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Durchbohrter kleiner Schuhleistenkeil, Material?

Verfasst: 28.08.2015 09:23
von enrohs
Hallo,

von einer mitteldeutschen bandkeramischen Fundstelle stammt dieses Bruchstück einer kleinen duchbohrten (vermutlich) Dechselklinge. Das Gestein scheint mir Radiolarit (Kieselschiefer) zu sein. Auch das ungewöhnlich kleine Format spricht wohl für eine Sonderform, es wurde dann wohl ein hier duchaus vorkommender Flußkiesel verwendet. Oder könnte es sich doch um ein Stück aus dem üblicherweise verwendetem, hervorragend erhaltenen Metabasit (Amphibolit), handeln?
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Viele Grüße

Sven

Re: Durchbohrter kleiner Schuhleistenkeil, Material?

Verfasst: 28.08.2015 10:01
von ulfr
Mal wieder eine super Dokumentation, Sven!
Ich glaube nicht, dass es Radiolarit ist, der sollte annähernd dieselbe Härte und Struktur haben wie Flint und ist damit nicht durchbohrbar. M.E. ist es kein Quarzmineral, dagegen sprechen auch die Bruchfacetten im Axthaus, die sehen ganz und gar nicht aus wie bei bei Radiolarit oder Kieselschiefer - beide weisen muscheligen Bruch auf. Mein Tipp wäre eher Felsgestein. Was meinst Du, Flintsource?

Re: Durchbohrter kleiner Schuhleistenkeil, Material?

Verfasst: 30.08.2015 20:17
von FlintSource
Auch wenn die Fotos schön sind, ist eine Rohstoff-Bestimmung anhand Abbildungen immer extrem schwierig bzw. unmöglich. Auf dem ersten Blick, schwarzes Material mit hellen Äderchen, sieht es tatsächlich nach Lydit/Kieselschiefer aus, aber Ulfrs Argumente wegen muschelichen Bruches sind richtig. Das mit der Bohrung stimmt nicht ganz, es gibt tatsächlich gebohrte Anhänger bzw. Teilen von Ketten aus Radiolarit, aber dort sind die Bohrungen deutlich kleiner. Metabsait aus Jistebsko ist es ziemlich sicher nicht.
Wenn ich mich den doch sehr eckigen Querschnitt anschaue und den schrägen Nacken, denke ich nicht, dass es sich um eine durchbohrte Dechselklingen handelt, sondern um eine Miniaturausgabe eines Rössener Breitkeils.

Re: Durchbohrter kleiner Schuhleistenkeil, Material?

Verfasst: 31.08.2015 06:58
von Markus
FlintSource hat geschrieben: sondern um eine Miniaturausgabe eines Rössener Breitkeils.
Wollten wir nicht mit gutem Beispiel vorangehen, und die Teile künftig als Axt bezeichnen?!

Re: Durchbohrter kleiner Schuhleistenkeil, Material?

Verfasst: 31.08.2015 08:39
von enrohs
FlintSource hat geschrieben:Auch wenn die Fotos schön sind, ist eine Rohstoff-Bestimmung anhand Abbildungen immer extrem schwierig bzw. unmöglich. Auf dem ersten Blick, schwarzes Material mit hellen Äderchen, sieht es tatsächlich nach Lydit/Kieselschiefer aus, aber Ulfrs Argumente wegen muschelichen Bruches sind richtig. Das mit der Bohrung stimmt nicht ganz, es gibt tatsächlich gebohrte Anhänger bzw. Teilen von Ketten aus Radiolarit, aber dort sind die Bohrungen deutlich kleiner. Metabsait aus Jistebsko ist es ziemlich sicher nicht.
Wenn ich mich den doch sehr eckigen Querschnitt anschaue und den schrägen Nacken, denke ich nicht, dass es sich um eine durchbohrte Dechselklingen handelt, sondern um eine Miniaturausgabe eines Rössener Breitkeils.
Ich danke dir für deine Antwort. Natürlich kann man das Gestein anhand der Bilder nur schwer bestimmen. Für mich fühlt es sich aber doch wie Radiolarit an, insofern man das fühlen kann. Schön aber der Hinweis, dass es durchaus gebohrten Radiolarit gibt, wenn auch mit kleineren Bohrungen.
Auch der Verweis auf Rössen ist interessant. Nun liegt der namengebende Ort etwa 15 km von der Fundstelle entfernt. Dieses Rössen befindet sich schon am Rand des bekannten Verbreitungsgebietes dieser Kultur, der Fundort ist dann noch "grenznäher". Funde wie dieses Bruchstück eines durchbohrten Gerätes deuten aber dann doch darauf hin, dass diese Stelle nicht nur von den Bandkeramikern besiedelt war:
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Auch einen Bohrkern durfte ich hier schon auflesen.
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Markus hat geschrieben:
FlintSource hat geschrieben: sondern um eine Miniaturausgabe eines Rössener Breitkeils.
Wollten wir nicht mit gutem Beispiel vorangehen, und die Teile künftig als Axt bezeichnen?!
Ich finde es ja gut, wenn Artefakte aus unterschiedlichen Epochen auch unterschiedliche Namen haben, zumal wenn eine Gewisse Tradition dahinter steht, wie auch beim Schuhleistenkeil.
Auch die Verwendung des Breitkeils dürfte wohl etwas anders gewesen sein als die einer Axt. Aber als Oberbegriff für durchbohrte Steinbeilartige Geräte finde ich "Steinaxt" gut.

