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Hansemuseum Lübeck

Verfasst: 15.11.2015 11:26
von ulfr
Kleiner Exkurs in die Moderne: Am letzten Dienstag war ich in Lübeck im neuen Hansemuseum und, um es vorweg zu nehmen, über weite Strecken sehr enttäuscht. Wie in mehreren Neubauten der letzten Zeit haben es auch hier die Gestalter geschafft, auf Tausenden Quadratmetern Ausstellungsfläche nichts, aber auch GAR NICHTS für Kinder einzurichten. Das Geschehen spielt sich ab 1,20 m Höhe über dem Boden ab, düstere Inszenierungen wechseln sich mit sterilen modrig riechenden Räumchen ab, in denen bis auf wenige Ausnahmen eine einmalig langweilige Objektschau präsentiert wird, Urkunden, die niemand lesen kann, verrostetes Gerümpel ohne Funktion, Medienstationen, die man mit der Eintrittskarte abspielt, die dann aber niemand anderes betrachten kann, weil der Gang zu eng ist. Und nach der fünften Tafel weiße Mini-Schrift auf schwarzem Hintergrund habe ich nur noch bunte Sternchen gesehen.

Es gibt einige ganz wenige gute Details, z.B. der Newsticker a la N24 im nachgebauten Ratsherrensaal, das wars dann aber auch.

Wer auf die Idee kommen sollte, dieses Schauer-Gemäuer mit (speziell kleinen) Kindern oder gar einer ganzen Schulklasse zu besuchen, der kann sich auf eine total verquengelte halbe Stunde gefasst machen, länger hält man das Genöle der Bambini bestimmt nicht aus. Und ich möchte gar nicht wissen, wie viel Geld hier sinnfrei verpulvert wurde ...

Prädikat: Danebengelungen! :30:

Re: Hansemuseum Lübeck

Verfasst: 15.11.2015 16:15
von Blattspitze
Welch vernichtende Kritik!
Auf der Website des Museums unter "Geschichtsvermittlung" hört sich das aber total anders an:
"... Das Europäische Hansemuseum erweitert dieses Feld der Vermittlung anhand von Originalobjekten durch Inszenierungen. Auf wissenschaftlicher Grundlage werden Augenblicksaufnahmen aus ausgewählten historischen Ereignissen in unmittelbar erfahrbare Rekonstruktionen überführt. Auf diese Weise entfaltet das Museum das kreative Potenzial, das auch das Medium des Textes – ob Prosa oder Geschichtsschreibung – entfalten kann. Die Rekonstruktion wird zum Exponat. Die Distanz zu den Besucherinnen und Besuchern wird aufgebrochen. In einer interpretierenden Inszenierung geht die Faszination von der gesamten Szene aus. Es ist eine dichte Beschreibung, die zugleich intellektuell und sinnlich erfahren wird. Auf originale Exponate wird nicht verzichtet. ..."
http://www.hansemuseum.eu/forschung/ges ... rmittlung/
Zu den vergessenen Kindern: Das Museum liegt im Trend, es bekommt ja kaum noch jemand Kinder hier (Feiglinge!!!).
Gruß an alle Großväter in spe ...

Re: Hansemuseum Lübeck

Verfasst: 16.11.2015 10:13
von Turms Kreutzfeldt
Wegen der Zeitstellung hatte ich mich ja nicht getraut, den Link zu meiner Kritik in der Ottonenzeit zu setzen. Auch ich war dort, Ulfr, und meine Eindruck war nicht viel besser als Deiner, ausführlich hier zu lesen:
http://blog.ottonenzeit.de/archives/1240

zusammengefaßt: Du kommst raus und was hast Du über die Hanse erfahren? – Äääh?! – Genau! – Schade.

Euer Turms

P.S.: ich habe hinterher sogar Post von den Ausstellungsmachern bekommen:

Sehr geehrter Herr Kreutzfeldt,

haben Sie vielen Dank für die Zusendung des Links zu dem Artikel auf Ihrem Blog. Wir danken Ihnen für die ausführliche Berichterstattung, auch wenn wir es bedauerlich finden, dass Ihnen das Konzept zur Erläuterung der Hansegeschichte nicht völlig zugesagt hat.
Derzeit finden noch einige Umstrukturierungen statt; vielleicht dürfen wir Sie ja zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal als Besucher begrüßen, damit Sie einen neuen Blick auf die Ausstellung werfen können.

Mit freundlichen Grüßen aus Lübeck
Meino Hauschildt

Re: Hansemuseum Lübeck

Verfasst: 16.11.2015 10:57
von ulfr
Das trifft es ganz gut, Turmsi, danke für Deine Einschätzung.

"Vernichten" wollte ich mitnichten, Blattspitze, wobei ich mir sicher und bewusst bin, dass mein Blick durch eine deformation professionelle getrübt ist - wer selbst Museen einrichtet, sieht die Werke Anderer durch eine spezielle Brille ... aber auch meine BegleiterInnen, die in dieser Hinsicht nicht vorbelastet sind, kamen zu ganz ähnlichen Schlüssen.

Da man sich im Museum selbst nicht per Gästebuch äußern kann (hsqmyp!), werde ich mich auch per mail an die Leitung wenden. An der Kasse hieß es immerhin schon: "Danke für Ihre kritischen Anmerkungen, wir arbeiten derzeit an einer Führung für Kinder ..."

