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Vicus Belginum

Verfasst: 10.05.2011 16:59
von Segestes
Zoff um Leitung des Archäologieparks
Die Gemeinde Morbach will nach einem ersten missglückten Anlauf die Stelle von Rosemarie Cordie, der Leiterin des Vicus Belginum, auf eine Teilzeitstelle reduzieren. Sie will sich auch von der wissenschaftlichen Arbeit verabschieden. Dies kritisiert nicht nur Cordie vehement, sondern auch das Bildungsministerium.
Morbach. "Museumstod auf Raten." Mit diesem drastischen Bild beschreibt Rosemarie Cordie, die Leiterin des Vicus Belginum, was sie für die Zukunft des Morbacher Archäologieparks befürchtet. Hintergrund: Die Gemeinde will, dass Cordie in Zukunft nur noch Teilzeit arbeitet, genauer sieben Monate im Jahr.
Das Museum wäre dann - wie vom Gemeinderat beschlossen - für den Rest des Jahres geschlossen. Mit ihrer ersten Änderungskündigung zum 30. Juni ist die Verwaltung allerdings gescheitert. Cordie hat dagegen geklagt - und im Gütetermin erst mal recht bekommen.
Die Gemeinde hatte die Kündigungsfrist nicht eingehalten. Nun wird laut Büroleiter Theo Gätz zum Ende des Jahres gekündigt.
Eine Katastrophe für die 56-jährige Leiterin, die das Museum mit zwei Kräften für den Besucherservice managt. Die für den Besucherstrom wichtigen Sonderausstellungen könne sie dann nicht mehr vorbereiten, sagt Cordie. Die Grabungen, die ebenfalls viele Menschen angelockt hätten, sowie deren wissenschaftliche Auswertung würden gestoppt. Netzwerke mit Museen und Tourismusorganisationen könnten nicht mehr bedient werden, wenn fünf Monate pro Jahr niemand da sei.
Cordies Fazit: "Wenn man nichts investiert, kommt auch nichts bei raus."
Theo Gätz von der Verwaltung hingegen verweist auf die Sparbeschlüsse des Gemeinderats. Die Einschränkungen im Archäologiepark seien vor dem Hintergrund eines nicht ausgeglichenen Haushalts und hohen jährlichen Defiziten des Belginums von zuletzt 130 000 Euro beschlossen worden. Zudem habe die Morbacher Einrichtung mit ihren jährlich 10 000 Besuchern die Erwartungen, die bei der dreifachen Menge lägen, nicht erfüllt.
Gätz schlägt vor, Sonderausstellungen zu mieten. Den Grabungen und ihrer wissenschaftlichen Aufarbeitung erteilt er eine Absage: "Die sind zwar schön, bringen aber keine Besucher. Wenn das Land die Forschung will, muss es sie zahlen. Wir wollen den Schwerpunkt auf Vermarktung legen." Besucher brächten Kaufkraft, deshalb betreibe man ein Museum.
Mit dieser Einstellung trifft Gätz in Mainz auf klaren Widerspruch. "Wissenschaftliche Forschung gehört zu den klassischen Aufgaben eines Museums", teilt Wolf-Jürgen Karle, Sprecher des Bildungsministeriums mit. Schon aus Gründen der Gleichbehandlung könne das Land die Kosten für die wissenschaftliche Arbeit im Morbacher Museum nicht übernehmen. Und nicht nur das. Karle sagt auch: "Das Land hat mit Leihgaben aus dem Landesmuseum Trier das Museum überhaupt erst möglich gemacht. Einschränkungen in der öffentlichen Zugänglichkeit könnten diese Leihgaben infrage stellen." Generell stellt Karle fest, dass Staatssekretär Walter Schumacher sich dafür eingesetzt habe, dass die Gemeinde der angesehenen Wissenschaftlerin Cordie eine angemessene Stellenausstattung biete.
Das Belginum genieße einen sehr guten Ruf in der Fachwelt.
Meinung
Warnschuss aus Mainz

