Für mehr Kooperation zwischen Profis und Laien?
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Für mehr Kooperation zwischen Profis und Laien?
Während Archäologen vor der Zunahme von Raubgrabungen warnen, unternehmen britische Altertumsforscher einen Vorstoß in entgegengesetzter Richtung: Für mehr Kooperation zwischen Profis und Laien.
http://www.welt.de/geschichte/article11 ... -Hand.html
http://www.welt.de/geschichte/article11 ... -Hand.html
"Was an der Unverschämtheit des Heute
gegenüber der Vergangenheit tröstet, ist die
vorhersehbare Unverschämtheit der Zukunft
gegenüber dem Heute." Nicolás Gómez Dávila
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gegenüber dem Heute." Nicolás Gómez Dávila
Re: Für mehr Kooperation zwischen Profis und Laien?
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
Hubertus Meyer-Burckhardt
oeis
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Re: Für mehr Kooperation zwischen Profis und Laien?
Gegenfrage: Wieviel Prozent der Sondengänger in Deutschland melden ihre Funde (Oberflächenfunde, keine Raubgrabungsfunde!) denn an die archäologischen Ämter und geben sie freiwillig ab? Das sind m. E. Ausnahmen. Ich frage das nicht provokant, eher interessiert. Könnte ja sein, dass es da aufgeschlossenere Regionen gibt, von denen ich noch nie gehört habe.
Grüße, L.
Grüße, L.
Re: Für mehr Kooperation zwischen Profis und Laien?
Es gab in Bayern auch das Modellprojekt 'Archäologie und Ehrenamt', wurde aber nicht fortgesetzt. :/
http://www.blfd.bayern.de/denkmalerfass ... /ehrenamt/
http://www.blfd.bayern.de/denkmalerfass ... /ehrenamt/
"Es wäre besser, die Regierung setzte das Volk ab und wählte sich ein Neues."
Bertolt Brecht
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Re: Für mehr Kooperation zwischen Profis und Laien?
Ich glaube, dass eine echte Kooperation aus Sicht der meisten Profis letztlich schwer vorstellbar ist, wie es ja auch aus Leif`s Post hervorgeht.
So wie es keine Hobbychirurgen geben kann, dürfte es auch keine Hobbyarchäologen geben?
Laien können geschult werden, Fundgebiete und Baustellen überwachen, Befunde und Funde melden und Funde abgeben. Sogar Sondengänger werden versuchsweise eingebunden. Sie können qualifizierte Führungen machen und im regionalen Umfeld das Bewusstsein für Archäologie wecken und am Leben erhalten. An Profi - Grabungen als Helfer teilnehmen. Aber bereits eigenständig und -verantwortlich "Notbergungen" (Habe ich immer mit Funde sammeln ohne Dokumentation übersetzt?) durchführen, - vor Jahrzehnten noch durchaus üblich, werden doch heute seitens der Profis nicht mehr erlaubt, oder?
Zuarbeiten ja, aber nicht mehr. Das Sammeln und Nichtabgebenwollen von Funden disqualifiziert bereits Laien aus Sicht der Profis. Der klassische Interessenskonflikt: "Melden oder Behalten" kann vielleicht nur über Apell an die Eitelkeit der Sammler gelöst werden: Wer besondere Funde meldet und abgibt muss in Zeitung, Museum etc. "groß" rauskommen, am Besten mit Name und Bild neben dem Fund im Museum.
Wenn aufgrund Bankenrettungsmaßnahmen und weiterhin steigender Sozialausgaben die Gelddruckmaschine irgendwann nicht mehr nachkommt, könnte ja das rotgrüne NRW - Beispiel bundesweit Schule machen. Dann werden Mittel und Stellen immer weiter zurückgefahren und das Fach wird zwangsweise "entprofessionalisiert".
So wie es keine Hobbychirurgen geben kann, dürfte es auch keine Hobbyarchäologen geben?
Laien können geschult werden, Fundgebiete und Baustellen überwachen, Befunde und Funde melden und Funde abgeben. Sogar Sondengänger werden versuchsweise eingebunden. Sie können qualifizierte Führungen machen und im regionalen Umfeld das Bewusstsein für Archäologie wecken und am Leben erhalten. An Profi - Grabungen als Helfer teilnehmen. Aber bereits eigenständig und -verantwortlich "Notbergungen" (Habe ich immer mit Funde sammeln ohne Dokumentation übersetzt?) durchführen, - vor Jahrzehnten noch durchaus üblich, werden doch heute seitens der Profis nicht mehr erlaubt, oder?