Viele Grüße

Sven

P.S. an Rengert: eventuell sehen wir uns zum Tag der Landesarchäologie in Dresden? Wann auch immer der ist :3: . Da könnte ich das Stück mitbringen.

Re: Durchbohrter kleiner Schuhleistenkeil, Material?

Verfasst: 01.09.2015 22:52
von FlintSource
Ich bin gerade heute verhaftet worden für einen Vortrag zu 3D-Scanning von gegengestempelten römischen Münzen bei den sächsischen Landesarchäologietagen. Auch wenn ich den Vortrag wohl nicht selber präsentieren werde :41: muss ich doch anwesend sein :25:

Also gerne das Stück mitbringen, die Veranstaltung findet nach meiner Information am 13./14. November statt.

Edit: Bitte auch die anderen abgebildeten Funde mitnehmen, das sieht durchaus spannend aus.

Re: Durchbohrter kleiner Schuhleistenkeil, Material?

Verfasst: 14.11.2015 19:10
von enrohs
FlintSource hat geschrieben:Ich bin gerade heute verhaftet worden für einen Vortrag zu 3D-Scanning von gegengestempelten römischen Münzen bei den sächsischen Landesarchäologietagen. Auch wenn ich den Vortrag wohl nicht selber präsentieren werde :41: muss ich doch anwesend sein :25:
Ich habe gestern den Vortrag in Dresden erleben können, Daumen hoch! (Wo ist der entsprechende Smilie :roll: ?)
Rengert hat übrigens festgestellt (typisch mit Lupe), dass der Stein nicht beschliffen ist. Also handelt es sich um einen hohlgebohrten Kieselstein, kein Gerätetyp.

Viele Grüße

Sven

Re: Durchbohrter kleiner Schuhleistenkeil, Material?

Verfasst: 14.11.2015 23:31
von FlintSource
Also, das Teil ist tatsächlich extrem rätselhaft. Ein richtiger Kieselschiefer/Lydit ist es nicht, aber doch etwas sehr Ähnliches. Übereinstimmende Bestimmung (zwar nur mit Lupe) von mir und einem kurzfristig verhafteten Geologen. Also nicht 100% SiO2, aber extrem dicht und hart. Faszinierend ist die Tatsache, dass das Stück tatsächlich nicht überschliffen wurde und speziell eine Seite neben dem Bohrloch kaum noch Substanz aufweist. Da hat ein Neolithiker mal gezeigt, dass er es richtig drauf hat mit der Hohlbohrung und auch extrem harte Kieselsteine, die kaum größer sind als der Bohrer durchlochen kann: Ein absolutes Unikat.

Übrigens haben wir bei der Gelegenheit auch mal die Jistebsko-Zigarre (na ja, eher doppelter Corona) und das Zigarillo auf Magnetismus getestet, erwartungsgemäß positiv, auch wenn es sich leider wohl nicht als alleiniges nicht-invasives Bestimmungsmerkmal für AHS/Metabsit gelten kann.

Re: Durchbohrter kleiner Schuhleistenkeil, Material?

Verfasst: 15.11.2015 01:05
von FlintSource
enrohs hat geschrieben:Ich habe gestern den Vortrag in Dresden erleben können, Daumen hoch!
OT: Das geht auf das Konto von Kollege JF Tolksdorf, den man mit einem Fallschirm aus 10 km Höhe absetzen kann, der sich nach der Landung Sakko und Krawatte/Fliege kurz zurechtrückt und dann anfängt einen druckreifen Vortrag zu halten, den man direkt bei einem peer-reviewed Journal einreichen kann.Tatsächlich, Respekt von einem der auch nicht gerade Ladehemmung beim öffentlichen Sprechen hat.

Re: Durchbohrter kleiner Schuhleistenkeil, Material?

Verfasst: 15.11.2015 14:54
von enrohs
Ich habe nun einen Hinweis bekommen, dass es sich auch um einen Probierstein handeln könnte und damit wesentlich jünger wäre. Was haltet ihr davon?
Edelmetalle hinterlassen jedenfalls einen Strich.
Hier: http://www.archaeologie.bl.ch/Pages/Fun ... _F_01.html ein Vergleichsstück mit allerdings kleinerer Bohrung.

Viele Grüße

Sven

Re: Durchbohrter kleiner Schuhleistenkeil, Material?

Verfasst: 15.11.2015 16:44
von FlintSource
Von Material her wäre das möglich, aber die Bohrung ist meiner Einschätzung nach eine typische vorgeschichtliche, leicht konische Hohlbohrung. Ich würde das Teil doch eher neolithisch einstufen und dann ist mit Probierstein eher weniger. :)