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Augenfällige Funde
Verfasst: 30.12.2014 01:10
von AxtimWalde
Als ich vor kurzem Hasel für eine Flintbearbeitungsmaschine herausgesucht habe, bin ich über zwei Platten aus Grand Pressigny Flint gestolpert, die ich vor Jahren von Jean Loup Ringot bekommen hatte. Als Kernsteine sind sie nicht geeignet, aber man könnte daraus Beile herstellen. Allerdings weiß ich nicht ob es überhaupt Beile aus besagtem Flint gibt. Wenn ja wäre ich über jeden Hinweis dankbar. im Netz fand ich nur ein Beil, wobei mir nicht ganz klar ist, ob es überhaupt aus Grand Pressigny Flint besteht.
- Quelle: http://www.sucherforum.de/smf/index.php/topic,24586.0.html
Der Autor meint, dass es sich um eine örtliche Variante handeln könnte. Viel interessanter ist allerdings der Schleifstein, der aus Flint besteht. Diese merkwürdigen Schleifsteine (Polissoir) finden sich in Frankreich wohl häufiger. Vornehmlich aber aus Felsgestein. Einen weiterer Polissoir aus Flint:
- Quelle: http://palladia.pagesperso-orange.fr/prehistoire/media_inventions_18.htm
Die Einschleiftiefen sind erstaunlich. Dass man Flint durchaus mit Flint polieren kann ist mir durchaus bekannt , aber die Abnutzungsspuren sind nur gering. Wäre doch mal interessant, wie diese Dinger produziert wurden. Wurde die Oberfläche durch Picken vielleicht vorher aufgeraut? Zumindest würde man damit die enormen Tiefen begründen können.
Beim weiteren durchstöbern fand ich noch dieses Kuriosum:
- The Maesmor mace-head Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Feuerstein;
Hierbei soll es sich um eine Keulenkopf aus Flint handeln. Gebohrt und mit Schleiffacetten versehen.
Er wurde 1840 in Denbighshire gefunden. Angeblich datiert er auf 2500BC. Heute wird er im Nationalmuseum von Wales aufbewahrt. "Instead, a large piece of white flint - a rare stone in Denbighshire where the mace-head was found - was cut roughly into shape. Then a hole was drilled through the tough stone, probably using a bow drill with lots of sand and water. This hole was where the handle would have originally have fitted.
....
But the real skill was the cutting and shaping the elaborate design on the sides of the mace-head. This was probably also done using the side of a bow drill to score the overlapping grooves." (
http://www.museumwales.ac.uk/rhagor/article/1966/)
Ich frage mich allerdings wie das wohl mit neolithischen Mitteln funktionieren soll, vor allem mit den Facetten!! Oder liegt hier ein Fake aus dem 19ten Jahrhundert vor???
Re: Augenfällige Funde
Verfasst: 30.12.2014 08:36
von Kurt A.
Hallo Kai,
es gibt tatsächlich Beile aus GP-Silex (wir haben auch einige Fragmente in unserer Vergleichssammlung). Sie sind spitznackig und im Querschnitt oval, vergleichbar mit dem Stück auf dem Bild.
Das abgebildete Stück würde ich aber aus der Ferne nicht als GP-Silex ansprechen wollen, obwohl es ein ganzes Spektrum von Varietäten aus der betreffenden Region gibt.
Analoge Silex-Beiklingen findet man in ganz Frankreich, gehäuft aber im Pariser Becken, wo sie in zahlreichen Silexminen en masse produziert worden sind.
Viel Spass beim Pöckern!
Gruss K.
Re: Augenfällige Funde
Verfasst: 30.12.2014 10:58
von ulfr
Was GP-Beile angeht, bin ich ganz bei Kurt.
Der walisische Keulenkopf überzeugt mich irgendwie nicht, genau wie Kai frage ich mich, wie so etwas mit neolithischen Mitteln möglich sein soll. Erstens wäre es das erste durchbohrte Flintobjekt, das mir vor die Augen kommt, zweitens erfordert das Schleifen solcher Facetten eine ungeheure Präzision - ich denke da an exakt arbeitende Einspannvorrichtungen, präzise gelagerte und geführte Schleifköpfe, die nach langem Schleifen an sehr hartem Material ihre Form halten, usw. ... Entweder hat an dem Ding jemand nicht "many tens of hours", sondern "many years " gearbeitet, oder es ist nicht jungsteinzeitlich. Oder es handelt sich nicht um Flint, sondern um Kalkstein bzw. irgendetwas weicheres auf jeden Fall.