Zuarbeiten ja, aber nicht mehr. Das Sammeln und Nichtabgebenwollen von Funden disqualifiziert bereits Laien aus Sicht der Profis. Der klassische Interessenskonflikt: "Melden oder Behalten" kann vielleicht nur über Apell an die Eitelkeit der Sammler gelöst werden: Wer besondere Funde meldet und abgibt muss in Zeitung, Museum etc. "groß" rauskommen, am Besten mit Name und Bild neben dem Fund im Museum.
Wenn aufgrund Bankenrettungsmaßnahmen und weiterhin steigender Sozialausgaben die Gelddruckmaschine irgendwann nicht mehr nachkommt, könnte ja das rotgrüne NRW - Beispiel bundesweit Schule machen. Dann werden Mittel und Stellen immer weiter zurückgefahren und das Fach wird zwangsweise "entprofessionalisiert".
"Was an der Unverschämtheit des Heute
gegenüber der Vergangenheit tröstet, ist die
vorhersehbare Unverschämtheit der Zukunft
gegenüber dem Heute." Nicolás Gómez Dávila
gegenüber der Vergangenheit tröstet, ist die
vorhersehbare Unverschämtheit der Zukunft
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Re: Für mehr Kooperation zwischen Profis und Laien?
Naja. Der Vergleich mit dem Hobbychirurgen ist schon böse. Wobei ich mir gut vorstellen könnte, dass man die Archäologie mit einem satten NC versieht, den Bachelor-Abschluss allenfalls mit "Grabungshelfer" gleichsetzt und nach dem Master, wie der Arzt auch, dann noch die Facharzt, äh, Facharchäologenausbildung draufsetzt. Dann vielleicht.....
Der Archäologie ingesamt wird das nix nützen. Das Problem, wie in der Medizin auch, sind nicht die Gehirnchirurgen in der Charite, sondern die Landärzte in Meck-Pomm und in Unterfranken. Durch weitere vermeintliche Professionalisierung und Bürokratisierung wird das nicht besser. Wer zudem die Fesseln der bürokratisierten Elitearchäologen kennt, dem wird eh schlecht und ihm graut vor der Zukunft.
Das Notbergungen von Laien immer schlampig gemacht werden, ist ein Gerücht. Und die Publikationsdauer hinterher ist nicht schlechter als die der Landesämter oder Unis. Mancher emiritierter Professor, der sich der Publikation widmen wollte, hat schon seine Geheimnisse mit ins Grab genommen. Anderenorts wäre so ein Publikationswesen als Abschluss eines Auftrag zu sehen und wäre Anlass schöner und sehr erfolgreicher arbeitsrechtlicher Maßnahmen, nähme man universitäre Verhaltensweisen als Vergleich.
Nun bringt aber ein gegenseitiges Herunterputzen nix. Trottel gegen bürokratengeschulte Beamte - hilft nix. Eine Zukunft brächte wirklich nur die gegenseitige Akzeptanz bei gegenseitiger klarer Auftragslage und klaren Anforderungen. Sondeln nur mit absolut beschränktem Auftrag und klarer Doku hinterher. Fundunterschlagung als Unterschlagen ahnden, wie halt in der üblichen freien Welt halt auch. Und vor Ort: Vereine gründen, schulen, Qualifikationen dokumentieren. Dann gehts.
H.
Der Archäologie ingesamt wird das nix nützen. Das Problem, wie in der Medizin auch, sind nicht die Gehirnchirurgen in der Charite, sondern die Landärzte in Meck-Pomm und in Unterfranken. Durch weitere vermeintliche Professionalisierung und Bürokratisierung wird das nicht besser. Wer zudem die Fesseln der bürokratisierten Elitearchäologen kennt, dem wird eh schlecht und ihm graut vor der Zukunft.
Das Notbergungen von Laien immer schlampig gemacht werden, ist ein Gerücht. Und die Publikationsdauer hinterher ist nicht schlechter als die der Landesämter oder Unis. Mancher emiritierter Professor, der sich der Publikation widmen wollte, hat schon seine Geheimnisse mit ins Grab genommen. Anderenorts wäre so ein Publikationswesen als Abschluss eines Auftrag zu sehen und wäre Anlass schöner und sehr erfolgreicher arbeitsrechtlicher Maßnahmen, nähme man universitäre Verhaltensweisen als Vergleich.
