Bandkeramische Geweihklingen
Verfasst: 15.01.2012 17:35
Dieses Wochenende zwischen den Schreibtischarbeiten durch doch mal etwas praktisches gemacht, die Replizierung zweier bandkeramischen Geweihgeräte. Ich hatte noch einige antike Geweihstangen vom Trödler liegen, wohl eine ehemalige Lampe.
Das erste Stück ist eine Kopie eines der seltenen T-Äxte (auch Tüllengeweihäxte oder Geweihäxte von Typ B nach Seger [Seger 1926, 200–201]) aus der Bandkeramik. Das Teil kommt von einer meiner Altgrabungen in Dresden (Foto in Brestrich/Elburg 1996, Zeichnung und Kontext/Interpretation in Elburg 1999, beide Publikationen sind auf academia.edu zu finden) und ist zusammen mit dem Stück aus Eilsleben (Pratsch 2006, Tafel 48) das, meines Wissens, einzige vollständige Stück aus gesicherter LBK-Kontext.
Die Produktion fand modern statt unter Zuhilfenahme eines Winkelschleifers. Die Stange wurde in Segmente geteilt und der verbleibende Axtkopf brauchte nur noch geringe Überarbeitung. Das Schäftungsloch ist gebohrt und danach konisch ausgeräumt.
Der Vergleich zwischen Zeichnung und Replik zeigt große Übereinstimmung, das moderne Exemplar ist aufgrund der nicht sehr schweren Stange etwas graziler, was sich speziell in der (hier nicht abgebildeten) Obenansicht zeigt.
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Damit kann an dieser Stelle auch gleich mit der häufig geäußerten Behauptung, die parallel geschäftete Schneide sei in der Bandkeramik unbekannt gewesen, aufgeräumt werden. Die Querschäftung als Dechsel der Steinklingen ist also eine wohlüberlegte kulturelle oder technologische Eigenheit und nicht dem Unvermögen Parallelschäftungen herzustellen geschuldet.
Das zweite Stück ist ebenfalls eine Seltenheit, nämlich eine schmale Dechselklinge aus Geweih. Als Vorbild dient hier das Unikat (?) von Cuiry-lès-Chaudardes am Nordrand des Pariser Beckens (Sidéra 1989, pl. 25). Wie der Vergleich mit der Abbildung zeigt, ist auch hier der Replik etwas graziler, ich habe jedoch versucht die Proportionen beizubehalten.
Dieses letztere Stück ist auch gleich geschäftet und zwar auf einem Stiel aus Eibenholz in sehr experimenteller Form, die „Janusschäftung“.
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Dieses Teil beruht natürlich nicht auf irgendwelchen neolithischen Funden. Zweck bei diesem Stück ist mal an einer Schäftung zu erproben, wie sich die komplementäre Schäftungswinkel bemerkbar machen bei der Handhabung. Deshalb auch die moderne Bindung, diese soll schnell anzulegen (und wieder zu lösen) sein, um an einem Werkstück die Winkeländerung zu überprüfen.
Erste Versuche zeigen, dass es sich um ein gebrauchsfähiges Gerät handelt, auch wenn die Schneide, wie Ulfr bereits irgendwo im Forum bemerkt hat, bei der Bearbeitung von Frischholz sehr schnell abstumpft. Das Gerät wird, wie auch der T-Axt, in Ergersheim am Start sein, da kann es dann weiter begutachtet und überprüft werden.
PS. Ich sehe gerade im Vorschau, dass die Bilder alle an der rechten Seite leicht abgeschnitten sind (20 pixel oder so), habe aber jetzt keine Inspiration die Fotos nach 750 Pixel breite umzusetzen und neu hochzuladen.
Quellen:
Brestrich/Elburg 1996: W. Brestrich/R. Elburg, Zwischen den Bächen. Die Bandkeramische Siedlung von Dresden-Mockritz (DD-27), Arch. Aktuell Freistaat Sachsen 4, 1996, 9-13.
Elburg 1999: R. Elburg, Man-animal relationships in the Early Neolithic of Dresden (Saxony, Germany). In: J.W.F. Reumer/J. de Vos (Hrsg.), Elephants have a snorkel! Papers in honour of Paul Y. Sondaar, DEINSEA 7 (Rotterdam 1999) 169-186.
Pratsch 2006: S. Pratsch, Mesolithische Geweihgeräte im Jungmoränengebiet zwischen Elbe und Neman. Ein Beitrag zu Ökologie und Ökonomie, Studien zur Archäologie Europas 2 (Bonn 2006).
Seger 1926: H. Seger, Hirschgeweih-Äxte, Altschlesien 1 H. 3/4, 1926, 199-204.
