeland- wegen meiner Vorliebe für Kiwis und Lammfleisch..
Auch die offenbar im TV Bericht unterstellte religiösen Verbindung zu den Ägyptern ist wohl, na ja, nicht zwingend, sondern eher gezwungen. Klar sehen die Schnurkeramiker im Tode nach Süden, dem Mittag entgegen. Aber da gleich mit den Ägyptern....noch dazu, wenn man weiß, dass Echnaton ja eigentlich erst 1000 Jahre später....nun ja. Im Buch wird diese „Egyptian connection“ jedenfalls nicht erwähnt.
Resümee:
Erstmal spannend. Dann interessant. Gute Sachinformation. Der Spagat zwischen Populärer Literatur und wissenschaftlicher Information und darin gebotener Zurückhaltung ist immer schwierig.
Mir ist jedenfalls diese Art der Information für das breite Publikum lieber, als eine wissenschaftliche Abhandlung über die Indikation der Attinger Abrollverzierung für Ha A1 oder A2 in der Festschrift zum 25-jährigen Berufsjubiläum der Bibliotheksverwalterin des Heimatmuseums Kleinschluck im Landkreis Roth.
Gerade der Detailreichtum an Aussagen, die heutzutage über eine solche Bestattung möglich ist, sollte schon erneut für die berechtigten Anliegen einer modernen Arch. werben.
Thomas
Harald Meller et.al.:
Tatort Eulau.
Theiss, August 2010.
€ 22,90
Ich denke, viele haben den dazugehörigen Terra X Beitrag im TV gesehen und sind entsprechend skeptisch.
Um was geht´s ?
In der Nähe von Naumburg, im Ort Eulau, nördlich der Saale-Schleife findet seit Jahren Kiesabbau statt. Da Luftbilder und Einzelfunde arch. Be-Funde voraussagten, wird dort im Voraus gegraben.
Befund auf der hochwassersicheren Terrasse: Zwei oder drei noch erkennbare Neolithische Hausgrundrisse, rund 200 m nördlich davon ein Gräberfeld.
Kultur: Schnurkeramik, 14C pendelt um 2.500 v.Chr.
Funde, neben anderen Gräbern:
Drei Grabgruben, jeweils mit Mehrfachbestattungen, insgesamt 13 Menschen.
Schon alleine aufgrund der Lage der Skelette zueinander, wobei bei den Kindern auffälligerweise von der geschlechtsspezifischen geographischen Ausrichtung abgesehen wurde, ließen von vornherein eine Beziehung der Bestatteten untereinander vermuten.
aDNA (ancient DNA) Proben machten in einer der Grabgruben mit einer Frau, einem Mann und zwei Kindern sicher, dass es sich hierbei um eine Familie handelt. Dies konnte für die anderen Gräber aufgrund der schlechten Erhaltungszustände der Kinderknochen (warum ist Word eigentlich bei diesem Wort nicht irritiert...?) nicht nachgewiesen werden.
Isotopenanalyse der Zähne zeigte weiterhin, dass die Männer offenbar in der Gegend aufgewachsen waren, die Frauen jedoch nicht.
Deren Herkunftsort ist unklar, da es keine flächendeckende Isotopenkartierung für Deutschland gibt.
Die nächste Möglichkeit wäre rund 60 km von Eulau entfernt.
Medizinischer Befund:
Zwei sehr große, sehr kräftige Männer, die jedoch unter körperlichen Einschränkungen litten.
Die Frauen offenbar lange Zeit in Hockhaltung, Abnutzung der Gelenke.
Kinder, soweit die Knochen da Aussagen zulassen, gesund.
Pfeileinschüsse bei einer Frau, zusätzlich Hiebmarkierungen am Schädel.
Bei den Männern Abwehrverletzungen an den Unterarmen.
Pfeilspitzen sind Querschneider.
Erklärung:
Überfall bei Abwesenheit der kampffähigen Bevölkerung. Die beiden Männer litten, wie gesagt unter Bewegungseinschränkung, kämpften jedoch beim Überfall. Sie hatten keine Verletzungen von Fernwaffen, sondern unterlagen offenbar in einem Nahkampf.
Die Pfeilspitzen gehören wohl zur nördlich angesiedelten Schönfelder Kultur.
