One up to you, Hasi, deswegen hatte ich aber auch das "politisch" in Klammern gesetzt.
Mit der Anführung des Toqueville-Paradox hast Du sicher recht. Ich selbst habe eher linke WG´s daran zerbrechen sehen, dass trotz abendfüllender erbitterter Auseinandersetzungen nicht abschließend geklärt werden konnte, ob das Klopapier so in den Halter eingelegt wird, dass das Papier oben oder unten rauskommt.
Borniertheit ist keinesfalls auf den rechten Flügel beschränkt, und ganz unerträglich wird es, wenn etwas mit -ismus endet. Man kann auch als Linker aus einer Studentenkneipe in Marburg rausfliegen, weil man ein Hemd trägt, oder muss sich von Lallbacken, bei denen jeder zweite Satz die Worte "irgendwie, so, nä?" beinhaltet (und das "nä?" wird genäselt) als Fleischfaschist titulieren lassen, bloß weil man mal ne (Öko)bockwurst kauft.
Ich will hier auch keine "clash of philosophies" Diskussion vom Zaun brechen, dafür ist hier nicht der Rahmen. Aber wie P. Blom in seinem aktuellen und sehr lesenswerten Buch über die kleine Eiszeit "Die Welt aus den Angeln" schreibt, sind wir seit der Aufklärung in der großen Auseinandersetzung zwischen zwei Träumen gefangen: dem liberalen und dem autoritären.
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Der liberale Traum repräsentiert nicht den Fortschritt, die Wahrheit oder das Gesetz der Geschichte. Er ist ein Narrativ mit konkreten historischen Wurzeln, [...], das sich, so kann man argumentieren, als human und nützlich erwiesen hat. [...] Hinter der Idee, der liberale Traum sei human, verbirgt sich ein bestimmtes Menschenbild, ein Glaubenssatz, der versucht, den Menschen zugleich individuell und universel zu denken und der dem menschlichen Leben gerade wegen seiner Kontingenz und Verwundbarkeit einen unveräußerlichen Wert zuspricht - eine Hoffnung und ein Versprechen, das immer wieder eingelöst werden muss, um nicht zu verdorren" (Blom 2018: 260)
Dazu passt eine Sendung gestern im Ersten über "Das Märchen von der Inklusion". Aus allen konservativen Ecken heult es: "Schluss mit dem Unfug", die südlichen Bundesländer haben noch nicht einmal begonnen, die UN-Charta umzusetzen und denken auch gar nicht daran, im Gegenteil, die Zahl der Sonderschüler in Bayern und BaWü ist gestiegen, weil diese angeblich die Überflieger in gemeinsamen Klassen im Fortkommen behindern. Dass es anders geht, zeigen Beispiele aus Privatschulen, aber auch staatlichen Schulen, bei denen schlicht die Hälfte der Schüler auf einen Lehrer kommen. Der Frontalunterricht ist abgeschafft, Lernen findet individuell statt, jeder arbeitet mit der ihm eigenen Geschwindigkeit, ohne die anderen zu beeinträchtigen. Hier lernen beide Gruppen, dass die Gesellschaft eben nicht ausschließlich weiß und ohne Handicap ist, sondern vielfältig, eine Erkenntnis, die im späteren Leben mal ziemlich wichtig sein kann - spätestens dann, wenn ein der eigenen oder familiären Biographie eine Situation eintritt, die Menschen vor neue Herausfordungen stellt. Was ist schon "besser können als die anderen" oder "das bessere Produkt"? Für wen besser? Für die Elitenblase, denen der Rest der Menschheit egal ist? Der Schlüssel für diesen realitätsbezogenen Umgang mit der Andersartigkeit der anderen schon in der Schule ist ganz einfach Geld, das nicht da ist - warum wohl? Aber ich will jetzt nicht das Fass mit der vergoldeten Bratwurst aufmachen ...
Zurück zum Thema: Dass man die Archäologie für obsolet erklären könnte, weil alles gegraben ist, keine neuen Erkenntnisse mehr zu erwarten sind und man das Geld besser für soziale Projekte ausgeben sollte, werte ich mal als eine rein rhetorische Figur á la "Iss Deinen Teller auf, die Kinder in Biafra haben gar nix zu essen!"
"In Frage stellen" ist etwas anderes als "hinterfragen". Ich kann etwas von mehreren Seiten beleuchten und es anschließend da, wo es nötig ist, verändern, ohne es gleich in die Tonne zu treten. Das setzt aber setzt aber eine gewissen Offenheit für Veränderungen voraus, die der autoritäre Traum aber nicht kennt. Nochmal Blom:
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Den Zerrissenen bietet er eine nostalgische Version der eigenen Geschichte, den Entwurzelten eine Heimat in den Tiefen der kulturellen Identität, den Ängstlichen einfache Antworten und konkrete Feinde, und denen, die sich darum sorgen zu behalten, was sie haben, bietet er eine Vergoldung ihrer Interessen im Namen der eigenen Kultur" (Blom 2018: 254)
Genau deshalb ist es auch nötig, archäologische Forschung zu hinterfragen, damit sie nicht den falschen Leuten in die Hände fällt, Sprache zu verändern, damit sie nicht Verhältnisse festschreibt, die überholt sind, gesellschaftliche Gerechtigkeit einzufordern, bevor uns der ganze Laden um die Ohren fliegt. (
https://faktenfinder.tagesschau.de/hint ... k-101.html - Klar - glaube nur einer Studie, die Du selbst gefälscht hast, aber die Zahl der Pfandflaschensammler in meiner Stadt nimmt nicht nur gefühlt zu)
Und zum Schluß: Tschuldigung, aber Eisenbergs Argumentation würde nicht mal einem gewieften Untersekundaner in einem philosophy-slam auf dem örtlichen Schulhof standhalten:
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Das sogenannte generische Maskulinum ist etwas, dass das Deutsche besitzt, was zu seiner Grammatik gehört. Das ist etwas, von dem wir auch immer wieder Gebrauch machen – aus guten Gründen Gebrauch machen. [...] Es gibt einen feinen Unterschied zwischen dem generischen Maskulinum und dem generischen Femininum. Der besteht darin, dass es das generische Maskulinum im Deutschen gibt und das generische Femininum gibt es nicht. Das ist eine Kampfmaßnahme, die den Männern vor Augen führen will, was den Frauen zustößt mit dem generischen Maskulinum."
(Quelle siehe oben.)
Das gibt es nicht, weil es das nicht gibt
?? "Dat mook wi as bi Howaldt - dat låt wi as dat is" Was sind denn die "guten Gründe"? Und: Kampfmaßnahme? Hinter jeder Hausecke lauern blutgierige Furien und Mänaden mit scharfem Messer, dem Professer was abzuschneiden?
Ich plädiere für einen versöhnlichen Ausklang: Schneiden wir die alten Zöpfe ab, lassen aber die darunter befindlichen Köpfe dran