Nun bringt aber ein gegenseitiges Herunterputzen nix. Trottel gegen bürokratengeschulte Beamte - hilft nix. Eine Zukunft brächte wirklich nur die gegenseitige Akzeptanz bei gegenseitiger klarer Auftragslage und klaren Anforderungen. Sondeln nur mit absolut beschränktem Auftrag und klarer Doku hinterher. Fundunterschlagung als Unterschlagen ahnden, wie halt in der üblichen freien Welt halt auch. Und vor Ort: Vereine gründen, schulen, Qualifikationen dokumentieren. Dann gehts.
H.
"Des is wia bei jeda Wissenschaft, am Schluß stellt sich dann heraus, daß alles ganz anders war."
Re: Für mehr Kooperation zwischen Profis und Laien?
Schön geschrieben, Hans, ich stimme voll zu. Und andersherum gesehen, bewegt sich die Archäologie nicht in diese Richtung, schießt sie sich IMHO selber in den Fuß was ihre gesellschaftliche Akzeptanz und Zukunft im allgemeinen angeht.
Viele Grüße,
Martin
Martin
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Re: Für mehr Kooperation zwischen Profis und Laien?
Sehr schöner Beitrag Hans! Du sprichst viele Probleme an, wovon die Publikationsträgheit (wenn überhaupt eine Publikation zustande kommt) sicherlich der größte und meist berechtigte Vorwurf ist, der sich die Archäologie gefallen lassen muss. Und dann müssen nicht nur wissenschaftliche Berichte dabei heraus kommen, sondern auch allgemein verständliche Beitrage für die unmittelbar Betroffene vor Ort.
Über die ‚Professionalisierung’ der Archäologie und die unerwünschte Nebeneffekte in Österreich gibt es schöne Aufsätze von Raimund Karl „Zu unerwünschten Nebenwirkungen guter Absichten„ http://archaeologieforum.at/index.php/b ... imitstart= und „Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Archäologische Denkmalpflege und die ungeliebte Öffentlichkeit in Österreich“ http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/ojs/ ... view/10037 (Zum letzteren auch noch kurz Werbung in eigener Sache: Die Archäologischen Informationen werden ab jetzt in Open Access erscheinen, an der Nachdigitalisierung der bislang erschienenen Bänder wird gearbeitet. Auch ein Projekt, um die Archäologie für die Öffentlichkeit besser zugängig zu machen.)
Ein großes Problem in der Zusammenarbeit zwischen Profis und ‚Laien’ ist immer das Verhältnis zu den Funden. Für viele Sucher und Hobbyarchäologen ist der Fund noch immer die Krönung, was in der ‚echten’ Archäologie viel weniger der Fall ist. Oberflächenfunde habe sicherlich ihr Wert in der Forschung, aber ohne Kontext bleibt die Aussage begrenzt. Und das ist genau das Problem mit Sondengänger, die sehr häufig die Metallfunde bergen ohne Rücksicht auf Verlusten, wobei ich gerne mal wieder das Beispiel der Himmelsscheibe bemühen möchte und die noch immer bestehenden Zweifel am Fundzusammenhang der Objekte.
Daran kann auch ein Projekt wie das ‚Portable Antiquities Scheme’ wenig ändern, wobei auch nicht vergessen werden darf, dass dafür über 40 neue Stellen in England als ‚Finds liaison officer’ usw. geschaffen wurden. Schön wäre es jedoch sicher, wenn so etwas in Deutschland zustande käme. Bei der restlosen Belastung der Amtsarchäologen bleibt für solche Publikumskontakte viel zu wenig Raum. Jedoch muss ich als Amtsarchäologe auch feststellen, dass bei vielen Stücken die bei den Ämtern ankommen der archäologische Status (Knochen, auffällig geformte Steine) sehr fragwürdig ist. Und wenn man das sagt, und auch begründet, die Leuten meistens zu tiefst enttäuscht sind und häufig der Meinung, dass die Archäologen sowieso keine Ahnung haben. Die Akzeptanz muss tatsächlich von beiden Seiten kommen.