Sicher entwickelt auch das Buch einige Thesen, die sich nicht belegen lassen. Man merkt auch, dass während des Schreibens der Texte und offenbar auch während der Dreharbeiten noch nicht klar war, wer als Täter in Frage kam. Deshalb auch ein längerer Exkurs über die den Schnurkeramikern benachbarten Glockenbecherleuten und deren Verbreitung.
Trotzdem:
Interessante Lektüre. Lesbar auch für den interessierten Laien. Vielleicht ein wenig unnötig populärer Sprachstil.
Insgesamt ist das Buch aber wohl nicht mit dem Stil des TV-Berichtes zu vergleichen.
Weitere Meinung, mal unter uns Pfarrerstöchtern:
Wir (NHG) habe leider keine Berichte über die aktuelle Archäologie Sachsen-Anhalts in der Bibliothek. Natürlich ist ein Vergleich mit der Faktenlage ausweislich einer normalen Publikation notwendig und sinnvoll.
Andererseits werden die Hauptfakten über das Skelettmaterial und deren medizinischen und sonstigen naturwissenschaftlichen Aussagemöglichkeiten wohl richtig bekanntgegeben.
Auch die schmalen, recht einfach gestalteten Querschneider dienen wohl zurecht als Indikator einer Beteiligung von Menschen der Schönfelder Kultur. Ebenso zeigen die Hiebwunden die Größe von Schönfelder Beilen und nicht die von Glockenbecher-Äxten.
Auch die Hinzuziehung eines modernen Profilers ist natürlich diskussionswürdig. Allerdings weißt er selbst deutlich darauf hin, dass sich moderne Täterforschung aufgrund der wohl höchst unterschiedlichen Sozialstrukturen nicht einfach übertragen lässt. Allerdings stellt er fest, dass vor allem bei besonders brutalen Taten, in rund 95% der Fälle die Täter aus dem unmittelbaren Umfeld kommen. Erklärung hierfür ist, dass die zu solchen brutalen Taten notwendigen emotionalen Konflikte sich eben allermeist im unmittelbaren Umfeld ergeben. Diese Beobachtung auf die Zeit um 2.500 v.Chr. als Überlegung zu übertragen, halte ich zumindest erstmal für statthaft. Zwingend ist sie natürlich nicht.
Der „Overkill“ der sicher zumindest in einem Fall stattfand, (Zwei Hiebverletzungen, zwei Pfeileinschüsse) gibt allerdings schon zu denken.
Die Isotopenanalyse ist natürlich ein wirklich interessantes modernes Mittel. Zumindest in diesem Fall gelang ja das allererste Mal der Nachweis einer patrilokalen Struktur im Endneolithikum.
Dass weiterreichende Schlüsse, wie z.B. der von ulfr im Thread zur neolithischen Scheibenkeule erwähnte Fall des glockenbecherzeitlichen Amesbury Schützen, der auch im besprochenen Buch als Indiz zur Beteiligung der Glockenbecherkultur am Ausbau von Stonehenge (!) herhalten muss, auch letztlich zu stark ins Spekulative gehen, sei mal der Begeisterung über diese für die Arch. neue Methode geschuldet..
Und, rein akademisch, sagt die Isotopenanalyse ja eigentlich nur, wo die Nahrung des Menschen zur Zeit während und nach der Entwicklung seines zweiten Zahnsatzes herkam.
Ich komme demnach in 4.500 Jahren wohl aus Neuseeland- wegen meiner Vorliebe für Kiwis und Lammfleisch..
Auch die offenbar im TV Bericht unterstellte religiösen Verbindung zu den Ägyptern ist wohl, na ja, nicht zwingend, sondern eher gezwungen. Klar sehen die Schnurkeramiker im Tode nach Süden, dem Mittag entgegen. Aber da gleich mit den Ägyptern....noch dazu, wenn man weiß, dass Echnaton ja eigentlich erst 1000 Jahre später....nun ja. Im Buch wird diese „Egyptian connection“ jedenfalls nicht erwähnt.
Resümee:
Erstmal spannend. Dann interessant. Gute Sachinformation. Der Spagat zwischen Populärer Literatur und wissenschaftlicher Information und darin gebotener Zurückhaltung ist immer schwierig.