Meine zwei Schaberlein
Re: Augenfällige Funde
Verfasst: 02.01.2015 03:05
von Blattspitze
Noch schöner ist der "Knowth macehead":
Quelle mit etwas mehr Infos:
http://irisharchaeology.ie/2013/02/the-knowth-macehead/
Es handelt sich ziemlich sicher um Originale, es sei denn, wir trauen den englischen Kollegen nicht.
Zeit, Motivation und Ideen sind alles, was erforderlich ist ...
Re: Augenfällige Funde
Verfasst: 02.01.2015 18:29
von ulfr
Es ist schwer, wenn nicht ungehörig, den Kollegen von den Inseln nicht zu trauen, aber ich bleibe skeptisch. Solche Spiralen aus Flint(!!) herauszukratzen ... das ist ja schon bei Felsgestein ein enormer Aufwand. Man müsste sich tatsächlich Zugang zum Rohmaterial verschaffen und experimentieren. Nur - woraus sollen die Werkzeuge bestanden haben? Nenne mir jemand ein Material außer (Opal, Korund und) Diamant, das auch nur ansatzweise dazu in der Lage ist, beim Herausarbeiten solcher Ornamente so spitz zu bleiben, dass die Rillen gleichmäßig werden ... Ich versuche auf jeden Fall mal in den nächsten Tagen, mit einem Stück Quarzit in weißen bzw. hellgrauen Ostsee-Flint eine gerade Rille einzugravieren, und melde mich Mitte 2016 wieder
Re: Augenfällige Funde
Verfasst: 02.01.2015 21:31
von FlintMetz
Die Teile sind wirklich extrem erstaunlich! Hier würden sich sehr genaue Blicke auf die Bearbeitungsspuren lohnen - sowohl bei der Bohrung, als auch an der Oberfläche allgemein. Aber ich kann mir auch nichts vorstellen, mit was man in prähistorischer Zeit Flint so arbeiten könnte. Was aber nicht ultimativ heißen muss, dass es vielleicht nicht doch irgendwelche Möglichkeiten geben könnte… und wir uns diese eben nur nicht vorstellen können. Aber dann war es sicherlich eine Arbeit von enormen Zeitaufwand.
Und selbst wenn die Stücke Fälschungen wären, dann hat sich da jemand
verdammt viel Mühe gemacht…
Aber ohne die Stücke nicht selber in der Hand zu halten und mit der Lupe oder dem Mikro dran "rumzuschnuppern" kann man wohl nicht viel sagen, außer…. Boahhhh!
Schöne Grüße…
Robert
Re: Augenfällige Funde
Verfasst: 02.01.2015 22:45
von Blattspitze
Eine kurze Internet - Lit.-Recherche hat mir zunächst keinerlei Hinweis auf Fachartikel zu detaillierten Arbeitsspuren oder gar möglichen Herstellungsweisen ergeben. Ob hier
http://www.jstor.org/discover/10.2307/2 ... id=3737864
mehr drin ist, weiss ich nicht. Vielleicht gibts da noch Forschungsbedarf?
Aber Eure Generalzweifel teile ich nicht. Auf den Zeichnungen oder Bildern läßt sich erkennen, das die Stücke gar nicht so perfekt und symmetrisch sind, wie es auf den ersten Blick scheint. Es gibt nur sehr wenige dieser Stücke aus Flint, aber relativ viele aus Felsgestein. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Bohrungen vielleicht nur Erweiterungen von natürlichen Löchern sind. Die konkaven Schliff- Facetten könnten z.B. mit bifazialen Kanten und sehr viel Zeit in zunächst eben geschliffenen Flächen eingetieft worden sein. Ausdauer und Willen.
Es gibt andere Beispiele faszinierender Schleifkünste an Flintharten Gesteinen:
Quelle:
http://www.metmuseum.org/collection/the ... rch/544514
Re: Augenfällige Funde
Verfasst: 02.01.2015 23:14
von FlintMetz
Ohhhh…. Ich hab noch nie sinnlichere Lippen gesehen!!! Gigantisch gearbeitet
Danke für den Link.
Re: Augenfällige Funde
Verfasst: 03.01.2015 12:03
von LS
Zunächst mal noch allseits ein Gesundes Neues!
Hier nun auch mein Senf: Durchlochte Keulenköpfe aus Flint sind sicher authentisch, denn davon gibt es auf den Inseln noch einige mehr. Ich teile auch die Vermutung, dass da vielleicht Hühnergötter genommen und weiter verarbeitet wurden. (Off-Topic: Hab ich auch schon gemacht und auf diese Weise mehrere Faustkeile um ein Loch im Flint herumgeschlagen, die sich Retro-Neandertaler am Riemen um den Hals hängen können...)
