Aaah, und Edith sagt noch:
Hallo, Steinuli,
in diesem Forum ist es üblich, sich zuerst mal hier vorzustellen:
http://www.archaeoforum.de/viewforum.php?f=3
Danke!
Nun zu Deinem Post:
steinuli hat geschrieben:Natürlich tragen wir bei jedem Experiment ausschließlich selbst hergestellte steinzeitliche Kleidung und essen 2 Wochen vorher nur mit Pfeil und Bogen selbstgeschossene Rehe.
Ich hoffe, nicht, denn dann kommt Ihr vor lauter Gerben und Nähen nicht zum Bierbrauen, wenn Ihr nicht vorher wegen Wilderei einfahrt
steinuli hat geschrieben:Was bitte ist Dein Anspruch an ein Experiment? Hätte der von Dir zitierte Daniel Richter keine elektrischen Öfen für seine Steinglühexperimente nutzen dürfen?
Zum Wesen und zu den Standards eines archäologischen Experiments und die Ansprüche, die daran gestellt werden (sollten) gibt es mittlerweile viele kluge Seiten in vielen Büchern (guxtu hier
http://www.archaeoforum.de/viewtopic.ph ... gie#p55797), Stichworte Kelterborn, Reynolds, Richter und v.a.m.
Es geht überhaupt nicht darum, bei Brauexperimenten im Baströckchen rumzuspringen oder sich den Magen mit zuviel Wild zu verderben, sondern meine erste Überlegung in diesem konkreten Fall wäre: Ohne irgendeine Art von Gefäß komme ich nicht aus. Wo sind die mesolithischen Bottiche? ... Ich weiß, "The absence of evidence usw.", und ich habe sicher nicht alles zum Mesolithikum gelesen, aber mir sind keine Bottiche o.ä. aus dieser Periode bekannt außer den "Tranlampen" aus dem Ertebølle. Mein erster Versuch wäre also gewesen, eine Alternative bzw. eine Möglichkeit zu finden, größere Mengen Flüssigkeit in einem akeramischen Gefäß zu erhitzen, anstatt Schritt eins tapfer zu überspringen und Metalleimer zu verwenden.
Wenn ich ein Steinzeithaus baue, renne ich auch nicht mit dem Fichtenmoped in den nächsten Wald, fälle 500 Eichen, bearbeite sie mit Stahlbeilen, -dechseln und -beiteln und baue mir einen 5-stöckigen 15 m hohen Turm auf irgendeinem 4-Pfosten-Grundriss, weil das so schön geht und die Römer das auch gemacht haben. Sondern ich hole mir einen passenden Stein, picke und schleife mir eine Beilklinge, schäfte diese (Holm und Schäftungsloch mit Steinbeil und Knochenbeitel, aber in Zimmermannsbüx und mit Sicherheitsschuhen), mach damit ein paar Eichen um, bearbeite diese weiter - Stichwort "Ergersheim", und dann bin ich, was das zukünftige Aussehen meines Hauses angeht, schon mal viel weiter, weil schon mein (mehr oder weniger authentisches) Werkzeug mich einschränkt.
Richter hat sowohl Brennofen als auch Feuerstelle verwendet, und natürlich darf er das, er sollte es sogar, denn so kann er die unkontrollierten Brennversuche mit den kontrollierten vergleichen - wo bitte ist das Problem? Konkreter Fund, konkrete Frage, mach ma ...
steinuli hat geschrieben:Da hast Du die Fragestellung mißverstanden. Bei unserem Steinglühexperiment ging es nicht darum nachzuweisen, daß es Kochsteine gibt. Sondern: Welche der um das Haspelmoor tatsächlich vorkommenden Steine eignen sich als Kochsteine? Da hilft kein Bücherlesen - da muß man einfach die Steine der Reihe nach durchprobieren.