Über die ‚Professionalisierung’ der Archäologie und die unerwünschte Nebeneffekte in Österreich gibt es schöne Aufsätze von Raimund Karl „Zu unerwünschten Nebenwirkungen guter Absichten„ http://archaeologieforum.at/index.php/b ... imitstart= und „Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Archäologische Denkmalpflege und die ungeliebte Öffentlichkeit in Österreich“ http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/ojs/ ... view/10037 (Zum letzteren auch noch kurz Werbung in eigener Sache: Die Archäologischen Informationen werden ab jetzt in Open Access erscheinen, an der Nachdigitalisierung der bislang erschienenen Bänder wird gearbeitet. Auch ein Projekt, um die Archäologie für die Öffentlichkeit besser zugängig zu machen.)
Ein großes Problem in der Zusammenarbeit zwischen Profis und ‚Laien’ ist immer das Verhältnis zu den Funden. Für viele Sucher und Hobbyarchäologen ist der Fund noch immer die Krönung, was in der ‚echten’ Archäologie viel weniger der Fall ist. Oberflächenfunde habe sicherlich ihr Wert in der Forschung, aber ohne Kontext bleibt die Aussage begrenzt. Und das ist genau das Problem mit Sondengänger, die sehr häufig die Metallfunde bergen ohne Rücksicht auf Verlusten, wobei ich gerne mal wieder das Beispiel der Himmelsscheibe bemühen möchte und die noch immer bestehenden Zweifel am Fundzusammenhang der Objekte.
Daran kann auch ein Projekt wie das ‚Portable Antiquities Scheme’ wenig ändern, wobei auch nicht vergessen werden darf, dass dafür über 40 neue Stellen in England als ‚Finds liaison officer’ usw. geschaffen wurden. Schön wäre es jedoch sicher, wenn so etwas in Deutschland zustande käme. Bei der restlosen Belastung der Amtsarchäologen bleibt für solche Publikumskontakte viel zu wenig Raum. Jedoch muss ich als Amtsarchäologe auch feststellen, dass bei vielen Stücken die bei den Ämtern ankommen der archäologische Status (Knochen, auffällig geformte Steine) sehr fragwürdig ist. Und wenn man das sagt, und auch begründet, die Leuten meistens zu tiefst enttäuscht sind und häufig der Meinung, dass die Archäologen sowieso keine Ahnung haben. Die Akzeptanz muss tatsächlich von beiden Seiten kommen.
Je größer der Dachschaden, desto schöner der Aufblick zum Himmel.
Karlheinz Deschner
Karlheinz Deschner
Re: Für mehr Kooperation zwischen Profis und Laien?
Völlig richtig. Wobei ich mich etwas leicht tue, da ich a) völliger Laie im klassischen Sinne bin, b)gleichwohl eine akademische Ausbildung habe und c) in einem Museum aktiv bin, dass komplett ehrenamtlich gefahren wird, aber aus einen professionellen Mix aus Physikern, Chemikern, Archäologen, sonstigen Akademikern und selbstverständlich auch "normalen" Leuten besteht. Im Prinzip haben wir für jedes "Gewerk" einen 100%-Fachmann, inkl. Restaurierung. Wir haben dadurch auch den Vorteil, immer "fachübergreifend" arbeiten zu können, wir haben praktisch alles vor Ort, auch einen Layouter und Drucker. Die einzige Profession, die immer nur sehr ungern "benutzt" wird, sind die professionellen Öffentlichkeitsarbeiter und Journalisten - die verändern ja Texte!
Also rede ich mich leicht.
Ich greife nochmal den Ärzte- Vergleich auf. Ich bin nämlich auch Hobby-Arzt
Stellt euch mal eine medizinische Welt vor, die nur aus Fachärzten für Chirurgie bestünde. Furchtbar, nicht war? Wer erstellt denn die Diagnosen? Wer erarbeitet Heilungspläne auch ohne Messer? Wer füttert die Patienten? Wer liefert sie an? Wer reicht das Messer?
Ich selber bin auch Rettungsassistent, noch aus meiner Bundeswehr-Vermeidungsstrategie heraus. Ergebnis waren fast 20 Jahre als medizinischer Laie (im klassischen Wortsinne) im Rettungsdienst. Daraus ziehe ich zwei Vergleiche:
- Nur als System im Qualifikationsmix funktioniert es.