Die geschliffenen Rautenmuster sind schon sehr krass. Ähnlichkeiten des Ornaments könnte man aber auch hier finden: Auf den Kugelamphoren gleicher Zeit sind in den Ton geritzte Rautenfelder ein beliebtes Motiv.
Und drittens: der Maesmor-Keulenkopf ist schon 1840 gefunden worden. Zu dieser Zeit hätte niemand um des Fälschens Willen prähistorische Repliken gefälscht. Der Knowth-Kopf ist 1982 bei einer Grabung im Kontext gefunden worden, wenn auch offenbar von einem Einzelnen und nicht unter Zeugen.
Was wäre also der Worst Case? Wenn
@1 der Maesmor-Kopf ursprünglich ein undekorierter Kopf war und aus Spaß an der Freude in späterer, prähistorischer oder historischer Zeit mit den Rautengravuren überzogen wurde, und
@2 jemand den Knowth-Kopf 1982 in die Grabung gemogelt hat, wobei er die Rauten vom Maesmor-Kopf adaptiert hat.
Dagegen spricht aber, dass es auf dem Maesmor-Kopf angewitterte, ältere Beschädigungen gibt, die kein Bastler des 19. Jahrhunderts gemacht hätte. Man muss als Skeptiker also weiter ausholen und zweitens vermuten, dass die Rauten erst in den Metallzeiten oder später aufgebracht wurden und der Kopf dann ohne tradiertes Wissen wieder im Boden verschwand. Das kann natürlich sein, aber dann wäre der Knowth-Kopf ein Kuckucks-Ei, dass sich ein professioneller Archäologe ins Nest legen lassen hat. Schwierige Ferndiagnose, also Daumen lieber in der Hosentasche lassen...
Gruß L.
Re: Augenfällige Funde
Verfasst: 03.01.2015 13:25
von ulfr
LS hat geschrieben: also Daumen lieber in der Hosentasche lassen...
Da bleiben sie auch, aber es juckt ...
Ebenfalls etwas verspätet ein frohes neues!
Da ich neulich mal in einem Gespräch die Ansicht geäußert hörte, dass die experimentelle Archäologie doch nun langsam am Ende sei, weil ja alles mehr oder weniger schon erforscht sei, scheint es mir nun so, als ob es hier tatsächlich mal wieder eine Gelegenheit gibt, sich mit Ruhm in Form von weißem Schleifschlamm zu bekleckern.
Und: ganz Eurer Meinung, wenn es keine fakes sind - und LS´ Argumentation lässt da wenig Spielraum, das gebe ich zu, dann hat es eine riesige Menge Zeit gebraucht, um solche Ornamente herzustellen. Wenn ich die hätte, dann säße ich schon im Garten ...
Ich glaube allerdings nicht, dass Hühnergötter das Ausgangsmaterial sind, es sei denn, die natürlichen Öffnungen, die in der Regel ziemlich unregelmäßig sind, wurden aufgebohrt.
Re: Augenfällige Funde
Verfasst: 04.01.2015 01:27
von FlintSource
Auch von mir ein gesundes Neues.
Zu dem Beil: GP sensu stricto ist das sicherlich nicht, auch wenn der Polissoir sehr danach aussieht. Etwa 20 km westlich von Grand Pressigny liegt die Fundstelle von Fontmaure, mit kunterbuntem Gestein (Beispiele z.B. auf der Flintsource website). Davon gibt es im Museum in GP eine ganze Reihe von wunderbaren Mittelpal-Geräten. Das könnte durchaus das Ausgangsgestein für das Beil gewesen sein. Weiter hat Kurt bereits die notwendigen Informationen zu GP-Beile gegeben, auch wenn sie nicht sehr häufig sind.
Die Muster auf dem ‚maceheads‘ erinnern stark an den (überwiegend) schottischen ‚carved balls‘, die zwar etwas weniger hart, aber dafür genau so rätselhaft sind. Suche z.B. einfach mal nach ‚Towie Ball‘, ausgestellt im National Museum of Scotland. Auch im British Museum gibt es schöne Exemplare.
Der von Blattspitze referierte Artikel aus dem Journal of the Royal Society of Antiquaries of Ireland bei JSTOR scheint sicher interessant zu sein (nur überflogen und Bilder geschaut) mit aufschlussreichen Detailfotos, die darauf hindeuten, dass die Bearbeitung tatsächlich ‚eingeschabt‘ wurde. Ob es sich bei dem Ausgangsmaterial jedoch um Flint im engeren Sinne handelt wird jedoch nicht deutlich. Wenn ich das so sehe, könnte ich mich auch ein stark silifizierter Kalkstein vorstellen. Die Bearbeitung wäre dann zwar sehr mühselig, aber nicht unmöglich und letztendlich sollte reiner kristalliner Quarz etwas härter sein als Flint, das Schleifen von Beilen ist ja auch nicht unmöglich. Also diesbezüglich bin ich auch nicht über-skeptisch, was der Echtheit angeht.
