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Flint bohren?

Verfasst: 19.12.2010 12:29
von ulfr
Kann man Flint bohren? Ohne moderne Ultraschallgeräte oder Diamantbohrer? Mit steinzeitlichen Methoden?

Mir ist kein Fall bekannt, es gibt zwar ein durchlochtes Feuersteinbeil, aber das wurde um ein natürliches Loch herum geschlagen und gecshliffen.

Allerdings gibt es aus dem Bodenseeraum Ketten aus Kalkperlen, die mittels Schiebern aus Radiolarit zusammengehalten wurden. Diese Schieber sind dünne vierkantige Stäbchen, die mehrfach durchlocht wurden. Radiolarit ist ähnlich hart wie Flint, aber irgendwie müssen die Löcher ja dort hineingekommen sein. Hat man das eher durch "schleifendes" Bohren erreicht, also mittels Holzstäbchen und Quarzsand? Wohl anzunehmen. Aber warum gibt es sonst keine gebohrten Flintobjekte. Oder weiß jemand was?

Verfasst: 19.12.2010 13:35
von Manu
Als hättest du es geahnt, mit dem Problem schlage ich mich (wiedermal) seit zwei Tagen rum.

In Wangen am Bodensee hat man mir auch die Sache mit dem Schleifen und den Holzstäbchen erzählt, aber auch nur nach mehrfacher beständiger Nachfrage, da es da auch noch niemand ausprobiert hat.

Ich würde es gerne mal versuchen, aber woher bekommt man Radiolarit? Ist das noch unter einem anderen Namen bekannt?

Zum durchbohrten Feuerstein ist mir auch kein Fund bekannt. Schleifen? Hmm...

Die grübelnde, schleifende Manu

Verfasst: 19.12.2010 13:36
von Jürgen Weiner
Ahoi!

Mir sind noch einige wenige weitere Beispiele naturdurchlochter Flintgeräte aus Frankreich bekannt. Muss die Zitate noch suchen und werde sie dann hier bekanntmachen. Flint bohren war allem Anschein nach mit den damaligen Mitteln - jedenfalls auf halbwegs ökonomischem Wege - nicht möglich. Sonst würden wir entsprechende eindeutige Belege häufig finden.
Lohnend im Hinblick auf das Bohren von Kieselgestein ist immer ein Blick in die zahlreichen Arbeiten von Gwinnett & Gorelick (vice versa). Irgendwo in meinen Regalen liegen in den Stapeln Hunderter von Kopien zwei dieser faszinierenden Aufsätze, aber zum Suchen habe ich momentan keine Zeit...

HG Jürgen

Verfasst: 19.12.2010 14:05
von Fridolin
Durchbohrten Flint kenne ich nicht, es gibt aber ein paar Äxte aus Quarzit. Fein durchbohrte bronzezeitliche Achatperlen sind zumindest aus dem Wrack von Uluburun belegt, ferner aus dem Bereich persischer Golf - Industal. Wie die feinen Bohrungen gemacht wurden entzieht sich meiner Kenntnis, aber in der Ägäis hatte man reichlich Korund /Smirgel ..

Viele Grüße

Fridolin

Verfasst: 19.12.2010 14:13
von Blattspitze
http://www.persee.fr/web/revues/home/pr ... le%3Asilex^2.0+fullContent%3Asilex^100.0+fullTitle%3Asilex^140.0+summary%3Asilex+authors%3Asilex^5.0+illustrations%3Asilex^4.0+bibrefs%3Asilex^4.0+toctitles%3Asilex^4.0+toctitles1%3Asilex^3.0+toctitles2%3Asilex^2.0+toctitles3%3Asilex%29+%2B%28content%3Airaq+title%3Airaq^2.0+fullContent%3Airaq^100.0+fullTitle%3Airaq^140.0+summary%3Airaq+authors%3Airaq^5.0+illustrations%3Airaq^4.0+bibrefs%3Airaq^4.0+toctitles%3Airaq^4.0+toctitles1%3Airaq^3.0+toctitles2%3Airaq^2.0+toctitles3%3Airaq%29%29+AND+%28+%2Bpole%3A%28revue%29+%2Baccess_right%3A%28free%29+%29&words=silex&words=100&words=140&words=iraq&words=revue&words=free


Eine interessante Methode um Perlen zu durchlochen ...