- Elitäre Ansätze sind tödlich (in dem einen Fall tatsächlich, im anderen Fall auf Dauer gesehen)
- Ehrenamtlich tätige Menschen sind schwierig. Immer. Sie verweigern sich gerne der elitären Hierarchie.
- Ehrenamt braucht eine geregelte Qualifikation, um aus gut gemeint ein gut gemacht werden zu lassen.
Fazit: Amts- und Uniarchäologen, bewegt euch und kümmert euch um den letzten Punkt. Wir im Museum machen das und haben deshalb auch unsere eigenen Platzhirschen und Sammler unter Kontrolle.
Also rede ich mich leicht.
Ich greife nochmal den Ärzte- Vergleich auf. Ich bin nämlich auch Hobby-Arzt
Stellt euch mal eine medizinische Welt vor, die nur aus Fachärzten für Chirurgie bestünde. Furchtbar, nicht war? Wer erstellt denn die Diagnosen? Wer erarbeitet Heilungspläne auch ohne Messer? Wer füttert die Patienten? Wer liefert sie an? Wer reicht das Messer?
Ich selber bin auch Rettungsassistent, noch aus meiner Bundeswehr-Vermeidungsstrategie heraus. Ergebnis waren fast 20 Jahre als medizinischer Laie (im klassischen Wortsinne) im Rettungsdienst. Daraus ziehe ich zwei Vergleiche:
- Nur als System im Qualifikationsmix funktioniert es.
- Elitäre Ansätze sind tödlich (in dem einen Fall tatsächlich, im anderen Fall auf Dauer gesehen)
- Ehrenamtlich tätige Menschen sind schwierig. Immer. Sie verweigern sich gerne der elitären Hierarchie.
- Ehrenamt braucht eine geregelte Qualifikation, um aus gut gemeint ein gut gemacht werden zu lassen.
Fazit: Amts- und Uniarchäologen, bewegt euch und kümmert euch um den letzten Punkt. Wir im Museum machen das und haben deshalb auch unsere eigenen Platzhirschen und Sammler unter Kontrolle.
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Re: Für mehr Kooperation zwischen Profis und Laien?
Servus Hans,
ich greife mal Deinen letzten Satz auf: In Bayern gibt es gerade mal zwei beim Landesamt angesiedelte Planstellen zur Betreuung der Ehrenamtlichen und aller ehrenamtlichen Projekte (Schulen, Vereine etc.). Das ist in einem Land mit 70.000 Quadratkilometern Fläche natürlich viel zu wenig, zumal andere potenziell Zuständige in den staatlichen Museen oft durch "Introvertiertheit" glänzen.
Ich kann Euch Ehrenamtliche nur immer wieder ermuntern, das Problem anzusprechen, und zwar gegenüber denjenigen, die Einfluss auf die Stellenpolitik haben. Zumindest sollte die zentrale Erfassung aller gemeldeten Sammelfunde bzw. der Funde "meldewilliger Sammler" geregelt sein und das ist momentan in Bayern nicht der Fall.
Grüße, L.
ich greife mal Deinen letzten Satz auf: In Bayern gibt es gerade mal zwei beim Landesamt angesiedelte Planstellen zur Betreuung der Ehrenamtlichen und aller ehrenamtlichen Projekte (Schulen, Vereine etc.). Das ist in einem Land mit 70.000 Quadratkilometern Fläche natürlich viel zu wenig, zumal andere potenziell Zuständige in den staatlichen Museen oft durch "Introvertiertheit" glänzen.
Ich kann Euch Ehrenamtliche nur immer wieder ermuntern, das Problem anzusprechen, und zwar gegenüber denjenigen, die Einfluss auf die Stellenpolitik haben. Zumindest sollte die zentrale Erfassung aller gemeldeten Sammelfunde bzw. der Funde "meldewilliger Sammler" geregelt sein und das ist momentan in Bayern nicht der Fall.
Grüße, L.
Re: Für mehr Kooperation zwischen Profis und Laien?
Das machen wir doch, Leif. Du erinnerst dich an die Standortfrage Nürnberg des Landesamts?
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Re: Für mehr Kooperation zwischen Profis und Laien?
Ihr habt wahrscheinlich mit Euren optimistischen Voraussagen für die Zukunft recht.
Die könnten, andere sollten und man müsste ... hmm?