Übrigens kann jeder sich für einen kostenlosen Account unter MyJSTOR (
http://www.jstor.org/action/showPrefere ... Jstor=true) registrieren und so Artikel aus dem extrem umfangreichen Bestand online lesen. Der Haken: Man hat drei Stellen in seinem virtuellen ‚Bücherregal‘ frei, die man einmal besetzt erst wieder nach zwei Wochen räumen kann. Aber mit jeder Emailadresse und leichten Namensvarianten kann man sich separat registrieren, sodass man letztendlich deutlich mehr als drei Plätze pro zwei Wochen zur Verfügung hat…. Wenn man mehr möchte, inklusiver Downloads als PDF geht das ins Geld.
Und tatsächlich ist der conchoidal zerschlagene ägyptische Kopf sehr ansprechend. Danke Blattspitze.
Re: Augenfällige Funde
Verfasst: 04.01.2015 16:09
von Blattspitze
Ich wünsche selbstverständlich auch ein noch neueres, gesünderes Jahr!
Vielen Dank für den Jstor-Tip, Rengert! Und siehe da, da gibt`s doch was:
The Journal of the Royal Society of Antiquaries of Ireland, Vol. 125, (1995)
contains: The Manufacture of the Decorated Macehead from Knowth, County Meath
Joseph Fenwick
pp. 51-60 (10 pages)
Habe ich mir gleich auf`s shelf gestellt und überflogen. Der Autor hat offensichtlich intensive Kenntnisse vom aktuellen Glasschleifer-Handwerk und schlägt aus seiner Sicht folgende Arbeitsweisen und Maschinen vor, die natürlich denen des aktuellen Glasschleifers sehr gleichen:
Das 17mm Durchmesser aufweisende Bohrloch ist demnach sehr exakt zylindrisch gebohrt. Auf einem Detailfoto meine ich jedoch Unregelmäßigkeiten im Bohrloch erkennen zu können. Die äußeren Facetten des Knowth-Macehead sind 2mm tief gegenüber den Rändern eingetieft, beim Maesmawr - Exemplar 1,7mm.
Der Autor schlägt ferner spezielle diskusförmige Schleifköpfe und -Scheiben aus Kupfer vor, die mit abrasivem Material bestückt ("abrasive agent applied to the cutting edge") und mit Handbetrieb in Rotations-Maschinen betrieben worden sein sollen. Ähnliche Kupferscheiben und -Köpfe werden auch noch beim heutigen Glasschleifer für ähnliche Zwecke eingesetzt, da Kupfer sich sehr gut dafür eignet. Experimente werden nicht beschrieben, es ist ein reiner aktualistischer Vergleich.
Die entsprechenden Rotations - Maschinen sind aber erstmalig im Mittelmeerraum für 6. Jh. v.Chr. direkt nachgewiesen worden, daher bin ich skeptisch. Kann es nicht auch einfacher gehen?
Re: Augenfällige Funde
Verfasst: 04.01.2015 16:23
von Trebron
@ Marquard. Hast Du nicht auch mal Artikel über Bohrköpfe aus Kupfer von Ägypten gepostet ?
Ich frage mich nur, wie das abrasive Material darauf hält ?
Re: Augenfällige Funde
Verfasst: 04.01.2015 16:50
von Blattspitze
Hallo Norbert,
jep aber ich finds hier nicht mehr. Hier ein link zur diesbezüglich hochinteressanten experimentalarchäologischen Arbeit von Denys Stocks, der Auszug zum Steingefäßbohren nach Wandbildern rekonstruiert:
http://www.sci-lib.net/index.php?act=at ... t&id=14668
Der Bohrer scheint mir eine annehmbare Alternative zu den gebräuchlichen Bohrmaschinen für Steinaxt-Durchbohrungen in den Museen zu sein.
Flintharte Gesteine hat er in Form von Chalzedon-Perlen mit Bronzebohrern und Quarzsand durchbohrt.
Re: Augenfällige Funde
Verfasst: 04.01.2015 17:42
von Trebron
Hi Marquard, ich hatte mir das damals alles abgespeichet, bzw in die Lesezeichen gestellt. Etwas hab ich noch gefunden:
http://www.mysteria3000.de/magazin/expe ... arbeitung/