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Kritisches zur Höhlenmalerei der Grotte Chauvet

Verfasst: 06.12.2005 13:36
von Baerbel Hammes
Ich beteilige mich mal am Umzug,

hier die Diskussion zu den Höhlenmalereien der Grotte Chauvet (Beginn 30.10.2005)
Peter hat geschrieben:Sind die Höhlengemälde von Chauvet gefälscht?

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/21/21161/1.html

Gruß Peter
FaethorFerenczy hat geschrieben:Ich muß sagen, das alles sind sehr interessante beobachtungen. Auf jeden Fall kann man das was er da schreibt nicht von der Hand weisen. Und bei näherer Betrachtung sieht man auch die Unterschiede zwischen den "echten" und den Chauvet-Höhlenbildern. Bringt mich auf jeden Fall zum dachdenken.
Steve hat geschrieben:Alles eine Frage der Perspektive! 8)

Es gibt in der Grotte Chauvet nicht nur 3-dimensionale Braunbären (wenn?s tatsächlich einer sein sollte), sondern auch 3-D-Löwen!

Wie ich drauf komme, dass es kein Braunbär sein könnte? Ganz einfach: Die Schnauzen- und Ohrform - Schnauze länger und nicht so aufwärtsgebogen, Ohren volumiger! Abgesehen davon ist der Braunbär einfach eine stämmige Variante seiner Art! Soweit dazu...

Lächelnde Löwen? Aus dem Winkel schon! Aber aus dem richtigen? Ich habe ein klares Bild von dieser Szene vor Augen ("Grotte Chauvet", Thorbecke-Reihe, seeeehr empfehlenswert):

Die Mimik von Löwen, welche flemend etwas beobachten! Wie in der Natur, nicht auf dem Sketchboard! :lol:

Nett zurecht gelegter Artikel! 8)
Giraut hat geschrieben:Das ist knifflig.
Am Stil kann sowas schwerlich fest gemacht werden - das wurde auch schon bei anderen Höhlen moniert. Nach dem Motto: viel zu modern, sowas konnten die früher gar nicht. So kann man natürlich logisch nicht argumentieren.
Zur Klärung wäre vermutlich eine chemische Analyse der verwendeten Farben nötig. C14 reicht da gar nicht, denn das Alter ist an sich irrelevant. Natürliche Pigmente SIND alt, auch in modernsten Farben.
Die Zusammensetzung wäre aufschlussreicher.
Peter hat geschrieben:Sag Steve,

beschleicht Dich nicht auch der Verdacht, daß wenn dies die ältesten Höhlenmalereien sein sollten (lt. C14...) der Duktus recht "modern" im Vergleich vielleicht mit anderer, jüngeren Höhlenmalerei ist?
Fotos können natürlich auch trügen und täuschen - aber Fälschung ist nicht nur beim manipulieren von Fotos möglich...


Peter
Steve hat geschrieben:Kulturelle Ausreißer und Einbrüche sind immer in Betracht zu ziehen!

Ich habe Magdalénien-Schnitzerein aus dem Perigord gesehen - und meine Paläolithik-Kleidung geschneidert.

Ich bekam dann Wind von Sungir und schließlich sah ich die Schnitzereien von Mezhirich - und ich habe meine Kreationen auseinandergepflückt, das Leder gewaschen und fange von vorn an.

Es gab 23000 Jahre v.u.Z. feine und 10000 v.u.Z. grobe Schnitzer - dessen muß man sich bewusst sein.

Kultur ist wie eine Rolltreppe - mitunter bleibt sie stehen oder fährt auch mal in die entgegengesetzte Richtung! :idea:
Turms hat geschrieben:Seit Altamira steht jede neu entdeckte Höhle unter Fälschungsverdacht, daran muß man sich anscheinend gewöhnen.
Die Datierungsdebatte ist eine andere. Stilistische Merkmale sind hier schon lange out.
Da ich mal mit jemanden zusammenkam, der die Höhle besucht hat, bin ich von der Richtigkeit der Ergebnisse überzeugt. Das ist eine persönliche Auffassung.
Mela hat geschrieben:@Giraut: bei C-14 von Höhlenmalereien wird der C-14 Gehalt in der schwarzen Farbe (sprich Kohle) gemessen - da müssten die Fälscher "alte" Kohle aufgetrieben haben, sonst geht es nicht auf. Die Pigmente der anderen Farben können meines Wissens nicht "ge-C-14-ent" werden...