Hans` Unterteilung der interessierten Laien in einerseits geschulte Ehrenamtliche und andererseits in Sammler ist nicht von der Hand zu weisen. Kooperation geht dann sehr gut mit den Ehrenamtlichen, die sich selbst dann aber auch zu Recht als Semi-Profis wahrnehmen dürfen und die Sammler hat man, wie Du schreibst, "unter Kontrolle". Das Zahlenverhältnis zwischen beiden Gruppen scheint aber sehr unausgewogen. Es gibt ja sogar einige positiv-Beispiele von Laien, die schließlich ins Profi-Lager überwechseln konnten.
Hans, nebenbei, Du solltest mit dem öffentlichen Beschreiben der offensichtlich idealen Zustände in Eurem ehrenamtlich betriebenen Museum lieber vorsichtig sein, das wird sonst noch als Argument beim Streichen von Vollzeitstellen in anderen Museen benutzt ("Da geht`s doch auch ohne Personalkosten").
Die könnten, andere sollten und man müsste ... hmm?
Hans` Unterteilung der interessierten Laien in einerseits geschulte Ehrenamtliche und andererseits in Sammler ist nicht von der Hand zu weisen. Kooperation geht dann sehr gut mit den Ehrenamtlichen, die sich selbst dann aber auch zu Recht als Semi-Profis wahrnehmen dürfen und die Sammler hat man, wie Du schreibst, "unter Kontrolle". Das Zahlenverhältnis zwischen beiden Gruppen scheint aber sehr unausgewogen. Es gibt ja sogar einige positiv-Beispiele von Laien, die schließlich ins Profi-Lager überwechseln konnten.
Hans, nebenbei, Du solltest mit dem öffentlichen Beschreiben der offensichtlich idealen Zustände in Eurem ehrenamtlich betriebenen Museum lieber vorsichtig sein, das wird sonst noch als Argument beim Streichen von Vollzeitstellen in anderen Museen benutzt ("Da geht`s doch auch ohne Personalkosten").
"Was an der Unverschämtheit des Heute
gegenüber der Vergangenheit tröstet, ist die
vorhersehbare Unverschämtheit der Zukunft
gegenüber dem Heute." Nicolás Gómez Dávila
gegenüber der Vergangenheit tröstet, ist die
vorhersehbare Unverschämtheit der Zukunft
gegenüber dem Heute." Nicolás Gómez Dávila
Re: Für mehr Kooperation zwischen Profis und Laien?
Hallo allerseits,
in der neuesten Ausgabe der "Archäologischen Informationen" (14.10.2013) stieß ich auf einen interessanten Artikel von Christoph Huth (Freiburg): http://www.dguf.de/fileadmin/AI/ArchInf-EV_Huth.pdf
Der Artikel des Universitätsarchäologen C.H. sieht die aktuelle Situation in Deutschland so, dass die Haltung der archäologischen Landesämter gegenüber der Sondengängerei von "Unnachgiebigkeit" und "Verbot" dominiert sei, was einer Zusammenarbeit im Wege stehe. Wir hatten in der Diskussion der letzten Monate schon den Hinweis auf einen guten Beitrag von Raimund Karl zur ähnlichen Situation in Österreich (AI Band 35), dennoch mal ein paar Anmerkungen, die dem entgegenzuhalten sind. Raimund Karl beklagt ja auch zu recht, dass das Österreichische Denkmalschutzgesetz „nicht exekutierbar“ sei. Das ist aber keine Kleinigkeit, sondern natürlich für einen Teil der Szene, sprich: kriminelle Sondengänger/Raubgräber der Dreh- und Angelpunkt, weshalb sie locker auf eine Kooperation mit den Ämtern pfeifen!
Es ist – wie Huth schreibt - richtig, dass die Denkmalschutzgesetze der deutschen Länder das Ausgraben ohne Genehmigung verbieten und die Ämter bis auf Ausnahmen nicht mit Sondengängern zusammenarbeiten. Leider erweisen sich die von ihm verwendeten Begriffe "Unnachgiebigkeit", "Verbot" und "restriktive Haltung" jedoch als zahnloser Papiertiger, denn bis auf eine Handvoll Einzelfälle (Himmelsscheibe etc.) gibt es in Deutschland keinerlei Strafverfolgung von Sondengängern/Raubgräbern. Es gibt also keine juristischen Präzedenzfälle, die unterhalb der ganz hoch gehängten Fälle verfügbar wären und archäologisches Kulturgut allgemein strafrechtlich relevant machen. Selbst das Durchsetzen von Ordnungsstrafen beim Nachgraben und In-flagranti-Erwischtwerden ist ein mühevoller Behördenweg. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich eine nennenswerte Zahl von Raubgräbern jemals von der Möglichkeit einer Ordnungsstrafe hat abschrecken lassen.
