OK, eigentlich sollte ich gerade Aufsätze schreiben, aber ich lasse mich doch in die Diskussion hineinziehen.
Ich glaube, es besteht wenig Zweifel daran, dass was mit öffentlichen Mitteln finanziert ist der Öffentlichkeit auch kostenlos zur Verfügung gestellt werden sollte. Deshalb fordern Institutionen wie die DFG mittlerweile auch häufig, dass Ergebnisse in Open Access publiziert werden und stellen dafür auch die meist notwendigen Mitteln (author-pays-principle) zur Verfügung. Das ist eins.
Da schließt sich jetzt erstmal die Diskussion um die ‚Freibiermentalität‘ im Netz an, mit meinen beiden Lieblingssprüchen ‚Was nichts kostet, ist nichts wert‘ und ‚If you pay peanuts, you get monkeys‘, was ja auch bei Ulfrs Post durchklingt. Das haben wir bei der DGUF auch ausführlich durchexerziert, als wir die Archäologischen Informationen auf Open Access (hier folg jetzt der Werbeblock: Kein author-pays, echtes peer-review, Retrodigitalisierung der letzten 20 Jahrgänge (Arbeitsstand), sowohl für Mitglieder als Nicht-Mitglieder frei zugängig unter
http://journals.ub.uni-heidelberg.de/in ... -inf/index) umstellen wollten. Es gab einige prominente Gegner des Projekts, die fanden, dass wir nicht nur unser ‚Betriebskapital‘ und Alleinstellungsmerkmal verschenken, aber die Zeitschrift mit der kostenlose Verfügbarkeit auch abwerten. Glücklicherweise sah eine deutliche Mehrheit der Mitgliederversammlung das anders und war mit dem Projekt einverstanden. Nach zwei Jahren können wir jetzt feststellen, dass der große Mitgliederschwund ausgeblieben ist. Ein kurzes Lob an die Mitglieder der DGUF ist hier auch nicht fehl am Platz (ja ich weiß, Eigenlob…), die letztendlich mit ihren Mitgliedsbeiträgen dieses Projekt finanzieren, weil die Zugriffszahlen sind doch etwas hoch für die knapp 700 DGUFler, die zudem die Zeitschrift in gedruckter Form nach Hause geliefert bekommen. Damit haben wir also einen deutlichen Mehrwert für die Autoren geschaffen, die jetzt ein deutlich breiteres Publikum erreichen (
http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/cgi- ... d=arch-inf). Die Beurteilung, ob die Umstellung auch inhaltlich gelungen ist, überlasse ich den Lesern und längerfristig wird sich es auch in der Zitierfrequenz zeigen. Und nein, wie bei allen wissenschaftlichen Zeitschriften bekommen die Autoren kein Honorar. Auch die Redaktion/Herausgeber der Archäologischen Informationen sowie der Vorstand arbeiten rein Ehrenamtlich, nur Satz/Layout und Druck werden bezahlt.
Jetzt zur Sicht des Autors sowie des bezahlten Herausgebers. Meine doch nicht unerhebliche Produktion der letzten Jahre ist zum allergrößten Teil NICHT während der Arbeitszeit entstanden sondern in den Abendstunden, an Wochenenden etc. Nur an einigen ‚Pflichtbeiträgen‘ im Rahmen meines jetzt auslaufenden Projektes habe ich während der regulären Arbeitszeit geschrieben. Dafür habe ich in den vergangenen drei Jahren jedoch Hunderte Stunden verbracht mit Redaktion, Korrektur, Ausschreibungen und Produktion von drei Tagungsbänden sowie einem Katalog. Damit haben wir über 100 Aufsätze veröffentlicht, die jedoch nicht regulär öffentlich zugängig sind, nur für den letzten Band, der in etwa drei Wochen erscheint ist eine öffentliche Bereitstellung auf der Projektwebsite geplant, was jedoch wieder ein anderes Paar Schuhe ist. Grundsätzlich sollten diese Bände, die zu 100% mit Fördermitteln der EU entstanden sind, natürlich frei abrufbar sein, wofür jetzt einen Umweg begangen wird (die einschlägige Website wurde bereits in einer früheren Post erwähnt). Also für diese Herausgeber-Tätigkeit werde ich regulär als Wissenschaftler bezahlt. Was kostet das? Wie man mit öffentlich zugängigen Gehaltsrechnern nachvollziehen kann, kostet ein Wissenschaftler im öffentlichen Dienst (TVL/TVöD 13) etwa 60.000 € Arbeitgeber Brutto, also grob 30 € die Stunde, ohne Overhead etc., für Freiberufler müsste man diesen Stundensatz etwa verdoppeln.
