Seite 1 von 4

Flintbeil schleifen

Verfasst: 11.02.2013 17:18
von ulfr
Andere zahlen viel Geld in der Muckibude, ich verarbeite zum Fitbleiben Geschenke. Ein lange aufgeschobenes Projekt hat mich in den letzten Wintertagen warm gehalten - Blattspitze hatte mir vor Jahren mal einen schönen Flintbeilrohling verehrt, den ich nun endlich geschliffen habe.

Laufende Bilder wie immer auf DuRöhre unter

http://www.youtube.com/watch?v=GSA42nDXEnw

Bei einem ersten Vorversuch mit einem anderen Blattspitzenbeil (hier mal ein Eindruck, oben ein Abguss vom Rohling, unten das fast fertig geschliffene Beil, auch ein dünnnackiges, aber schmaler + dünner) benötigte ich 9 Stunden, allerdings muss die eine Seite noch fertig geschliffen und die Schneide noch geschärft werden. Hier habe ich allerdings keine Daten genommen bis auf ganz grob die Arbeitszeit.
steinbeil3_6k.jpg
Bei diesem zweiten Versuch habe ich einige Daten aufgezeichnet, um zumindest Anhaltspunkte für eine Schätzung der Arbeitsleistung zu bekommen. Hier kurz ein paar Daten des neuen Beils, mehr auf der nächsten EXAR-Tagung:

Dünnnackiges Beil Typ III aus Falsterflint
Länge des fertigen Beils: 198,8 mm, größte Breite 72,6 mm, größte Dicke 31,4 mm
Schleifzeit 15 h + 0,5 Schärfen der Schneide
Gewicht vorher 854 g, nachher 753 g
Gewichtsreduktion 101 g, entspricht ca. 6,5 g pro Stunde
geschliffen ohne Zugabe von Schleifmitteln wie z.B. Sand auf dem sagenhaften trebronischen roten Pfälzer (Danke nochmal!!)
Die striae (Kratzspuren) auf der Oberfläche ähneln denen von Beilen aus meiner Sammlung, wobei die Auswahl hier nicht groß ist und das Scannen der Oberflächen nicht immer die gewünschten Informationen lieferte. Es ist also anzunehmen, dass der Sandstein den steinzeitlichen Originalen ähnlich ist.

Ich habe mich zwar bemüht, die ganze Schleifplatte voll auszunutzen, aber in der Werkstatt war das aufgrund der Enge nicht möglich, deshalb hat die Schleiferei eine ca 2 cm tiefe, 20 cm breite und 50 cm lange ovale Schleifrille hinterlassen.

Arbeitszeit: 2 - 3 Stunden pro Tag, dann aber fast ohne Pausen. Mehr ist bei einem alten Mann nich drin :33:
Nach Aussage meiner Schmerzen entsteht eine große Belastung des Rückens, der Schultern und vor allem der Hand- und Fingergelenke, die Arbeit ist ziemlich monoton und es lässt sich wenig Abwechslung in die Arbeitsabläufe bringen. Dabei erfordert das Schleifen jedoch höchste Konzentration - einmal über den Schleifplattenrand raus, Schneide irgendwo gegengedengelt, und es kommen ganz schnell 3-4 Stunden Extraarbeit dazu, oder im schlimmsten Fall (Beil fällt runter auf den Werkstattboden :2: ) ein reset ... :23:
Ich könnte mir trotzdem vorstellen, dass die SchleiferInnen in der Steinzeit bei der Arbeit gesungen haben, sonst hält man das kaum aus. Eins tröstet: während der Arbeit verwandelt sich dieser raue scharfkantige fingerzerschneidende Steinklotz in einen samtigen Handschmeichler ....

Hier ein paar vorher-nachher-Bilder:
Der Dateianhang steinbeil3_1k.jpg existiert nicht mehr.
steinbeil3_1k.jpg
steinbeil1k.jpg
steinbeil3_3k.jpg

Re: Flintbeil schleifen

Verfasst: 11.02.2013 17:29
von FlintMetz
Wiedermal GRANDIOS!!! Und die Dokumentation und der Film ist perfekt - einfach wunderbar!
Ist das eine Aktion-Cam, die die Schleifbewegungen so schön mitbewegt? Sehr eindrucksvoll...

Schöne Grüße...