Mir ist jedenfalls diese Art der Information für das breite Publikum lieber, als eine wissenschaftliche Abhandlung über die Indikation der Attinger Abrollverzierung für Ha A1 oder A2 in der Festschrift zum 25-jährigen Berufsjubiläum der Bibliotheksverwalterin des Heimatmuseums Kleinschluck im Landkreis Roth.
Gerade der Detailreichtum an Aussagen, die heutzutage über eine solche Bestattung möglich ist, sollte schon erneut für die berechtigten Anliegen einer modernen Arch. werben.
Thomas
- Blattspitze
- Beiträge: 2572
- Registriert: 17.11.2007 17:38
- Wohnort: Hamburg
Sehr schöne Besprechung, danke Thomas.
Ich werde es wohl kaufen.
Gruß Marquardt
Edit: Den Terra X Film habe ich nicht gesehen. Weiß jemand, wo der gedreht wurde?
Ich werde es wohl kaufen.
Ganz genau. Ich kann Meller & Co für den Mut gar nicht genug danken, es müsste viel mehr populärwissenschaftliche Literatur von professionellen Archäologen geben.Der Spagat zwischen Populärer Literatur und wissenschaftlicher Information und darin gebotener Zurückhaltung ist immer schwierig.
Gruß Marquardt
Edit: Den Terra X Film habe ich nicht gesehen. Weiß jemand, wo der gedreht wurde?
Danke, Thomas. Man kann nur hoffen, das das Begleitbuch besser aufgebaut ist als der Filmbeitrag. Die Fundstelle von Eulau ist es wirklich wert! Zu "Eulau" gehört ja nicht nur die Nekropole, sondern auch die zugehörige Siedlung, die im terraX-Beitrag sträflich vernachlässigt wurde! Dabei hätte man anhand der Siedlungsfunde wesentlich mehr über die Zeit und die Lebensumstände der Schnurkeramiker erfahren können. Nix.
Zum Film:
Es hätte schlimmer kommen können. Meine Enttäuschung über gewisse Informationsdefizite wurde durch die unfreiwillige „Archäo-Comedy“ abgemildert: Irgendwann musste ich nur noch grinsen....
Na ja, der Fackelzug der demaskierten Ku-Klux-Klan-Leute (an so was dachte ich spontan), der war einfach unpassend.
Die Heiterkeit begann mit Sätzen wie: „Was sind das nur für Leute, diese fremden Reiter, und diese merkwürdige Kleidung? Ihre Trinkgefäße sehen aus wie Glocken“, das soll der Erlauer Jäger, eines der späteren Opfer gedacht haben, als er die Reiter der Glockenbecherkultur heimlich beobachtete. - Wow, ganz was neues: die Schnurkeramiker kannten bereits Glocken!!!
Unter anderem ging es weiter mit Sätzen wie: „Die Glockenbecher verfügten bereits über das know how, Kupfer zu verhütten“, „auf dem Rücken der Pferde stießen die Glockenbecher über Spanien und Frankreich nach Eulau vor“, „wer schoss mit dieser Pfeilspitze wenn es die Glockenbecher nicht waren?“, „waren die Glockenbecher Verkünder einer Religion?“ (ist meine Kaffeetasse Muslimin?), „die Glockenbecher haben den Fortschritt nach Europa gebracht“ (ist damit der alkoholische Inhalt der Pötte gemeint?). Es gibt es tatsächlich: das „Glockenbecher-Phänomen“!
Wie Ulfr schon bemerkte war der „Tatort Eulau“ ein räumlicher und zeitlicher Rundumschlag. Den Glockenbecherleuten wurde in diesem Zusammenhang viel zu viel Raum eingeräumt. Erst wurden sie als „böse Buben“ aufgebaut, dann kamen sie doch nicht als Mörder in Betracht. Aber sie bzw. ihre Kultur gaben wenigstens ein paar schöne Bilder ab wie die goldene Armschutzplatte aus Portugal oder den archer aus Stonehenge. Wenigstens hatte das Filmteam nette touristische Ausflüge nach Barcelona, Lissabon, Zambujal und Stonehenge!