Re: Hansemuseum Lübeck

Verfasst: 17.11.2015 21:44
von Bullenwächter
Die meisten Museumsneubauten gefallen mir nicht, weil sie allesamt auf den Besucher wenig einladend wirken, so auch das Hansemuseum. Man muss einen schmalen dunklen Treppenschacht hochsteigen, von dem dann seitlich den Eingang abgeht.
Aus meiner Sicht ist die Ausstellung zu Multimedialastig, es werden zu wenige Originale gezeigt. Positiv sind mir die vielen qualitativ hochwertigen Rekonstruktionen aufgefallen.

Ein anderes Negativbeispiel ist das vorarlberg museum in Bregenz, ein großer weiß gestrichener Betonklotz dessen Fassade mit abgeformten PET-Flaschenböden verziert ist und eine verspiegelte Glasfront mit dem Eingang hat, wo man sich davorstehend fragt, ob man hier überhaupt wilkommen ist.....

Bild

Fassadendekorationselemente:
Bild

Re: Hansemuseum Lübeck

Verfasst: 18.11.2015 09:29
von Turms Kreutzfeldt
Das stimmt, Bullenw., der Eingangsbereich des Hansemuseums ist katastrophal. Von einer Schwelle kann man da gar nicht mehr reden. Das ist entweder eine Treppenpilgerfahrt oder eine längere Fahrstuhlfahrt mit nachträglicher Desorientierung. Und ziemlich abweisend !

erstürmte jede Treppe, Euer Turms

Re: Hansemuseum Lübeck

Verfasst: 18.11.2015 12:17
von Blattspitze
Dabei soll die Erschließungstreppe doch ein Zitat sein:
"Eine Treppe am Museumsvorplatz dient als zentraler Zugang zum Neubau wie auch als Durchgang zum Burgkloster und dem oberhalb des Neubaus gelegen Museumsareal. Sie durchsticht das Museumsgebäude in der Mitte und ist in ihrer Gestalt an die aus dem 12. Jahrhundert stammende Treppe an der Kleinen Altefähre angelehnt."
http://www.hansemuseum.eu/architektur/haupthaus/
Kleine Altefähre in Lübeck:
Bild
https://de.wikipedia.org/wiki/Burgtreppe

Ich kenne das Museum selbst noch nicht, von außen gefällt mir die Architektur gut, ich mag Backstein. Hier die (Selbst-) Darstellung der Architekten:
http://andreas-heller.de/europaeisches-hansemuseum/
Ein Blick in die Ausstellung:
http://andreas-heller.de/ausstellung-im ... nsemuseum/

Re: Hansemuseum Lübeck

Verfasst: 18.11.2015 13:54
von Turms Kreutzfeldt
Diese Treppe ist nicht gemeint, Blattspitze, die gab es schon als ich noch jung und hübsch und der Schrecken aller Lübecker Honoratioren war ...
Bullenwächter und ich meinen die Treppe, die neu vom Hafen hochgeht und direkt ins Museum führt...
Diese hier:
http://andreas-heller.de/wp-content/upl ... treppe.jpg

wobei interessant ist, wie Bullenwächter und ich die Treppe in Erinnerung haben und wie sie hier vom Architekten grandios fotografiert worden ist, hell und hinauf ins Licht...
So kann Wahrnehmung unterschiedlich sein.

Küsste auf der Treppe seine schöne Nette, Euer Turms

Re: Hansemuseum Lübeck

Verfasst: 18.11.2015 14:10
von Blattspitze
Hey Turms, is` klar, genau diese alte Treppe will der Architekt ja nach eigener Aussage mit der Museums-Zugangstreppe zitiert haben. Aber Du hast Dich offensichtlich beim Betreten des Museums nicht an den Kuss Deiner Schönen erinnert ...

Re: Hansemuseum Lübeck

Verfasst: 18.11.2015 14:19
von Turms Kreutzfeldt
oki, jetzt habe ich Dich verstanden. Architektonisch ein Zitat, gefühlsmäßig nicht. Allerdings kann der Eindruck ein ganz anderer sein, wenn man von oben die Treppe herunterkommt, hinter dem Eingang verliert sich der düstere Eindruck etwas...

Turms, mit Marzipan im Blut

Re: Hansemuseum Lübeck

Verfasst: 18.11.2015 20:52
von Bullenwächter
Die Bilder der Ausstellung im Link zum Architekturbüro sind stark überbelichtet und geben (außer dem Bild unten rechts) nicht die Situation wider die man als Besucher vorfindet, auch nicht, nachdem man seine Augen eine halbe Stunde an die Dunkelheit anpasst hat. Das gleiche trifft auf die Treppe zu. In dem Raum mit den Kaufmannständen wurden zur Verbesserung der Beleuchtungssituation nachträglich Fotolampen auf Stativen aufgestellt, die im Gesamtkonzept mehr als deplatziert wirken und die eigentlich stimmige Atmosphäre des Raumes mit seinen qualitativ wirklich hochwertigen Rekonstruktionen erheblich stören.

Schlimm ist, dass von dem reichen Fundbestand aus den Lübecker Stadtgrabungen so gut wie nichts mehr gezeigt wird.

Re: Hansemuseum Lübeck

Verfasst: 21.11.2015 19:27
von Medusa
Danke für Eure Besuchsberichte zu dem Hansemuseum, denn ich wollte es mir auch ansehen, was ich trotzdem machen werde, aber so bin ich jetzt wenigstens vorbereitet, was mich erwartet.