Sidéra 1989: I. Sidéra, Un complément des données sur les sociétés rubanées - l’Industrie osseuse à Cuiry-lès-Chaudardes, BAR Intern. Ser. 520 (Oxford 1989).
Das erste Stück ist eine Kopie eines der seltenen T-Äxte (auch Tüllengeweihäxte oder Geweihäxte von Typ B nach Seger [Seger 1926, 200–201]) aus der Bandkeramik. Das Teil kommt von einer meiner Altgrabungen in Dresden (Foto in Brestrich/Elburg 1996, Zeichnung und Kontext/Interpretation in Elburg 1999, beide Publikationen sind auf academia.edu zu finden) und ist zusammen mit dem Stück aus Eilsleben (Pratsch 2006, Tafel 48) das, meines Wissens, einzige vollständige Stück aus gesicherter LBK-Kontext.
Die Produktion fand modern statt unter Zuhilfenahme eines Winkelschleifers. Die Stange wurde in Segmente geteilt und der verbleibende Axtkopf brauchte nur noch geringe Überarbeitung. Das Schäftungsloch ist gebohrt und danach konisch ausgeräumt.
Der Vergleich zwischen Zeichnung und Replik zeigt große Übereinstimmung, das moderne Exemplar ist aufgrund der nicht sehr schweren Stange etwas graziler, was sich speziell in der (hier nicht abgebildeten) Obenansicht zeigt.
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Damit kann an dieser Stelle auch gleich mit der häufig geäußerten Behauptung, die parallel geschäftete Schneide sei in der Bandkeramik unbekannt gewesen, aufgeräumt werden. Die Querschäftung als Dechsel der Steinklingen ist also eine wohlüberlegte kulturelle oder technologische Eigenheit und nicht dem Unvermögen Parallelschäftungen herzustellen geschuldet.
Das zweite Stück ist ebenfalls eine Seltenheit, nämlich eine schmale Dechselklinge aus Geweih. Als Vorbild dient hier das Unikat (?) von Cuiry-lès-Chaudardes am Nordrand des Pariser Beckens (Sidéra 1989, pl. 25). Wie der Vergleich mit der Abbildung zeigt, ist auch hier der Replik etwas graziler, ich habe jedoch versucht die Proportionen beizubehalten.
Dieses letztere Stück ist auch gleich geschäftet und zwar auf einem Stiel aus Eibenholz in sehr experimenteller Form, die „Janusschäftung“.
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Dieses Teil beruht natürlich nicht auf irgendwelchen neolithischen Funden. Zweck bei diesem Stück ist mal an einer Schäftung zu erproben, wie sich die komplementäre Schäftungswinkel bemerkbar machen bei der Handhabung. Deshalb auch die moderne Bindung, diese soll schnell anzulegen (und wieder zu lösen) sein, um an einem Werkstück die Winkeländerung zu überprüfen.
Erste Versuche zeigen, dass es sich um ein gebrauchsfähiges Gerät handelt, auch wenn die Schneide, wie Ulfr bereits irgendwo im Forum bemerkt hat, bei der Bearbeitung von Frischholz sehr schnell abstumpft. Das Gerät wird, wie auch der T-Axt, in Ergersheim am Start sein, da kann es dann weiter begutachtet und überprüft werden.
PS. Ich sehe gerade im Vorschau, dass die Bilder alle an der rechten Seite leicht abgeschnitten sind (20 pixel oder so), habe aber jetzt keine Inspiration die Fotos nach 750 Pixel breite umzusetzen und neu hochzuladen.
Quellen:
Brestrich/Elburg 1996: W. Brestrich/R. Elburg, Zwischen den Bächen. Die Bandkeramische Siedlung von Dresden-Mockritz (DD-27), Arch. Aktuell Freistaat Sachsen 4, 1996, 9-13.
Elburg 1999: R. Elburg, Man-animal relationships in the Early Neolithic of Dresden (Saxony, Germany). In: J.W.F. Reumer/J. de Vos (Hrsg.), Elephants have a snorkel! Papers in honour of Paul Y. Sondaar, DEINSEA 7 (Rotterdam 1999) 169-186.
Pratsch 2006: S. Pratsch, Mesolithische Geweihgeräte im Jungmoränengebiet zwischen Elbe und Neman. Ein Beitrag zu Ökologie und Ökonomie, Studien zur Archäologie Europas 2 (Bonn 2006).
Seger 1926: H. Seger, Hirschgeweih-Äxte, Altschlesien 1 H. 3/4, 1926, 199-204.
Sidéra 1989: I. Sidéra, Un complément des données sur les sociétés rubanées - l’Industrie osseuse à Cuiry-lès-Chaudardes, BAR Intern. Ser. 520 (Oxford 1989).