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Bohrzapfen

Verfasst: 17.03.2018 15:10
von ulfr
Aus gegebenem Anlass gesucht: Wer hat Informationen über Bohrzapfen, also die Teile, die bei einer Hohlbohrung durch eine Steinklinge übrig bleiben? Kollege Thomas (War 2017 in Ergersheim dabei) macht sich Gedanken, ab welchem Bohrungsdurchmesser eine Hohlbohrung nicht mehr möglich und eine Vollbohrung quasi zwingend ist. Dazu sucht er die dünnsten Bohrzapfen, die gefunden wurden ...

Re: Bohrzapfen

Verfasst: 17.03.2018 17:16
von hugo
"Möglich" ist meines Erachtens die falsche Fragestellung. Sinnvoll gefiele mir. Traditionell-konservative "Hohlbohrer" können natürlich die Sinnhaftigkeit mit perfekter Technik unterlaufen.

:4:

Re: Bohrzapfen

Verfasst: 17.03.2018 18:05
von ulfr
Recht hast! Aktualistisch betrachtet ist die Hohlbohrung natürlich immer sinnvoller als die Vollbohrung. Spart Zeit, Sand, Holz und Muskelschmalz. Aber die Fragestellung ist eher technischer Natur. Wie sehen im archäologischen Befund die Zapfen aus, wie dünn sind sie minimal, und inwiefern lässt das auf verschiedene Bohrtechniken schließen?

Ich hoffe ja, dass Thomas seine Zugangsdaten wiederfindet und hier selbst mitdiskutieren kann ...

Im estischen Nationalmuseum sah ich letztes Jahr eine Steinklinge mit begonnener Bohrung von ca. 25 mm Durchmesser, und mittendrin blieb ein Zapfenrest von ca. 3 mm Dicke stehen. Die Bohrung wurde aber nach ca 3-4 mm Tiefe aufgegeben :7:
a) Entweder war der Holunder (?) sehr dickwandig
b) oder die Bohrung wurde als Vollbohrung angelegt, vielleicht mit Hasel (gibts dort oben eher als sambucus), und der stehengeblieben Zapfenrest repräsentiert das Mark des Bohrstocks ...?

Problem: Findet man als unvorbereiteter Ausgräber solch einen Zapfen (wenn denn der Bohrvorgang fortgeführt worden wäre), der womöglich auch noch in mehrere Teile zerbrochen ist?

Re: Bohrzapfen

Verfasst: 17.03.2018 19:03
von Sculpteur
Infos hab ich leider keine, aber macht da nicht auch ein entsprechendes Experiment Sinn? Ab einem bestimmten Durchmesser machen Hohlbohrungen keinen Sinn, weil der Kern beim Bohren ohnehin zerbröseln würde (abhängig vom Material). Wenn ich es richtig interpretiere, geht es um den Minimaldurchmesser, richtig?
Wie hier schon erwähnt wurde, ist alles sicherlich abhängig von der Kunst des Könnens, wird aber quasi vorgegeben durch die Mindestanforderungen eines Stiels in Korrelation zur geplanten Nutzung und der dafür notwendigen Dicke des Stiels (und damit Haltbarkeit).
Wurden eigentlich auch mal Funde gemacht, die auf den Einsatz von Bambus als Bohrermaterial schließen lassen, oder bezieht sich die Nachfrage nur auf eine bestimmte, in Frage kommende Region?
Grüße, Sculpteur

Re: Bohrzapfen

Verfasst: 17.03.2018 19:34
von Trebron
Hi zusammen:-) ich habe ja mit Thomas ständigen Kontakt und wwir haben die Möglichkeit bekommen, in einem Heimatmuseum mit etlichen angebohrten Klingen und vielen gefundenen Bohrzapfen eine Doku der Teile zu machen. Natürlich auch mit Bildern.
Ich kenne das Museum, ich habe dort eine meiner ersten Ausstellungen gemacht und war beeindruckt von der Vielzahl der dort gefundenen Bohrkerne.

Vielleicht können wir die Daten in Ergersheim schon präsentieren.