Plötzlich, kurz vor Ende der Sendung, waren „die Schönfelder“ (genauer: Leute der Schönfelder Kultur) die Mörder von Eulau. Die lebten angeblich im Harz. Weitere Informationen zur Schönfelder Kultur? Fehlanzeige. Sorry, da war doch was: die querschneidige Pfeilspitze von einem der Mordopfer ist angeblich typisch für „die Schönfelder.“ Bilder aus dem Harz? Nö, da wollte dann doch keiner mehr hinfahren...
Letztlich erinnert das präsentierte Ergebnis vom „Tatort Eulau“ frappant an das Szenario, das für das Talheimer Massengrab gestrickt wurde. http://www.archaeoforum.de/viewtopic.ph ... ht=talheim
„Zugroaste“ Frauen und ein Massenmord, angeblich ausgeübt von Auswärtigen, vielleicht aus Rache für den mutmaßlichen Raub der Frauen...
Für den „Tatort Eulau“ wurde extra ein BKA-Profiler bemüht, der die Statistik heutiger Morde auf eine Bevölkerung übertragen durfte, die vor 4500 Jahren nach ihren eigenen, gänzlich unbekannten Regeln lebte. Hmmm. Wie würde ein bundesdeutscher Richter über die Bewieslage befinden? Ganz sicher käme es erst gar nicht zur Verhandlung.
Infos und statements zum Film gibt es hier:
http://schattenblick.com/infopool/medie ... ok834.html
und weitere „personifizierte Glockenbecher“ hier http://chat.zdf.de/chatlogs/sup_3/24527.html
Einen guten Start in die Woche
wünscht Fridolin
Zum Film:
Es hätte schlimmer kommen können. Meine Enttäuschung über gewisse Informationsdefizite wurde durch die unfreiwillige „Archäo-Comedy“ abgemildert: Irgendwann musste ich nur noch grinsen....
Na ja, der Fackelzug der demaskierten Ku-Klux-Klan-Leute (an so was dachte ich spontan), der war einfach unpassend.
Die Heiterkeit begann mit Sätzen wie: „Was sind das nur für Leute, diese fremden Reiter, und diese merkwürdige Kleidung? Ihre Trinkgefäße sehen aus wie Glocken“, das soll der Erlauer Jäger, eines der späteren Opfer gedacht haben, als er die Reiter der Glockenbecherkultur heimlich beobachtete. - Wow, ganz was neues: die Schnurkeramiker kannten bereits Glocken!!!
Unter anderem ging es weiter mit Sätzen wie: „Die Glockenbecher verfügten bereits über das know how, Kupfer zu verhütten“, „auf dem Rücken der Pferde stießen die Glockenbecher über Spanien und Frankreich nach Eulau vor“, „wer schoss mit dieser Pfeilspitze wenn es die Glockenbecher nicht waren?“, „waren die Glockenbecher Verkünder einer Religion?“ (ist meine Kaffeetasse Muslimin?), „die Glockenbecher haben den Fortschritt nach Europa gebracht“ (ist damit der alkoholische Inhalt der Pötte gemeint?). Es gibt es tatsächlich: das „Glockenbecher-Phänomen“!
Wie Ulfr schon bemerkte war der „Tatort Eulau“ ein räumlicher und zeitlicher Rundumschlag. Den Glockenbecherleuten wurde in diesem Zusammenhang viel zu viel Raum eingeräumt. Erst wurden sie als „böse Buben“ aufgebaut, dann kamen sie doch nicht als Mörder in Betracht. Aber sie bzw. ihre Kultur gaben wenigstens ein paar schöne Bilder ab wie die goldene Armschutzplatte aus Portugal oder den archer aus Stonehenge. Wenigstens hatte das Filmteam nette touristische Ausflüge nach Barcelona, Lissabon, Zambujal und Stonehenge!
Plötzlich, kurz vor Ende der Sendung, waren „die Schönfelder“ (genauer: Leute der Schönfelder Kultur) die Mörder von Eulau. Die lebten angeblich im Harz. Weitere Informationen zur Schönfelder Kultur? Fehlanzeige. Sorry, da war doch was: die querschneidige Pfeilspitze von einem der Mordopfer ist angeblich typisch für „die Schönfelder.“ Bilder aus dem Harz? Nö, da wollte dann doch keiner mehr hinfahren...