Robert

Re: Flintbeil schleifen

Verfasst: 11.02.2013 17:36
von ulfr
Danke!
Ich werde im Sommer noch einen Film machen mit dem dicknackigen aus dem anderen Film, bei schönerem Wetter, geeigneteren Temperaturen und vor allem ansprechenderem Hintergrund. Dies war eigentlich nur eine Übung :|
Nein, keine action-cam (ich liebäugel mit einer, höre aber soviel widersprüchliches über die Qualität, dass ich noch etwas warte ...), sondern ich hab versucht, mit der linken Hand die übliche HD-cam mitzuführen - hat bisschen gebraucht, bis ich´s raushatte, wie dem geht, aber dann ...

Re: Flintbeil schleifen

Verfasst: 11.02.2013 18:04
von Markus
Wow,

sehr schön Wulf. Hab ja auch noch nen Flintbeilchen Von Herrn Blattspitze liegen, nur bin ich mir grad nicht sicher, ob ich jetzt noch motivierter oder doch mehr abgeschreckt bin, mich ans Schleifen zu machen...

Freu mich jedenfalls schon sehr das ganze in live begutachten zu können :-)

Herzliche Grüße in die Wetterau,

Markus

Re: Flintbeil schleifen

Verfasst: 11.02.2013 18:07
von Trebron
Super Dokumentation Wulf ! Ich bin richtig glücklich, dass der Schleifstein aus dem Pfälzerwald sooo gut ist

:mammut2:

Re: Flintbeil schleifen

Verfasst: 11.02.2013 21:48
von Blattspitze
Stammel ..... der Ritt auf des Beils Schneide ... von mir einen Oscar!

Ein Film in bester Museumsqualität, Du Oberprofi! Auch schöne Gitarren.
Und der Saigel kommt so schön raus ...

Ich bin ja unmusikalisch und singen is auch meine Sache nicht, aber der Schleifsound von 3:10 bis 3:20 ist doch grandios?

Und jetzt schäften? Nach dem Warnstorfer Schaft?

Re: Flintbeil schleifen

Verfasst: 12.02.2013 11:10
von ulfr
Ja, Warnstorf (bei Schwantes übrigens Warnsdorf ...?) käme infrage, aber ich habe einen so schönen Rohling für Sigerslev hier, ich glaube, der wird es werden.

Re: Flintbeil schleifen

Verfasst: 12.02.2013 12:03
von Blattspitze
Ein Sigerslev - Rohling aus dem Stamm-Wurzel - Übergang?
Bild
Quelle:http://natmus.dk/historisk-viden/danmar ... uligheder/

Bei der Sigerslev - Beauty hadere ich mit dem hier "rekonstruierten" Winkel von Klinge zu Schaft und der Gesamtlänge. Es gibt noch ein kleineres Exemplar aus Jütland (Name fällt mir jetzt nicht ein...?), das wiederum ähnlich wie die anderen Flintbeile deutlich angewinkelt eingesetzt ist.

Das Warnsdorfer Beil hat, glaube ich, keinen Schaftkopf aus dem Wurzelbereich?
(Herrjeh, Du hast recht, aber die Warnsdorfer haben den Schaft auch austrocknen lassen, dann müssen sie sich das gefallenlassen :18: )

Re: Flintbeil schleifen

Verfasst: 12.02.2013 13:04
von ulfr
Tröste Dich, S. Hartz schreibt auch "Warnstorf" (http://www.schriften.uni-kiel.de/Band%2 ... _63-81.pdf - komischerweise geht das pdf bei mir nicht auf und verschwindet nach einiger Zeit, nur die Schnellansicht funktioniert ...?)

Ja genau, Sigerslev, Schaft aus dem Übergang Wurzel-Stamm einer Esche, Krümmung etc. passt. Das dazugehörige Beil entspricht meinem ziemlich genau.

In: Nielsen, P.O. 2001: Oldtiden i Danmark - Bondestenalderen ist dieser Schaft auf S. 45 gezeichnet, Länge hier 525 mm, und der Winkel zwischen Klingenunterkante und Stielachse liegt bei exakt 90° (Du hast ne mail), ist das eher das was Du meinst? Oder sollte der Winkel zwischen Beil und Stiel noch kleiner sein ...?

Brøndsted "Nordische Vorzeit" bildet ihn auf S. 207 ab, Länge hier ca. 510 mm, Schäftungswinkel etwas kleiner als 90°.