:mammut2:

Re: Bohrzapfen

Verfasst: 18.03.2018 01:01
von wagrier
Moin,
Bohrkerne habe ich vor einigen Jahren Hergestellt und einiges darüber hier deponiert.

http://www.steinharteknochenarbeit.de/

HG Manfred

Re: Bohrzapfen

Verfasst: 19.03.2018 20:06
von enrohs
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Hallo,
ich kann hier auch zwei Eigenfunde zeigen.
Der Bohrkern ist mit 1,2 - 1,4 mm für meine Begriffe recht dünn. Das angebohrte Stück zeigt, dass der Bohrer sehr dünnwandig ist. Wenn man bei Holunderzweigen dieser Stärke (2 - 3 cm) den Markkanal entfernt, ist die Wandung wesentlich stärker, habe ich beobachtet. Je dicker der Stab, desto kleiner der Markkanal, desto dünner also der entstehende Kern.
Hat man anderen Holunder zur Verfügung gehabt, oder etwas anderes verwendet? Oder den Stab noch aufgebohrt? Womit? Ich habe es versucht und bin gescheitert.
Was sagen die Experimentalarchäologen dazu? Es wurde doch schon hohlgebohrt.

Viele Grüße

Sven

Re: Bohrzapfen

Verfasst: 20.03.2018 07:33
von Sculpteur
Hallo Enrohs,
Du kannst folgendes ausprobieren, vielleicht klappt es ja (für diese Technik kenne ich allerdings keinen Nachweis):

Stein um ein paar Millimeter anbohren, bis der Bohrkopf eine präzise Führung im Bohrloch hat und beim Bohren nicht mehr abrutschen kann. Bohrer dann entnehmen, der Länge nach aufgespalten, Markröhre auskratzen, Bohrerhälften wieder zusammensetzen und an mehreren geeigneten Stellen fest umwickeln und somit zueinander fixieren. Bohrer wieder in das vorgebohrte Loch setzen und weiter bohren. Das müsste funktionieren, wenn der Druck auf den Bohrer stimmt. Ich bin allerdings noch nicht dazu gekommen, diese Technik auszuprobieren.
Ein Bohrversuch vor vielen Jahren mit Bambus an einem (vermutlich) Quarzit hat vom Prinzip her funktioniert, hat sich aber als sehr zäh erwiesen. Ein richtiger Kern ist dabei nicht entstanden. Bambus würde regionaltechnisch vermutlich auch nicht passen.

Zum Ausstechen der Markröhre bei Hollunder und Hasel würden mir stabile Dornen oder nadelartige Knochenspitzen als Möglichkeit einfallen. Das funktioniert aber möglicherweise, je nach Qualität des Holzes nur begrenzt. Ich denke, entscheidend ist auch die Auswahl der richtigen und passend gewachsenen Hölzer.

Weiterhin viel Erfolg!

Grüße, Sculpteur

Re: Bohrzapfen

Verfasst: 20.03.2018 08:21
von Blattspitze
Ist es nicht sowieso einfacher, um einen zentralen Bohrstab herum dünne Stäbe eines sehr harten Holzes herum zu befestigen? Die lassen sich immer wieder einfach austauschen und erlauben eine "Normierung" während des Durchschleifen?

Re: Bohrzapfen

Verfasst: 20.03.2018 08:25
von enrohs
Blattspitze hat geschrieben:Ist es nicht sowieso einfacher, um einen zentralen Bohrstab herum dünne Stäbe eines sehr harten Holzes herum zu befestigen? Die lassen sich immer wieder einfach austauschen und erlauben eine "Normierung" während des Durchschleifen?
Das halte ich für eine sehr gute Idee!