Aus Sicht der Archäologie sollte also eher die Frage gestellt werden, wie die Ämter in Zukunft ihre Interessen bei der Strafverfolgung durchsetzen können, um die Sondengängerei/Raubgräberei einzudämmen. Es ist mir ein Rätsel, warum Kollegen meinen, Sondengänger seien überwiegend kooperativ gegenüber den hauptamtlichen Archäologen und der englische Weg sei deswegen eine Erfolgsgeschichte. Und selbst wenn es kooperative Sondengänger gibt, dann wäre eine Legalisierung ein Persilschein für die schwarzen Schafe, denen dann gar nicht mehr "in flagranti" beizukommen ist, denn sie führen ja die Fundbergung nur durch, um die Funde ehrenwerterweise beim Amt abzugeben (behaupten sie)…
Das englische "Portable Antiquity Scheme" zeigt letztlich nur, dass dort im letzten Jahrzehnt riesige Mengen von Metallfunden undokumentiert ausgebuddelt wurden. Ich bin nicht so naiv zu behaupten, alle Funde wären sonst sachgerecht archäologisch geborgen worden. Aber 10% sachgerecht geborgen sind immer noch besser als 100% ohne Befundzusammenhang. Außerdem: Wer kann prüfen, ob das wirklich alles nur flache Löcher im Acker oder Waldhumus gewesen sind? Die Engländer werden es in einigen Jahrzehnten sicher bereuen, wenn die Naturwissenschaften ganz andere Fragestellungen ermöglichen und dann kaum noch was im Boden ist.
Fazit: Es ist sicher gut, dass die Diskussion über das englische PAS mal in einer deutschen Zeitschrift angestoßen wurde, da dieses dort seit 10 Jahren als großer Feldversuch läuft. Das Credo des Artikels diskutiert allerdings völlig an der Realität in Deutschland vorbei, denn hier geht es erstmal um die Frage, warum Raubgräberei de facto als Kavaliersdelikt durchgeht und Sondengängerei gar kein Delikt ist. Ein Blick nach Skandinavien (statt nach Schottland und Österreich) hätte gezeigt, dass es möglich ist hohe Strafen für Sondengänger zu erlassen.
Gruß L.
in der neuesten Ausgabe der "Archäologischen Informationen" (14.10.2013) stieß ich auf einen interessanten Artikel von Christoph Huth (Freiburg): http://www.dguf.de/fileadmin/AI/ArchInf-EV_Huth.pdf
Der Artikel des Universitätsarchäologen C.H. sieht die aktuelle Situation in Deutschland so, dass die Haltung der archäologischen Landesämter gegenüber der Sondengängerei von "Unnachgiebigkeit" und "Verbot" dominiert sei, was einer Zusammenarbeit im Wege stehe. Wir hatten in der Diskussion der letzten Monate schon den Hinweis auf einen guten Beitrag von Raimund Karl zur ähnlichen Situation in Österreich (AI Band 35), dennoch mal ein paar Anmerkungen, die dem entgegenzuhalten sind. Raimund Karl beklagt ja auch zu recht, dass das Österreichische Denkmalschutzgesetz „nicht exekutierbar“ sei. Das ist aber keine Kleinigkeit, sondern natürlich für einen Teil der Szene, sprich: kriminelle Sondengänger/Raubgräber der Dreh- und Angelpunkt, weshalb sie locker auf eine Kooperation mit den Ämtern pfeifen!