Letztlich erinnert das präsentierte Ergebnis vom „Tatort Eulau“ frappant an das Szenario, das für das Talheimer Massengrab gestrickt wurde. http://www.archaeoforum.de/viewtopic.ph ... ht=talheim
„Zugroaste“ Frauen und ein Massenmord, angeblich ausgeübt von Auswärtigen, vielleicht aus Rache für den mutmaßlichen Raub der Frauen...
Für den „Tatort Eulau“ wurde extra ein BKA-Profiler bemüht, der die Statistik heutiger Morde auf eine Bevölkerung übertragen durfte, die vor 4500 Jahren nach ihren eigenen, gänzlich unbekannten Regeln lebte. Hmmm. Wie würde ein bundesdeutscher Richter über die Bewieslage befinden? Ganz sicher käme es erst gar nicht zur Verhandlung.
Infos und statements zum Film gibt es hier:
http://schattenblick.com/infopool/medie ... ok834.html
und weitere „personifizierte Glockenbecher“ hier http://chat.zdf.de/chatlogs/sup_3/24527.html
Einen guten Start in die Woche
wünscht Fridolin
Auch an Fridolin besten Dank für Deine Besprechung, Du hast genau das geschrieben, was mir an dem Bericht sauer aufgestossen ist und ich nur in wenige dürre Worte fassen konnte. Ist ja schön und begrüßenswert, wenn Interesse für Archäologie geweckt werden soll, aber bitte nicht mit der Brechstange!
Bilder aus dem Harz? Nö, da wollte dann doch keiner mehr hinfahren..
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
Hubertus Meyer-Burckhardt
oeis
Hubertus Meyer-Burckhardt
oeis
- Turms Kreutzfeldt
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Die Präsentation der Funde im Landesmuseum gefällt mir dagegen gut, Ulfr wird es ja bei seinem Besuch auch gesehen haben. Weitere Spekulationen, wer es war, gehören in den Bereich der Fiktion. Ulfr und ich schreiben dann mal einen Eulau-Krimi. Den Filmbericht habe ich nicht gesehen, mir scheint nur, manchmal ist unser Fernsehboykott nicht unbedingt schädlich.
Ach so, und da keine Schleudersteine gefunden wurden sind, war ich es nicht !!!
Unschuldig, der Turms
Ach so, und da keine Schleudersteine gefunden wurden sind, war ich es nicht !!!
Unschuldig, der Turms
Ich bin der Schleuderer, der stets aufschreit und das mit Recht, denn alles was nicht schleudert, ist wert das es auch untergeht, so ist denn alles, was ihr Schleudern nennt, mein eigentliches Element...
nach Hildegunst von Mythenmetz, Erinnerungen
nach Hildegunst von Mythenmetz, Erinnerungen
Ich habe den TV Bericht nicht gesehen. Kein TV.....
Schade, dass er das Buch so arg in Mißkredit bringt.
Rein inhaltlich war offenbar das Problem, dass die Schönfelder erst am Ende des Buches und während der Dreharbeiten identifiziert wurden.
Wie gesagt, schade. Die Infos zur Sozialstruktur (Familie, patrilokal etc.) im Endneolithikum sind jedenfalls wertvoll.
Thomas
Schade, dass er das Buch so arg in Mißkredit bringt.
Rein inhaltlich war offenbar das Problem, dass die Schönfelder erst am Ende des Buches und während der Dreharbeiten identifiziert wurden.
Wie gesagt, schade. Die Infos zur Sozialstruktur (Familie, patrilokal etc.) im Endneolithikum sind jedenfalls wertvoll.
Thomas
Hi,
die Assoziation mit der GBK (Film) verbietet sich allein wegen den 14C-Daten der Gräber. Die Eulauer Gräber liegen kalibr. bei etwa 2600 v. Chr., bei ziemlicher Streuung nach oben und unten. Es stellt sich da erstmal mal die Frage, ob die Gräber tatsächlich zeitgleich angelegt wurden (Einzeldaten im PNAS-Artikel zu Eulau von 2007/08). Zu der Zeit um 2600 gab es nur maritime Glockenbecher in Westeuropa, die max mal bis Holland gekommen sind. In Mitteldtld. beginnt die GBK erst 2500.