Einen anderen Schaft gibt es von Borum Stormose (bei Aarhus), tidlig jættestuetid, Länge ca. 48 cm, Form ähnlich Sigerslev, aber nicht so stark gebogen am oberen Ende und Stiel unten ohne Rast, In "Flint fra Danmarks oldtid" S. 104 fig. C, meinst Du den? Dann gibts noch - nach Brøndsted - vier weitere von Svinningefurt, Ulkerup Lyng, Åmose und Magleby Long, allerdings sind hier die Beilklingen manchmal aus Grünstein und Gneis.

Re: Flintbeil schleifen

Verfasst: 12.02.2013 13:21
von Manu
Ein sehr schöner Film, für mich höchst interessant.

Du sagst, dass du kein zusätzliches Schleifmittel verwendet hast. Damit meinst du keinen Sand? Der Sandstein aus der :D hat ausgereicht. Wenn der Sandstein nicht so gut gewesen wäre, hättest du zusätzlich Sand verwendet oder ist das eher nicht so gut?

lg Manu

Re: Flintbeil schleifen

Verfasst: 12.02.2013 13:54
von ulfr
Genau, Manu, kein Sand. Nach Meinung vieler Schleifer wirkt er kontraproduktiv, denn man muss zusätzlich zur Beiloberfäche und dem Schleifstein auch noch den Sand zerkleinern, was einen erhöhten Kraft- und Arbeitsaufwand bedeutet. Außerdem wirken die Sandkörner, bis sie zerkleinert sind, wie kleine Kugellager, auf dem der Rohling über den Schleifstein gleitet.
Allerdings meint ein Kollege, dass Sand den Abrieb erhöhen würde:

"Auf die Idee mit dem Sand kam ich nach Beobachtung von einem Originalfund mit tiefen
Schleifriefen; nur Sandstein ergibt eine gleichmäßig ebene Oberfläche von der bald nur noch mit
viel Kraft Abrieb erfolgt. Der zugebene Sand zerbricht beim Schleifen scharfkantig und gräbt sich durch den
Anpressdruck regelrecht in die Flintoberfläche ein. Das beschleunigt den Vorgang ordentlich."


Kann ich nicht nachvollziehen, denn mein Sandstein ist so hart, dass er zwar eben wird, aber immer noch seine Abrasionsfähigkeit behält. Die tiefen Schleifriefen zeigen sich auch an meinem Beil. Funktioniert vielleicht in Verbindung mit weicherem Sandstein, wenn sich der Sand darin festsetzen kann ... wir werden das evtl. in Haderslev klären können.

Re: Flintbeil schleifen

Verfasst: 12.02.2013 14:20
von Manu
Danke ulfr, würde mich auch interessieren.

Meine Erfahrung geht auch eher in die Richtung keinen Sand dazuzunehmen, wenn guter Sandstein vorhanden ist. Bei uns wird auch immer wieder darüber diskutiert. Den feinen Abrieb hast du ja auf dem Sandstein im Wasser gebunden auch, wie man das schön in deinem Film sieht.

Wenn ich mit Sand schleife entstehen sehr schnell keine Riefen im Sandstein und an ein gleichmäßiges Abschleifen ist dann nicht mehr zu denken.

Bei den Perlen sind die Riefen bis zu einer gewissen Tiefe in Ordung, da sie dann nicht so schnell aus den Fingerspitzen gleiten. Trotzdem, wenn sie zu tief werden leiden meine Fingersitzen :30:
Bei einem Beil sind Riefen sehr hinderlich, insgesamt finde ich, dass der Kraftaufwand größer wird.

Da aber viele meiner Mitmenschen meinen es muß mit Sand geschliffen werden, war dein Film ein echter Schmaus für mich. DANKE

Re: Flintbeil schleifen

Verfasst: 12.02.2013 16:26
von TZH
Oh man, das könnte bei uns niemand bezahlen :D

Alles ist toll!

Re: Flintbeil schleifen

Verfasst: 12.02.2013 18:10
von ulfr
Das kann hier auch keiner, TZH, das war nur für mich allein bzw. für die Wissenschaft
.... :venus:

Re: Flintbeil schleifen

Verfasst: 12.02.2013 18:22
von LS
Hallo Ulfr,
Klasse empirisches Experiment... Ich kann mir vorstellen, dass solche Schleifwannen gar nicht so selten sind, da müsste man mal Depots von Landesämtern danach durchforsten. Neben der TBK haben ja auch die Kugelamphorenleute gerne überschliffene Flintbeile gehabt. Ich kenn einige Schleifwannen aus Mitteldeutschland und von denen ist sicher materialtechnisch einiges ableitbar, ob selbstsandende Steine verwendet wurden etc.

Grüße L