Das sieht man auch am Artikel von Daniel Richter: Die von ihm verwendeten Kalksteine hielten Temperaturen stand, die in einem Lagerfeuer nicht zu erreichen sind. Der bei uns vorkommende Kalkstein explodiert bereits bei 400°C in geradezu gefährlicher Weise.
Temperaturen von 850 - 900 C° in mesolithischen Feuerstellen sind kein Thema (Groenendijk & Smit 1990, Bücher sind schon was tolles ...
)
steinuli hat geschrieben:Anne Scheer hat mit Kochsteinen nicht dokumentierten Gewichts Wasser erwärmt. Das ist schlecht reproduzierbar dokumentiert. Wir konnten immerhin nachweisen: Wieviele Kilo Steine muß ich erwärmen um einen Liter Wasser zum Kochen zu bringen unter steinzeitlichen Bedingungen? Und wir konnten zeigen, daß die übliche physikalische Formel tatsächlich weitgehend angewandt werden kann (obwohl die Randparameter der Formel (lange Liegezeit der Steine im Wasser, vollständige Isolierung des Gefäßes etc.) in der steinzeitlichen Braupraxis nicht eingehalten werden können). Damit haben wir doch einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn gegenüber Anne Scheers Experiment beitragen können, oder?
Ja, danke, werd´s ausrichten. Kann sein, dass ich die Fragestellung missverstanden habe, aber auch hier gilt: erst A), dann B) usw. Es nützt mir nichts, wenn ich weiß, welche Steine sich eignen, wenn ich kein Gefäß habe, wo ich die Steine reinfülle. Und mal ganz aktualistisch: Bier aus´m Felltopf? Ich hab einmal Brühe draus getrunken - schmeckt wie Knüppel aufn Kopp. Dann schon lieber Spuckebier.
Wir sind mittlerweile mit dem Fellkochtopf auch schon viel weiter, weil wir unzählige Male darin gekocht haben. Anne hat ihren Versuch 1995 durchgeführt, da konnte die ExpArch (zumindest in Deutschland) mal gerade eben erst richtig laufen ... Zu Recht gab es zu diesem Zeitpunkt denn auch eine gründliche Methodenkritik (s.o.).
Ich glaube auch nicht, dass man hier eine allgemeingültige Formel für steinzeitliches Wasserkochen in Fellbeuteln/Gruben aufstellen kann/sollte, weil es viel zu viele Parameter gibt, die sich der genauen Dokumentation entziehen.
Gegenfrage: habt Ihr überhaupt Kochsteine im Fundmaterial vom Haspelmoor? Definitive Kochsteine, also nachgewiesenermaßen in Brühe geschwommen?
Abschließend:
Bitte, nichts zu danken für die Literaturtipps, gern geschehen.
Rentiere gab es 6.000 v.Chr. in Bayern nicht mehr.
Ich bin nicht bei Fakebook und werde es auch nicht sein.
Und mich bitte nicht missverstehen: Ich habe nichts gegen Bierbrauversuche, auch nicht gegen Eures, im Gegenteil. Ich wäre nur mit der vorschnellen Bezeichnung "Experimentelle Archäologie" vorsichtig. Ich habe in den letzten 25 Jahren sehr viel zu den unterschiedlichsten Themen experimentiert, aber nur sehr wenig wirklich publiziert, weil meine "Ausprobiererei" in den meisten Fällen den gesetzten Standards (s.o.) nicht entsprach. Und selbst die Versuche, die den Namen verdienten, haben im Nachhall immer noch irgendwo eine Fehlstelle. Entweder habe ich vorher nicht gründlich genug recherchiert und dann doch wieder mal ein weiteres Rad erfunden, oder die fehlenden finanziellen Mittel/Zeit/Enthusiasmus ließen eine genauere Dokumentation nicht zu, oder die Mammute sind ausgestorben oder was weiß ich ... Es gibt - und da sind wir uns im Kollegenkreis einig - nur sehr, sehr wenige archäologische "Experimente", die diesen Namen auch wirklich verdienen.
In diesem Sinne: Prost!