Ich sehe in Eulau eher mitteldeutsche Traditionen, die aus der Bernburger Kultur weiterlaufen. Zu den jüngsten Bernburger Kollektivgräbern liegen zwar einige Jahrzehnte oder max. 100 Jahre, aber ansonsten ist die Tradition (Stichwort Dolmengöttin, Zeichensysteme etc.) ja fortlaufend. Man denke auch an die nahe gelegene Stele von Schafstädt, bernburgisch und in einer schnurkeramischen Steinkiste verbaut.
Schönfeld (Version Buch) könnte schon eine Rolle spielen, bürstet aber mein eigenes Bild gehörig gegen den Strich. Gerade Schönfeld könnte eine religiöse Oberschicht mit Brandbestattung verkörpert haben. Wohlgemerkt religiös, kein Rohstoffkartell wie Bernburg. Auserwählte, die die Brandbestattung der Bernburger weiterführten… Die Südgruppe der SK (eher im Harzvorland als in Naumburg) hat ja nicht umsonst beim Schönfelder Keramikstil abgekupfert und nicht umgekehrt. Die wechselseitigen Kulturbeziehungen sind bei G. Wetzel in der Monographie zur Schönfelder Kultur nachzulesen, auch früher schon bei Behrens und Fischer.
Insgesamt liegt das Szenario doch ein bisschen knapp neben dem, was Material und Fachbücher hergeben. Passend zu den Nackedeis mit Streitaxt in den grafischen Umsetzungen in Ausstellung und Katalog...
Gruß L.
die Assoziation mit der GBK (Film) verbietet sich allein wegen den 14C-Daten der Gräber. Die Eulauer Gräber liegen kalibr. bei etwa 2600 v. Chr., bei ziemlicher Streuung nach oben und unten. Es stellt sich da erstmal mal die Frage, ob die Gräber tatsächlich zeitgleich angelegt wurden (Einzeldaten im PNAS-Artikel zu Eulau von 2007/08). Zu der Zeit um 2600 gab es nur maritime Glockenbecher in Westeuropa, die max mal bis Holland gekommen sind. In Mitteldtld. beginnt die GBK erst 2500.
Ich sehe in Eulau eher mitteldeutsche Traditionen, die aus der Bernburger Kultur weiterlaufen. Zu den jüngsten Bernburger Kollektivgräbern liegen zwar einige Jahrzehnte oder max. 100 Jahre, aber ansonsten ist die Tradition (Stichwort Dolmengöttin, Zeichensysteme etc.) ja fortlaufend. Man denke auch an die nahe gelegene Stele von Schafstädt, bernburgisch und in einer schnurkeramischen Steinkiste verbaut.
Schönfeld (Version Buch) könnte schon eine Rolle spielen, bürstet aber mein eigenes Bild gehörig gegen den Strich. Gerade Schönfeld könnte eine religiöse Oberschicht mit Brandbestattung verkörpert haben. Wohlgemerkt religiös, kein Rohstoffkartell wie Bernburg. Auserwählte, die die Brandbestattung der Bernburger weiterführten… Die Südgruppe der SK (eher im Harzvorland als in Naumburg) hat ja nicht umsonst beim Schönfelder Keramikstil abgekupfert und nicht umgekehrt. Die wechselseitigen Kulturbeziehungen sind bei G. Wetzel in der Monographie zur Schönfelder Kultur nachzulesen, auch früher schon bei Behrens und Fischer.
Insgesamt liegt das Szenario doch ein bisschen knapp neben dem, was Material und Fachbücher hergeben. Passend zu den Nackedeis mit Streitaxt in den grafischen Umsetzungen in Ausstellung und Katalog...
Gruß L.