Verfasst: 19.12.2010 16:41
von ulfr
@ Manu: Ausprobiert hat es Fritz Seeberger, aber soweit ich weiß, nicht publiziert. Radiolarit findest Du oft am Bodenseeufer

http://www.silberberg-davos.ch/Radiolarit.JPG

Es gibt auch grüne und graue Variationen

M, Dein link funzt nicht, ich bekomme eine leere Seite angezeigt ...

Verfasst: 19.12.2010 17:49
von Blattspitze
Komisch, der direkte link zu persee funzt tatsächlich nicht. Also:
Bild

Aus:

Une Technique de perforation par percussion de perles en cornaline (Larsa, Iraq) 
Tixier J. , Inizan M. L. , Chevalier J.   Paléorient     Année   1982   Volume   8   Numéro   8-2   pp. 55-65

Verfasst: 20.12.2010 07:58
von Manu
@ulfr

danke, jetzt wo ich das Bild sehe, kann ich was damit anfangen. Dieses schöne rotbraun/grün habe ich oft schon am Ufer gesammelt (unwissend, daß es die Schieber sind) Jetzt bin ich wieder motiviert einen ausführlichen Spaziergang zu machen. Danke :fox:

@Blattspitze

Die Methode ist sehr interessant. Beim Kalkstein ist mir das allerdings noch nicht "passiert". Wenn man zu viel Druck ausübt, bricht die Perle. Bei anderen Steinarten wird das vielleicht funktionieren. Wahrscheinlich kommt es auch auf die Maserung des Steines an. :?

Verfasst: 20.12.2010 09:29
von rolfpeter1
Servus,

durchbohrte Flintgeräte, also mit einem Drillbohrer durchlochte, sind mir keine bekannt.
Axt-artige Feuersteingeräte mit gepickten Durchlochungen sind aber in Frankreich gefunden worden, wie es der Jürgen weiter oben schon angedeutet hat.

Gérard Cordier hat sich intensiv mit durchlochten Steingeräten befaßt und auch Etliches in den französischen Periodika veröffentlicht.

z.B. mehrere durchlochte "pics" und ein durchlochtes diskoides Gerät:
Gérard Cordier (1971), Instruments perforés de l'Eure-et-Loir, Revue archéologique du Centre de la France, Bd. 10, 119 - 141

Einfach bei
http://www.persee.fr
nach
"Instruments perforés"
suchen.

André Grisse hat in seinen "Früh- und Mittelkupferzeitlichen Steinäxten im westlichen Mitteleuropa" auch welche veröffentlicht, bezieht sich aber da auf die franz. Quellen, die ich oben angedeutet habe.

HG
RP

Verfasst: 20.12.2010 18:14
von enrohs
@ Manu:
Radiolarit wird oft als Kieselschiefer bezeichnet. Schwarzen Radiolarit bezeichnet man gemeinhin als Lydit. Aus diesem Material gibt es in Nordthüringen und Süd-Sachsen-Anhalt geschliffene bandkeramische Dechselklingen. Von Bohrungen ist mir in diesem Zusammenhang aber nichts bekannt. Ich denke aber, daß sich dieses Gestein dafür besser eignen dürfte, als Silex, da es nicht ganz so spröde ist. Ich hoffe, ich konnte etwas weiterhelfen.

Viele Grüße

Sven

Verfasst: 20.12.2010 22:55
von FlintSource
Das hat man davon wenn man Zahnärtzte aus ihren Praxen herauslässt. Zu dem Post von Jürgen zu Gwinnett & Gorelick:

"In 1977, they were the first dentists ever to be invited to address the American Institute of Archeology."