Es ist – wie Huth schreibt - richtig, dass die Denkmalschutzgesetze der deutschen Länder das Ausgraben ohne Genehmigung verbieten und die Ämter bis auf Ausnahmen nicht mit Sondengängern zusammenarbeiten. Leider erweisen sich die von ihm verwendeten Begriffe "Unnachgiebigkeit", "Verbot" und "restriktive Haltung" jedoch als zahnloser Papiertiger, denn bis auf eine Handvoll Einzelfälle (Himmelsscheibe etc.) gibt es in Deutschland keinerlei Strafverfolgung von Sondengängern/Raubgräbern. Es gibt also keine juristischen Präzedenzfälle, die unterhalb der ganz hoch gehängten Fälle verfügbar wären und archäologisches Kulturgut allgemein strafrechtlich relevant machen. Selbst das Durchsetzen von Ordnungsstrafen beim Nachgraben und In-flagranti-Erwischtwerden ist ein mühevoller Behördenweg. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich eine nennenswerte Zahl von Raubgräbern jemals von der Möglichkeit einer Ordnungsstrafe hat abschrecken lassen.
Aus Sicht der Archäologie sollte also eher die Frage gestellt werden, wie die Ämter in Zukunft ihre Interessen bei der Strafverfolgung durchsetzen können, um die Sondengängerei/Raubgräberei einzudämmen. Es ist mir ein Rätsel, warum Kollegen meinen, Sondengänger seien überwiegend kooperativ gegenüber den hauptamtlichen Archäologen und der englische Weg sei deswegen eine Erfolgsgeschichte. Und selbst wenn es kooperative Sondengänger gibt, dann wäre eine Legalisierung ein Persilschein für die schwarzen Schafe, denen dann gar nicht mehr "in flagranti" beizukommen ist, denn sie führen ja die Fundbergung nur durch, um die Funde ehrenwerterweise beim Amt abzugeben (behaupten sie)…
Das englische "Portable Antiquity Scheme" zeigt letztlich nur, dass dort im letzten Jahrzehnt riesige Mengen von Metallfunden undokumentiert ausgebuddelt wurden. Ich bin nicht so naiv zu behaupten, alle Funde wären sonst sachgerecht archäologisch geborgen worden. Aber 10% sachgerecht geborgen sind immer noch besser als 100% ohne Befundzusammenhang. Außerdem: Wer kann prüfen, ob das wirklich alles nur flache Löcher im Acker oder Waldhumus gewesen sind? Die Engländer werden es in einigen Jahrzehnten sicher bereuen, wenn die Naturwissenschaften ganz andere Fragestellungen ermöglichen und dann kaum noch was im Boden ist.
Fazit: Es ist sicher gut, dass die Diskussion über das englische PAS mal in einer deutschen Zeitschrift angestoßen wurde, da dieses dort seit 10 Jahren als großer Feldversuch läuft. Das Credo des Artikels diskutiert allerdings völlig an der Realität in Deutschland vorbei, denn hier geht es erstmal um die Frage, warum Raubgräberei de facto als Kavaliersdelikt durchgeht und Sondengängerei gar kein Delikt ist. Ein Blick nach Skandinavien (statt nach Schottland und Österreich) hätte gezeigt, dass es möglich ist hohe Strafen für Sondengänger zu erlassen.
Gruß L.
Re: Für mehr Kooperation zwischen Profis und Laien?
Bingo. So ist es.
H.
H.
"Des is wia bei jeda Wissenschaft, am Schluß stellt sich dann heraus, daß alles ganz anders war."
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- Registriert: 16.08.2009 16:17
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Re: Für mehr Kooperation zwischen Profis und Laien?
Es freut mich natürlich außerordentlich, dass der Artikel in 'Early View' und Open Access in der AI so schnell und fundiert aufgegriffen wird. Das zeigt, dass diese Art von Publikation durchaus wahrgenommen wird.
Der Beitrag von Christoph Huth ist im sogennanten 'Forum' der Archäologischen Informationen erschienen, was der Diskussion dient und für Reaktionen offen steht, auch für Nicht-DGUF-Mitglieder (http://www.dguf.de/index.php?id=322, punkt Forum). Also gerne eine Gegenposition formulieren und bei der Schriftleitung einreichen.
Der Beitrag von Christoph Huth ist im sogennanten 'Forum' der Archäologischen Informationen erschienen, was der Diskussion dient und für Reaktionen offen steht, auch für Nicht-DGUF-Mitglieder (http://www.dguf.de/index.php?id=322, punkt Forum). Also gerne eine Gegenposition formulieren und bei der Schriftleitung einreichen.
Je größer der Dachschaden, desto schöner der Aufblick zum Himmel.
Karlheinz Deschner
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