Hei,
wer kein TV-Gerät haben sollte, kann ja hier gucken:
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnav ... tort-Eulau
Hilsen
Jøran-Njål
wer kein TV-Gerät haben sollte, kann ja hier gucken:
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnav ... tort-Eulau
Hilsen
Jøran-Njål
- Blattspitze
- Beiträge: 2572
- Registriert: 17.11.2007 17:38
- Wohnort: Hamburg
Hallo Thomas,
ein paar Worte noch zu Deiner "Rezension", nachdem ich das Buch auch gelesen habe:
1. Es stimmt nicht, dass die Schneidenform bzw. das Profil der Äxte eine diskrete Unterscheidung SK vs. Schönfeld ermöglichen würde. Gottlob gibt es die Materialkataloge von W. Matthias zur Schnurkeramik in Mitteldeutschland, so dass sich jeder mit relativ geringem Aufwand selbst überzeugen kann, dass die Streitäxte der Schnurkeramiker eine erhebliche Variationsbreite aufweisen. Es ist also reines Hokuspokus, im Buch zu behaupten die Axt für die Schädelhiebe müsse Schönfelder Herkunft sein.
2. Die typische Pfeilspitze der Schönfelder ist wie im Buch beschrieben querschneidig mit querlaufendem Mittelgrat, bei der SK und GBK kennen wir aus den Gräbern dagegen eher dreieckige Spitzen. Es ist aber auch hier wieder keine Ausschließlichkeit vorhanden. Warum sollten die Schnurkeramiker keine quick- and-dirty Querschneider für den Alltag sprich Jagd eingesetzt haben? Querschneider sind Durchläufer, es gab sie auch im Endneolithikum im Gebiet der Saaleschnurkeramik. Man bedenke, dass fast alle Funde der Saaleschnurkeramik aus Gräbern stammen! Da wurden eher die Sonntagspfeile mit sorgsam retuschierten Dreiecksspitzen mitgegeben, die nicht das gesamte Spektrum zeigen. Ich bin mir nicht sicher, ob die Doktorandin (im Buch mit "t" geschrieben...) in Halle, die über die Pfeilspitzen des Endneolithikums arbeitet, sich über solche verfälschenden Quellenlagen nen Kopf macht.
Fazit: Die Schlussfolgerungen bezüglich der "Mörder" werden auch im Buch ziemlich suggestiv verkauft. Wem das gefällt, bitte sehr. Nur ist es dann eher Fantasy - wäre vielleicht eh das bessere Genre gewesen...
Gruß L.
ein paar Worte noch zu Deiner "Rezension", nachdem ich das Buch auch gelesen habe:
1. Es stimmt nicht, dass die Schneidenform bzw. das Profil der Äxte eine diskrete Unterscheidung SK vs. Schönfeld ermöglichen würde. Gottlob gibt es die Materialkataloge von W. Matthias zur Schnurkeramik in Mitteldeutschland, so dass sich jeder mit relativ geringem Aufwand selbst überzeugen kann, dass die Streitäxte der Schnurkeramiker eine erhebliche Variationsbreite aufweisen. Es ist also reines Hokuspokus, im Buch zu behaupten die Axt für die Schädelhiebe müsse Schönfelder Herkunft sein.
2. Die typische Pfeilspitze der Schönfelder ist wie im Buch beschrieben querschneidig mit querlaufendem Mittelgrat, bei der SK und GBK kennen wir aus den Gräbern dagegen eher dreieckige Spitzen. Es ist aber auch hier wieder keine Ausschließlichkeit vorhanden. Warum sollten die Schnurkeramiker keine quick- and-dirty Querschneider für den Alltag sprich Jagd eingesetzt haben? Querschneider sind Durchläufer, es gab sie auch im Endneolithikum im Gebiet der Saaleschnurkeramik. Man bedenke, dass fast alle Funde der Saaleschnurkeramik aus Gräbern stammen! Da wurden eher die Sonntagspfeile mit sorgsam retuschierten Dreiecksspitzen mitgegeben, die nicht das gesamte Spektrum zeigen. Ich bin mir nicht sicher, ob die Doktorandin (im Buch mit "t" geschrieben...) in Halle, die über die Pfeilspitzen des Endneolithikums arbeitet, sich über solche verfälschenden Quellenlagen nen Kopf macht.
Fazit: Die Schlussfolgerungen bezüglich der "Mörder" werden auch im Buch ziemlich suggestiv verkauft. Wem das gefällt, bitte sehr. Nur ist es dann eher Fantasy - wäre vielleicht eh das bessere Genre gewesen...
Gruß L.