Re: Bohrzapfen

Verfasst: 20.03.2018 10:34
von Sculpteur
@Blattspitze: Du meinst eine Art mehrteilige Bohrkrone? Durchaus interessanter Gedanke, der zu erproben wäre, wobei weiche Hölzer möhlicherweise einen besseren Effekt erzielen, als sehr harte. Der Vorteil einer solchen Methode wäre, dass die gewickelten Bohrkerne nachgerückt werden können. Auch würde solch eine Konstruktion aufgrund der entstehenden Zwischenräume theoretisch mehr abrasives Material bei den Bohrkopfumdrehungen transportieren.
Die Schwierigkeit wird sein, die Stäbe so fest am Kernstab zu befestigen, dass genug Druck auf sie ausgeübt werden kann, ohne dass sie durchrutschen, wodurch Kraft verloren gehen würde.
Normierung macht auf jeden Fall Sinn. Es geht z.B. auch sehr gut (wenn man Bambus verwendet), Bohrköpfe aus Hasel oder Holunder in einen zweiteiligen, zuvor gespaltenen und wieder zusammengewickelten Bambusschaft einzufassen. So arbeitet man immer mit annähernd gleichen Bohrdurchmessern und benötigt für die Bohrer nur kurze Stücke Material. Auch hätte der Fidelbohrbogen so eine größere Umlaufstrecke um den Schaft, was zu höherer Umdrehungsgeschwindigkeit, bzw. kürzerer Fidelbohrbogenstrecke führt.
Auf gleiche Art und Weise ließen sich auch Bohrköpfe mit sehr kleinen Durchmessern z.B. in Holunder oder Hasel einfassen.
Grüße, Sculpteur

Re: Bohrzapfen

Verfasst: 20.03.2018 11:09
von ulfr
Schöne Fotos, Enrohs, danke. Aber die Längenangabe von 2,6 mm solltest Du noch mal überprüfen ... :D

Die Frage der Wandstärke von Holunderstäben hatten wir auch in Bad Dürkheim diskutiert. Die hängt sehr stark von den Wuchsbedingungen ab. Ich habe hier Hollersträucher, von denen ich Stäbe von 20 cm Länge (internodial, also zwischen den Astknoten) ernten konnte, die eine Wandstärke von nur 2 mm aufweisen. Brauchte ich für die Reko der Flöte von Hagnau. Die Sträucher wachsen unterständig nahe am Wasser.
Solche Stäbe, allerdings mit einer Wandstärke von 4 mm haben wir für den Bohrversuch in Tartu verwendet.
Über die von Blattspitze vorgeschlagene Technik hab ich noch gar nicht nachgedacht, das würde in Gegenden Sinn machen, wo kein Holunder wächst. Die Befestigung sollte kein Thema sein, nasse Sehne/Rohhaut rumgewickelt, evtl. noch mit Pech oder Fisch/Hautleim gesichert. Oder ähnlich wie ein Bohrfutter mit einem konischen Geweihring ...
Ausprobieren! (allerdings stapeln sich die "Ausprobieren!"-Fälle hier auf meinem Schreibtisch ...)

Re: Bohrzapfen

Verfasst: 20.03.2018 11:14
von Sculpteur
Ulfr, manchmal werde ich das Gefühl nicht los, dass Schreibtische ausschließlich zu diesem Zweck erfunden wurden...
:mammut2:

Re: Bohrzapfen

Verfasst: 20.03.2018 13:57
von wagrier
Moin in die Runde.
Ich würde immer wieder zum Holunder greifen, er ist ideal und immer verfügbar. Hartriegel und Hasel eignen sich auch, nur nutzen sie schneller ab und müssen aufgebohrt werden. Passende Holunder zu finden war für mich kein Problem, zudem kann bei Bedarf der Markkanal ohne Problem mit Flint auf den passenden Dm aufgebohrt werden.4-5cm tief sind kein Problem, danach kann weiter aufgebohrt werden. Ein 28mm tiefes Loch mit 13,8mm Dm in 8 Stunden "Fiedelarbeit" bei einer Abnutzung von nur 124,5mm vom Bohrholz kann sich doch sehen lassen, finde ich.Nähere Hinweise sind auf meiner HP zu finden, Link dazu in meinem letzten Beitrag oben. In den Gegenden wo kein Holunder vorkommt sind sicher geeignete Hölzer vorhanden.

HG Manfred

Re: Bohrzapfen

Verfasst: 20.03.2018 16:07
von ulfr
Genau, der Wagrier hat das alles schon hinter sich, und dem ist kaum noch was hinzuzufügen.
Doch Blattspitzes Idee reizt mich ...