Ein Museum ist kein Schuhgeschäft. Geld zu bringen, kann nicht das erste Ziel sein. Es geht um Kultur, Bildung oder Kunst. Natürlich muss ein Museum die Menschen ansprechen, die für Eintritt und anderes zahlen. Doch allein auf die finanziellen Aspekte kann man es nicht reduzieren. Das gilt auch für den Morbacher Archäologiepark. Die Verwaltung täte gut daran, dessen Inhalte, auch die wissenschaftlichen, ernst zu nehmen und mit der Leiterin über Kürzungen zu reden. Die Drohung aus Mainz, Leihgaben zurückzufordern, ist ein Warnschuss.
m.maier@volksfreund.de

Hab mir erlaubt, den Artikel kursiv zu setzen, damit er als Zitat kenntlich ist, könntest Du bitte die Quelle hinzufügen?
Danke!
ULFR


Ich kann mich diesem Artikel nur anschließen, so macht man Museen kaputt. Bild

Re: Vicus Belginum

Verfasst: 13.05.2011 16:53
von marled
HIER gibt es den Originalartikel aus dem Trierischen Volksfreund.
Marled

Re: Vicus Belginum

Verfasst: 14.05.2011 09:44
von Segestes
Danke marled, hatte vergessen die Quelle zu nennen.

Update Belginum

Verfasst: 19.06.2012 13:06
von imoen
Im Winter 2011/12 hatte das Belginum erstmals eine 5-monatige Winterpause. Frau Cordie hatte zwar gegen ihre Änderungskündigung geklagt und diese wurde auch für unrechtmäßig erklärt, aber da die Gemeinde Berufung eingelegt hat, ist das Urteil nicht rechtskräftig geworden.
Im Februar 2012 hat sich der wissenschaftliche Beirat (Mitglieder u.a. Alfred Haffner, Sabine Rieckhoff) zu Wort gemeldet, die Schließung scharf kritisiert und mit der Niederlegung seiner Arbeit gedroht:
http://www.volksfreund.de/nachrichten/r ... 79,3069724

Seit Mai 2012 steht ein Vergleich im Raum, da die Gemeinde Morbach vor Gericht höchstwahrscheinlich wieder den Kürzeren ziehen wird und eine weitere Runde Rechtsstreit Jahre dauern könnte. Das Vergleichsangebot ist eine Reduzierung der Arbeitszeit von Frau Cordie auf 90% statt auf 58%.
http://www.volksfreund.de/nachrichten/r ... 79,3153754

Soweit ich das verstanden habe, ist das allerdings unabhängig von den Öffnungszeiten des Museums: das könnte weiterhin mehrere Monate pro Jahr schließen. Aber zumindest könnte Frau Cordie weiterhin Sonderausstellungen organisieren, die Netzwerke zu anderen Museen aufrechterhalten und möglicherweise Forschung betreiben (für deren Finanzierung sieht sich die Gemeinde auch nicht zuständig und fordert Unterstützung vom Land. Grabungen gibt es im Moment mangels Ein-Euro-Jobbern sowieso nicht mehr, aber das ist ein deutschlandweites Problem). Und sie könnte weiterhin genug Geld zum Leben verdienen... :19:

Re: Vicus Belginum

Verfasst: 20.06.2012 08:10
von S. Crumbach
Die klassischen Aufgaben eines Museum: Sammeln, Bewahren, Forschen
http://www.museumsbund.de/de/das_museum ... s_museums/

Forschung sollte eigentlich die Grundvoraussetzung für die Austellung und Präsentations sein. Munter die Mythen zu reproduzieren, daß sich Forschung heimlich und im luftleeren Raum als reine staatliche Beschäftigungs-Therapie für Wissenschaftler abspielt ist für meine Begriffe ein Unding.

Leider scheint das Pendel wieder genau in dieses Richtung zu schwingen - kräftig gefördert von Marketingstrategie, die in erster Linie genau diese Mythen aufgreifen und nachplappern.

Für mich ist erstaunlich, wer alles in das selbe Horn tutet: Wissenschaft kann nicht lebendig sein. Nur das fleischliche Mitempfinden kann gerade Geschichte und Archäologie plastisch machen.

*Seufts*