Was wäre also eine faire Vergütung von Autoren auf dieser Basis? Alle folgende Angaben sind Pi-mal-Daumen-Werte (der Amerikaner würde sagen ‚ballpark figures‘, der Brite ‚educated guesses‘). Das Schreiben eines Kurzberichtes von 1500-2000 Anschlägen für ‚Aus der Landesarchäologie‘ in AiD braucht inklusive Abbildung etwa zwei Stunden, das wäre also 60 bis 100 €. Mit einem Vierseiter von 12.000 Anschlägen in der gleichen Zeitschrift oder in vergleichbaren Ausgaben ist man doch schnell acht Stunden beschäftigt, inklusive Korrektur, Softproofs und Abbildungen können es schnell zehn werden. Ein regulärer Tagungs-Beitrag umfasst meistens etwa 25.000 Anschläge und abhängig wie anspruchsvoll der Inhalt ist, wie gut man gerade in der Materie steckt, wie groß das Autorenteam ist und in welcher Sprache der Artikel verfasst werden soll, steckt da doch schnell eine Woche Arbeitszeit drin. Für einen Aufsatz in einer peer-reviewten, gerankten Zeitschrift mit mehreren Autoren, aufwändiger Literaturrecherchen kann man locker einen Monat, wenn nicht gar zwei, Veranschlagen, wenn die Reviewer dann noch etwas zu meckern haben und es müssen größere Änderungen vorgenommen werden, kommen da schnell noch zwei Wochen Arbeitszeit hinzu. Setzten wir das Ganze mal mit acht Wissenschaftler-Wochen fest, kostet das knapp 10.000 €. Und dann reden wir nur über das zu Papier bringen von Forschungsergebnissen.
Praxisnahes Beispiel aus gegebenem Anlass: Aufsatz für den EXARC-Band Albersdorf ‚Archaeology and Crafts‘ zu Ergersheim. Da stecken von der reinen Schreiberei mit Korrekturrunden her locker 80 Stunden drin, mit hin und her wegen Abbildungen und der ziemlich korrekturbedürftigen Softproof kommen da sicherlich 100 Stunden zusammen, Kassa! Aber sind das nur die paar Tausender Schreibzeit? Wir berichten über Geländeversuche wobei jeweils grob überschlagen 20 Leuten 20 Stunden im Wald verbringen und das viermal, also 1600 Stunden, wobei Anreise, Herstellung von Werkzeug (von der Rohmaterialbeschaffung bis zur Dokumentation der fertigen Geräte), Übernachtungskosten und Organisation noch nicht mal eingerechnet sind also ein Verhältnis von grob 20:1 zwischen Experiment und Schreiben! Wie soll man das berücksichtigen? Oder sollen wir Ergersheim streichen, weil keiner uns dafür bezahlt?
Jetzt mal einen Blick auf die Einkommens-Seite: Wenn ich meine Publikationsliste so anschaue, sind das sechzig und ein paar Zerquetschten, rechne ich mal die drei oder vier Beiträge raus, die ich tatsächlich während der Arbeitszeit geschrieben habe, bleiben etwa sechzig Veröffentlichungen stehen. Für haargenau eins (1) davon habe ich ein Honorar in Höhe von 80 Euro bekommen. Das sind bei über 20 Jahren Autorentätigkeit knapp vier Euro im Jahr. Natürlich melde ich meine Aufsätze auch immer brav bei der VG Wort an, da werden die Gelder verteilt, die über die Abgabe von Kopierer etc. hereinkommen (liebe Leser, bitte ganz eifrig kopieren und scannen!). Das ist bereits etwas besser, da kommen im Jahr zwischen 70 und 100 Euro zusammen, also eine gute Flasche Malt-Whisky. Wenn allen jetzt ihre Aufsätze online stellen, wird weniger kopiert und gescannt und damit wird diese Einkommensquelle auch weniger, also da benachteilige ich mich selber. Aber letztendlich fällt es nicht ins Gewicht, für mich ist publizieren tatsächlich ein brotloses Geschäft, das ich mir nur leisten kann, weil ich einen regulären Job habe, in dem ich jedoch auch viele Ergebnisse sammle, die ich für meine Publikationen verwende.
Und jetzt holen wir Jeremy Bentham mal wieder aus dem Schrank (kann man tatsächlich wortwörtlich machen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Jeremy_Ben ... o-Icon.jpg)
Wenn es für mich keine (finanziellen) Nutzen bringt zu publizieren, aber ich mit dem Online-Stellen auch kaum Nachteile empfinde, jedoch viele Leser gewinne und dazu durch das Verfügbar machen auch Kollegen helfen kann, bin ich moralisch gezwungen dies zu tun (jetzt mal etwas überspitzt formuliert). Fast jeder von uns kennt die Situation, in dem man keine Bindung an einem Institut hat und somit schlechter Zugang zur Bibliothek und speziell Fernleihe. Und auch sonst: Die Verfügbarkeit im Netzt spart extrem viel Zeit und die Recherche kann bequem von zu Hause ausgeführt werden, denke da auch mal an etwas weniger mobile Zeitgenossen. Wer das System verwendet, sollte auch beitragen, wobei wir Kant heranziehen könnten. Und wenn ich die Klickraten auf meinen Artikeln bei Academia aus dem ehemaligen Ostblock sehe und ich weiß, wie es da um die Archäologie gestellt ist und wie die Bezahlung der Kollegen dort aussieht, dann spricht alles dafür sämtliche wissenschaftliche Werke frei verfügbar zu machen. Und Webportale wie Academia und Researchgate profitieren vielleicht davon, aber das ist kein Vergleich mit den großen Verlagshäusern wie Elsevier und Konsorten. Aber das ist ein anderes Thema, ich habe auch noch anderes zu schreiben…..
Und natürlich ist es auch kein Ersatz für richtige Bibliotheken und sind einzelnen Beiträge häufig aus dem Verband gezogen, findet man in Aufsatzsammlungen wie auch in Bibliotheken doch immer wieder schöne Sachen, wonach man gerade nicht auf der Suche war. Aber wir reden hier von einer Ergänzung, nicht von Ersatz.