Ich habe ihn gesehen: "Der Mann aus dem Eis". Vorgestern war Premiere beim Hamburger Filmfest, neben den üblichen Reichen und Schönen waren auch da: Regisseur Felix Randau, Jürgen Vogel und andere Darsteller. Nach Wikipedia (
https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Mann_aus_dem_Eis) wurde der Film mit knapp 1,6 Mio öffentlicher Gelder gefördert. Deutschland Start in den Kinos wird am 30.11. sein.
Eine echte Filmkritik kann und will ich hier natürlich nicht leisten, unten hänge ich entsprechende links an. Fazit: Ich habe mich überwiegend gut unterhalten gefühlt, Jürgen Vogel ist klasse. Einiges hat mir gefallen, vieles nicht. Spoiler: Er stirbt am Schluß! Ein Abenteurfilm mit viel Naturaufnahmen, etwas Sex und sehr viel Gewalt, die südtiroler Antwort auf "The Revenant". Ötzi heißt Kaleb und wird als religiöses Oberhaupt der kleinen Dorfgemeinschaft, als Vater, Ehemann, Jäger und rächender Krieger gezeigt, nicht direkt als Bauer oder Viehzüchter.
Als semi-professioneller Steinzeit - Sachkundiger (oder sich bloß dafür haltender), kann ich so einen Film selbstverständlich nicht unvoreingenommen sehen, ähnlich wie vielleicht ein Kriminalkommissar sich über Tatort-Krimis besonders kritisch wahlweise ärgert oder kaputtlacht. Das übrige Publikum und auch die Macher im anschließenden Gespräch (ohne Publikums-Mitsprache) auf der Bühne waren sich jedenfalls einig: Der Film sei der erste Ötzi-Spielfilm (ist falsch!), "ganz nah dran" an der echten Steinzeit, auch wenn das erzählte Drama natürlich frei erfunden ist. Man habe zuvor mit vielen Wissenschaftlern gesprochen, Linguisten haben z.B. ein Ur-Rätisch als Sprache "rekonstruiert" (eigentlich: reduziert).
Dieser Film wird also das Bild der Jungstein- / bzw. Kupferzeit in den Köpfen stärker prägen, als Museen es könnten. Welcher Eindruck mag danach bleiben?
Die "Steinzeit" (Kupfer erkennt nur der Eingeweihte am Beil, ist ansonsten überhaupt kein Thema im Film) war also gewalttätig und man hatte immer ein schmutziges Gesicht, es wurde nicht gelacht, kaum gelächelt und wenig leckeres gegessen. Angesichts der vielfach in die Presse gelangten Meldungen von spektakulären Befunden neolithischer Massaker (z.B. Talheim, Eulau, Herxheim) und nicht zuletzt des Ötzi-Fundes selbst kann man dem Gewalteindruck wenig entgegensetzen.
Jürgen Vogel fand ich in der Rolle gut. Die Ausstattung hat mir dagegen nur zum Teil gefallen. Ötzi-artige Leggings z.B. habe ich nicht erkennen können, stattdessen gibts mehrfach gewebte Hosen und Oberbekleidung. Es kommt auch kurz ein Webrahmen vor. Einmal schnitzt Kaleb wie mit einem Metallmesser? Neolithische Knochenflöten? Beinerne Speerspitzen mit Mikroklingen? Die halbfertige Schießausrüstung des Originalfundes kommt auch nicht vor. Die Schießereien mit Pfeil und Bogen waren z.T. gut gemacht, aber das lange Halten der gespannten Bogen fiel mal wieder negativ auf. Es gibt sogar eine Szene, wo er hinter einem Felsblock unter Pfeilbeschuß steht, die wie eine übliche Actionfilm-Feuerwaffen-Schießerei adaptiert ist.
Was hat mich genervt? Hauswände und Türen werden wie eine Karikatur so käfigartig löchrig gezeigt, dass es im Winter zu Schneewehen im Bett gekommen sein muss. Da offensichtlich der Kamm noch nicht bis nach Südtirol vorgedrungen war und Haareschneiden aus religiösen oder sonstigen Gründen ausfiel haben fast alle Darsteller offene, extrem lange und intensiv verfilzte Haare, z.T. sogar Dreadlock-mäßig. Dies verstärkte für mich den ständigen Eindruck von Schmutzigkeit. Aber das kennt man ja von "Naturvölkern", die Wilden sind ja immer schmutzig und habe strubbelige offene Haare. Oder etwa nicht? In diesem Zusammenhang finde ich es hochinteressant, auf das ganz andere und häufig romantisierende Bild der gepflegten, sauberen und eitel geschmückten nordamerikanischen Indianer in zahlreichen Filmen hinzuweisen.
Wenn Kaleb während seines Rachefeldzuges durch Wald, Flur und Täler läuft, hört man jeden Schritt so laut, als ob ein ungeschickter Elefant laut durchs Gebüsch bricht. Spuren lesen bei der Verfolgungsjagd gibt es auch kaum, lediglich an einem Knochen wird gerochen und die Kälte eines verloschenen Feuers erfühlt.
Gegen Filmende schien das Geld auszugehen, die Unterkunft bzw. das Dorf der Bösen besteht mitten im mächtigen Nadelwald aus einem fast leeren Zelt aus Tierfellen, von Nahrungsmitteln, Haustieren oder Feldern keine Spur. Überhaupt fehlten mir Hunde im Film.
Religiösität wird entsprechend des konsumistischen Bewußtseins des Jetztmenschens inszeniert: Als alles verloren ist, wird der zuvor verehrte heilige Fetisch aufgrund seiner erwiesenen Nutzlosigkeit am Schluß weggeworfen.
Ich hätte natürlich einen viel besseren Film gemacht, ähem, hüstel ...
Kritiken:
http://www.filmstarts.de/kritiken/246958/kritik.html
http://variety.com/2017/film/reviews/ic ... 202523730/
http://www.hollywoodreporter.com/review ... is-1028784