"Published articles by and books about Dr. Leonard Gorelick, an orthodontist who practiced in Great Neck, NY and was a professor of dentistry at Stony Brook University. Dr. Gorelick worked in collaboration with Dr. A. John Gwinnett, Associate Professor of Oral Biology and Pathology at Stony Brook University.": http://www.stonybrook.edu/libspecial/collections/archives/rg64/gorelick.shtml#bib

Und jetzt wieder weiter mit den undurchlochten Felsgesteingeräten,
Rengert

Re: Flint bohren?

Verfasst: 21.12.2010 09:56
von Fridolin
ulfr hat geschrieben: Allerdings gibt es aus dem Bodenseeraum Ketten aus Kalkperlen, die mittels Schiebern aus Radiolarit zusammengehalten wurden. Diese Schieber sind dünne vierkantige Stäbchen, die mehrfach durchlocht wurden. Radiolarit ist ähnlich hart wie Flint, aber irgendwie müssen die Löcher ja dort hineingekommen sein.


Geht es um die Schieber aus Hornstaad? Ich habe nur ein mittelprächtiges Foto (Wahlster/Schlichtherle, Archäologie in Seen und Mooren) vorliegen, auf dem sich die Gesteinsart natürlich nicht zu erkennen gibt. Wie wurde "Radiolarit" bestimmt? Es wäre sicherlich eine Sch...-Arbeit, das harte Material zu durchbohren, wie auch immer. Kann es nicht ein anderes tiefrotes Gestein sein? Aus Bodmann kommen Anhänger aus tiefrotem "Schiefer" (selbes Buch, Abb. 141). Ich kann mir vorstellen, dass die Schieber auch aus einem ursprünglich ockerfarbenem Kalk hergestellt wurden, der bei ca. 300-500°C gebrannt wurde. Dann nämlich verfärben sich die ockerfarbenen Eisenhydroxide zu rotem Eisenoxid. Und die Durchbohrung ist natürlich viel einfacher.... Ockerfarbene tertiäre Kalke gibt es meines Wissens am Schienerberg.


Viele Grüße

Fridolin

Verfasst: 21.12.2010 11:30
von ulfr
Der Aufsatz von Fritz ist doch publiziert und findet sich im ArchKorbl 22, 1992:

http://www.bcin.ca/Interface/openbcin.c ... key=144540

Es ist tatsächlich Radiolarit, Frido, wenn auch vielleicht nicht durchgängig.

Verfasst: 21.12.2010 11:55
von Blattspitze
Das Durchbohren von Flint in größeren Durchmessern ist definitv keine übliche Verfahrensweise gewesen. Für die in seltenen Einzelfällen bekannten Flintäxte und -Keulenköpfe ist bestimmt von vorhandenen natürlichen Löchern auszugehen, die ggflls. durch Picken /Schleifen erweitert wurden.
Spannend sind Materialien wie Jadeit, Nephrit oder Lapislazuli, Mohs`sche Härten zwischen 5 und 6,5 werden dafür genannt, also nahe an Hornstein/Flint.
Da gibt es ja diese sagenhaften Äxte aus Troja, die nicht nur formidable Schaftlöcher zeigen, sondern z.T. auch oberflächliche Verzierungen, die z.T. "gebohrt" wurden.
Leider finde ich kein gutes online Bild:
http://www.schliemann-museum.de/hsm/na_ ... richt.html
Zur Herstellung ägyptischer Steingefäße bis hin zu Perlen in Serie (verblüffend) durch Bohren/Schleifen ist hier etwas auf englisch mit prakt. Demos...
mms://mrcstr1.swan.ac.uk/cema_conf/denys_stocks.wmv

Verfasst: 21.12.2010 14:11
von Manu
Bild]BildBild

Könnte das Radiolarit sein?

Habe eine Weile schleifen müssen und werde jetzt mal ans Durchbohren gehen. Drückt mir die Daumen.
:octo: