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Sprossenhaue aus Olzreute-Enzisholz
Verfasst: 07.01.2017 16:21
von Blattspitze
Sehr schöne Funde aus dem Landkreis Biberach, unter anderem Wagenteile und eine sehr gut erhaltene Sprossenhaue:
Quelle und mehr Infos:
http://www.archaeologie-online.de/magaz ... ens-40781/
Re: Sprossenhaue aus Olzreute-Enzisholz
Verfasst: 07.01.2017 17:51
von Trebron
Da bin ich mal gespannt, ob da "Arbeitsspuren" an der Spitze gefunden werden ! Der lange obere Überstand mit der halbrunden Aussparung sind Interessant.
Die Schräge am oberen Ende hat annähernd den gleichen Winkel wie die Sprosse.
Schaut auch so aus, als wäre die quer verstiftet.
Re: Sprossenhaue aus Olzreute-Enzisholz
Verfasst: 08.01.2017 14:36
von Basti
Und wer hat`s gefunden
.
Ach und die Achse übrigens auch.
Re: Sprossenhaue aus Olzreute-Enzisholz
Verfasst: 08.01.2017 14:58
von Knochen
Hab natürlich auch einen Blick auf die Sprossenhaue werfen können
Gebrauchsspuren, außer einem stärkeren Ausbruch, waren auf den ersten Blick kaum welche zu erkennen. Wird wahrscheinlich auch schwierig bleiben, da die ganze Geweihsprosse komplett poliert ist.
Ob die Sprosse mit einem Stift fixiert wurde, konnte man so nicht klar erkennen. M.E. ist das erkennbare halbe Loch eher durch das Ausbrechen des Holzes bei der Bergung entstanden.
Leider ist der Schaft unten abgebrochen, sonst hätten wir jetzt die einzig komplett erhaltene und bekannte Sprossenhaue
Die Achse fand sich übrigens gerade mal 5m vom Fundort des anderen Achsenteiles.
lg Anja
Re: Sprossenhaue aus Olzreute-Enzisholz
Verfasst: 08.01.2017 15:17
von AxtimWalde
Nach dem ersten Betrachten des Bildes kamen mir Zweifel auf, ob es sich wirkliche um eine „Haue“ oder „Hacke“ handeln kann. Ich habe das Bild herauskopiert und erheblich vergrößert. Meine Zweifel an der Nomenklatur wurden jetzt noch stärker. Gegen ein solches Gerät spricht der erheblich lange „Kopf“, also die Schaftpartie oberhalb des Schäftungsloches. Wie bereits in einem anderen Beitrag erwähnt können diese Partien erheblich den Arbeitseinsatz einschränken. Weiterhin ermöglicht diese Ausformung nur eine recht flache Führung des Gerätes. Entsprechend ist es nicht gerade ergonomisch gut einsetzbar. Das Schaftende scheint mit einer tieferen Nut ausgeführt worden zu sein. Für eine Handhabe recht ungewöhnlich. Die scharfen Kanten der Nut würden sich bei längerem Gebrauch in die Hände einarbeiten.
Der Hauptgrund meiner Zweifel liegt in der Schäftungsweise der Sprosse selbst. Die Sprosse ist konisch und hier von hinten eingeschäftet. Schlage ich mit diesem Gerät auf einen festen Gegenstand ein, fliegt die Sprosse nicht nur nach hinten heraus, sondern auch dem Arbeitenden um die Ohren. Vielleicht hat Treborn recht und es gab einen Haltestift, leider ist diese Partie so schlecht erhalten um es auf dem Foto zu erkennen, aber dann würde die gesamte Kraft auf den Stift übergehen. Er würde über Kurz oder Lang durch Materialermüdung brechen. Zu dieser Zeit hatte man schon genügend Erfahrung gesammelt, wie schlagende Instrumente geschäftet werden müssen, um lange zu halten. Eine Haue so zu konstruieren, widerspricht jeder Erfahrung und Logik.
Die Hauptbelastungskraft scheint parallel zum Schaft zu verlaufen. Es mag sein, das die Sprosse eine hakende Funktion gehabt haben könnte. Geht man davon aus, dass auch das Holz eine Prämierfunktion inne hatte, fragt man sich, wozu diese Einkerbung oberhalb der Sprosse und die Nut am unteren Ende gedient haben kann. Ich kann mir vorstellen, das dieses Gerät nur ein Teil eines größeren Ganze war.
LG
Kai
Re: Sprossenhaue aus Olzreute-Enzisholz
Verfasst: 08.01.2017 15:33
von Knochen
der Name "Sprossenhaue" hat , wie AxtimWalde schon richtig angemerkt hat, wahrscheinlich nichts mit der wirklichen Funktion des Werkzeuges zu tun. Allerdings gilt das ja für die meisten typologischen Begriffe. Der Begriff dient hier eigentlich nur zur genauen Zuordnung.
Das schönste Beispiel für die Fehlbenennungen der Funde in der Archäologie ist für mich immer noch "Massiver Knochenmeissel"
. Hat schon mal jemand versucht mit einem Knochenwerkzeug, alles außer Kalkstein zu bearbeiten. Wenn ja, kann er nicht weit gekommen sein
Von der Funktionsweise gehen wir auch eher von einer leicht hackenden bis eher ziehenden Bewegung aus.
AxtimWalde hat geschrieben:Vielleicht hat Treborn recht und es gab einen Haltestift, leider ist diese Partie so schlecht erhalten um es auf dem Foto zu erkennen, aber dann würde die gesamte Kraft auf den Stift übergehen.
Wie gesagt, ich konnte keinen Stift erkennen und das Loch ist wohl eher eine rezente Bruchstelle.
Das Foto täuscht zudem die Nut vor. Der Schaft ist wunderbar leicht rechteckig-oval gearbeitet, da stört nix beim längeren Arbeiten.
AxtimWalde hat geschrieben:Einkerbung oberhalb der Sprosse
Das ist keine Einkerbung, sondern eine Druckstelle, verursacht durch ein anderes Holz. Hab das Teil im Original gesehen und kann das definitiv sagen
Über die Funktion der "Sprossenhauen" scheiden sich ja eh die Geister. Die einen sehens gern als Waffe an und die anderen eher als profanes Gerät. Man müsste es hald mal Ausprobieren und dann die Spuren vergleichen. Wobei das mit der Waffe schwieriger sein könnte
Fröhliche Grüße,
Anja
Re: Sprossenhaue aus Olzreute-Enzisholz
Verfasst: 08.01.2017 17:02
von Basti
Die Delle oberhalb der Sprosse stammt von einer rezenten Wurzel, die im Vorfeld weggeschnitten wurde. Der gesamte Schnitt war leider ziemlich mit rezenten Wurzeln durchsetzt. Im unmittelbaren Bereich der Sprosse ging auch eine kleine Wurzel durch den Holm selbst.
Ob ein Haltestift vorhanden ist/war, kann ich - wie Knochen auch - zum jetztigen Zeitpunkt nicht sagen. Der Holm ist dort ziemlich stark fragmentiert und außerdem liegt genau an der Stelle noch etwas Sediment. Aufgrund der extremen Fragilität ist das Artefakt selbst nach der Bergung (noch) nicht gereinigt worden. Nach der Reinigung wissen wir mehr, denn wenn ein Haltestift vorhanden ist/war, muss ein Loch in der Sprosse sein.
Michael Kaiser hat irgendwann einmal einen Aufsatz über Geweihsprossenhauen geschrieben. Dort sind noch weitere Beispiele. Viele davon besitzen einen Haltestift. Der Artikel ist auf academia.edu zu finden.
Viele Grüße
Basti
Re: Sprossenhaue aus Olzreute-Enzisholz
Verfasst: 08.01.2017 19:03
von Blattspitze
Basti, Glückwunsch zu diesen schönen Funden!
