Aus eigener Erfahrung beim Kochen - auch wenn es kein Talg war - kann ich eigentlich nur bestätigen, was im Krünitz dazu angemerkt ist: Das Auskochen ohne Wasser erfordert ständiges Umrühren und Aufpassen, da sonst die Gefahr des Anbrennens - vorerst
nicht des
Verbrennens - besteht. Dadurch erhält das Talg einen als unschön empfundenen Braunstich, der dann relativ aufwändig zu entfernen wäre. Außerdem dürfte das Talg dann einen anderen Geschmack und Geruch annehmen, was man bei der Verwendung z.B. in Pastetenteigen nicht haben will, da das Fett von sich aus relativ geschmacksneutral ist und sein soll. Auch in Kerzen und Lampen dürfte der veränderte Geruch wohl eher als negativ empfunden worden sein - vor allem in rauchfreien geschlossenen Räumen, die von außen beheizt werden (Stube und Kachelofen z.B. oder älter: Hypokausten etc.).
Meiner Ansicht nach ist es vorauszusetzen, dass in historischen Zeiten die mit dem Auskochen beschäftigten Personen durchaus über das entsprechende Wissen, die Erfahrung und das Geschick verfügt haben, tatsächliche Fettbrände beim Talgauslassen im Regelfall zu vermeiden. Um das Fett nicht anbrennen su lassen, bedarf es aber etwas mehr Fingerspitzengefühl, das nicht unbedingt jedem in die Wiege gelegt ist - vor allem wenn es größere Mengen sind. Zu Krünitz Zeiten wurden zudem ganz neue Feuerungsmethoden und Herdkonstruktionen entwickelt, so dass es vorstellbar ist, dass eine bessere und einfachere Dosierung der Hitze möglich war, was das Auskochen ohne Wasser erleichtert haben kann. Er scheint in quasi fast industriell zu bezeichnenden Mengen zu denken. Da dürfte am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts wahrschenlich nur noch selten ein ebenerdiges Feuer, sondern aufwändigerer Herdkonstruktionen, die im Text nicht genannt werden (da als banale Tatsache, die jeder weiß eventuell vorausgesetzt), verwendet worden sein. Das Werk erschien in der Zeit des vorindustriellen Manufakturwesens und zu Beginn der Industrialisierung (zwischen 1773 und 1858 veröffentlicht), wodurch aus Rationalisierungsgründen und Fortschrittsgläubigkeit durchaus mit solchen technisch raffinierteren Lösungen zu rechnen ist.
Das soll jetzt nicht heißen, dass es das Auskochen ohne Wasser nicht auch schon vorher gegeben haben kann. Im Text heißt es, das Verfahren sei neu und löse gerade das älter mit Wasser ab. D.h. es war dem Verfasser neu, muss also vor maximal drei Generationen, ca. 70-90 Jahren, vor Verfassen des Buches erst eingeführt worden sein und war kurz davor wohl unbekannt oder zumindest eine gewisse Zeit in Vergessenheit geraten. (Vor maximal 90 Jahren, da Ethnologie und Volkskunde - und mittlerweile auch die Geschichtswissenschaften - glaubhaft nachweisen konnten, dass das kollektive mündlich tradierte Gedächtniss einer Gesellschaft ohne schriftliche Fixierung der Ereignisse maximal bis in die Großelterngeneration zurück reicht. Alles andere wird als "graue Vorzeit" empfunden und verschwimmt mit wenigen Ausnahmen im Nebel des Vergessens.)
Das Talg, Tran und anderes das in UFG Zeiten in den mehrfach nachgewiesenen Lampen (z.B.:
http://www.archaeoforum.de/viewtopic.ph ... =Tranlampe) verbrannt wurde - für Wachs brauch man nicht unbedingt Lampenschälchen, da Kerzen hergestellt werden können, und für Öl müsste in Jäger- und Sammlerkulturen und frühen Ackerbauernkulturen relativ viel Aufwand aufgebracht werden um Ölfrüchte zu sammeln und auszupressen (siehe dazu auch das Thema zu Leinölgewinnung im Neolithikum:
http://www.archaeoforum.de/viewtopic.ph ... ein%C3%B6l) - muss nicht zwangsläufig extra ausgekocht worden sein. Wie Trebron schon mit der Fleischsuppe angedeutet hat, kann man das Talg auch von der Oberfläche einer Suppe abschöpfen oder nach dem Erkalten abheben. Außerdem kann man relativ einfach den Bratensaft vom Braten am Spieß auffangen, wie das zur Römerzeit und vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert getan wurde. Irgendwo habe ich auch mal von Lipitanalysen an alten Lämpchen gelesen, ich möcht mich da aber nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, da ich mir sicher bin, den Nachweis nicht mehr ausfindig machen zu können. Es bedürfte eines sehr glücklichen Zufalls, das ich den Artikel nochmal in die Finger bekomme, da ich vollständig vergessen habe aus welcher Zeitschrift er stammte. Vielleicht weiß ja jemand anderes genaueres.