Es gibt, wie schon von Basti erwähnt, von Michael Kaiser in "Experimentelle Archäologie in Europa Bilanz 2002", S. 7-33 einen sehr guten Artikel: "Die funktionale Deutung der spätneolithischen Sprossenhauen Europas".
http://www.academia.edu/15367785/Michae ... _2002_7-33
Er stellt Originale vor (aus Lüscherz gibts eine komplette) und hat verschiedene Versuche mit Repliken gemacht. Fazit: Eher schlecht für die Arbeit auf dem Acker aber gute Waffeneignung. Funde von "gelochten" Schädeln mit noch darin steckenden Sprossenhauenspitzen machen die Waffenfunktion zusammen mit ihrem Vorkommen als Grabbeigabe in Männergräbern sehr wahrscheinlich.
Re: Sprossenhaue aus Olzreute-Enzisholz
Verfasst: 08.01.2017 19:18
von Trebron
Genau den Aufsatz von Michael habe ich von ihm persönlich mal erhalten, als ich mich auf Grund eines Themas hier im Forum dafür interessierte und habe nach seinen Beschreibungen 2 "Sprossenhauen" gebaut, eine in den Holm eingesetzte und eine verstiftet.
https://www.flickr.com/photos/35588839@ ... ed-public/
Bild Nr. DSC 2757 auf Seite 2, oben rechts im Bild.
Altes Thema hier:
http://www.archaeoforum.de/viewtopic.ph ... rossenhaue
und
http://www.archaeoforum.de/viewtopic.ph ... rossenhaue
Beitrag Nr. 9
Vielleicht waren unsere Hauen auch nur die Vorläufer von dem :
http://www.thearma.org/spotlight/NotesL ... HKHU1xVM2w
und
https://www.youtube.com/watch?v=aBUXcoCbR7U
Re: Sprossenhaue aus Olzreute-Enzisholz
Verfasst: 09.01.2017 09:42
von Knochen
Blattspitze hat geschrieben: Fazit: Eher schlecht für die Arbeit auf dem Acker aber gute Waffeneignung. Funde von "gelochten" Schädeln mit noch darin steckenden Sprossenhauenspitzen machen die Waffenfunktion zusammen mit ihrem Vorkommen als Grabbeigabe in Männergräbern sehr wahrscheinlich.
Es wundert mich nicht, das Michael bei der Ackerarbeit mit den Sprossenhauen mit dem Winkel Probleme hat, schließlich setzt er beispielsweise seine Fällkerbe 20-30cm höher an als ich. Was mit einer Größe von 2m ja normal ist. Für mich lässt sich dieses Argument nicht halten. Außerdem konnten sich die Gebrauchsspuren von Erde an dem Geweih von Michael nicht "natürlich" entwickeln, sondern wurden durch einreiben gebildet, zudem mit Löss. Meiner Erfahrung nach entsteht so eine Gebrauchsspur, die nichts mit der natürlichen zu tun hat und das ganze verfälscht.
Das Sprossenhauen auch als Waffen genutzt wurden, lässt sich aufgrund der noch im Schädel steckenden abgebrochenen Spitzen nicht wegdiskutieren, allerdings bin ich mir nicht sicher, ob man die Sprossenhauen nicht räumlich trennen müsste. Nach meiner Recherche finden sich die Sprossenhauen im Norden hauptsächlich in Gräbern, wogegen es sich bei den südlichen ausschließlich um Siedlungsfunde handelt.
Die Spitze der Haue aus Olzreute ist abgebrochen, der Bruch soweit ich ihn sehen konnte (konnte das Teil natürlich nicht in alle Richtungen drehen) spricht für eine starke Beanspruchung und auf eine Zugbelastung.
Ich werde mir auf alle Fälle noch eine bauen und in unserem Gemüsegarten ausprobieren. Bin schließlich etwas kleiner als Michael, da könnte der Winkel schon besser passen
lg Anja
So weit mein Senf dazu