Ich "sehe" einige Argumente des Autors schlicht nicht - ist eben alles eine Frage der Perspektive... Und ich mag diese Form der Argumentation sowieso nicht so sehr - nach dem Motto "wie jeder wohl deutlich sehen kann" :wink: aber da spricht wohl die verbildete Prähistorikerin... :oops:

Liebe Grüsse

Mela
Baerbel hat geschrieben:Hi,
ich habe vor ein paar Jahren mal ne Vorlesung zum Thema "Höhlenmalerei" besucht und da wurde von meinem Prof genau das als Besonderheit und diskussionswürdig herausgestellt:
Dass die Grotte Chauvet naturwissenschaftlich als die älteste gilt, aber der Stil nach der bis dahin gültigen Typologie eben als "jünger" bezeichnet wird.

= ein Widerspruch, der erst aufgeklärt werden muss und neue Forschung nötig macht. (Ob es dazu neuere Forschungen gibt, weiß ich nicht - ist nicht so das Fachgebiet, das ich beobachte).

Ich sehe da mehrere Möglichkeiten:
1) Die naturwissenschaftliche Altersbestimmung von Grotte Chauvet ist fehlerhaft und die Typologie der "Malstile" stimmt chronologisch
2) Die Typologie der "Malstile" und ihre chronologische Einordnung ist fehlerhaft und muss chronologisch neu geordnet werden
3) Es ist sinnlos, eine Typologie der Malstile mit einer chronologischen Abfolge zu definieren. Die Malstile haben andere Ursachen als die Zeit ihrer Entstehung und eine globale "Stilentwicklung" kann so nicht festgelegt werden. Menschliches Kunstempfinden und Kunstschaffen gehorcht nicht den "Gesetzen" einer "linearen Entwicklung".

Ich selbst möchte selbst kein Urteil darüber abgeben, da ich mich mit der Materie zu wenig beschäftigt habe. Aber ich möchte zumindest zu bedenken geben, dass man die wissenschaftlichen (hier: archäologischen) Kategorien immer in Frage stellen und alternative Erklärungsmöglichkeiten suchen sollte. (Die man dann an den Fakten messen lassen muss.)

Sind nur meine 50 Cent :)

Grüße
Bärbel
Steve hat geschrieben:Ich lege jedem interessierten User die Anschaffung der Thorbecke-Reihe nahe. Hervorragende Bilder, sehr ausführliche Texte - was nicht publiziert wird, kann ich nicht kommentieren! :wink:

Ich werde mal das Buch "Grotte Chauvet" aufs Treffen mitbringen.
Turms hat geschrieben:Richtig, da kann ich Steve nur zustimmen. Allerdings war der Chauvet-Band eine ziemlich schnelle Veröffentlichung und einige Informationen fehlen dort noch bzw. waren noch gar nicht bestätigt.
Insgesamt bietet die Reihe einen ziemlich guten Überblick über die aktuelle Höhlenmalerei-Diskussion. Wer sie nicht zu Hause hat wie Steve (oder meine kleine Turmsigkeit), in öffentlichen Bibliotheken müßte sie einsehbar sein. Eine günstiger Weg sich die Höhlenmalerei nach Hause zu holen, ist folgende CD-ROM:
Pastoors, Andreas / Weniger, Gerd-Christian (Hrsg.)
CD-ROM Bilder im Dunkeln
Höhlenkunst der Eiszeit - Die Sammlung Wendel
ISBN 3806216568
FaethorFerenczy hat geschrieben:Welche Bücher gehören denn genau zu dieser Reihe. Ich hab bei Amazon ein paar gefunden weiß aber nicht ob das wirklich alle sind.

:!: Danke Steve!
Steve hat geschrieben:Guckst Du hier! :D
hunasiensis hat geschrieben:Bisschen spät noch etwas Senf von mir:

1)Ich halte den Artikel über die angebliche Chauvet-Fälschung für ziemlich schlecht, um nicht zu sagen unsäglich; ein einfacher Blick in die einschlägige Literatur hätte dem Autoren zeigen können, dass ein wesentliches Merkmals des Höhlenbären genau der starke Knick in der Stirn und eben nicht eine flache Schnauze ist.

Literatur:

http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3 ... 42-6222137

2) Als einer der wenigen Wissenschaflter zweifelt Züchner an der Datierung von Grotte Chauvet und verteidigt die typologische Einordnung der Bilder. mehr dazu hier:
http://www.uf.uni-erlangen.de/ufginstitut/zuechner.html

Die ursprüngliche 14C-Datierung wurde inzwischen durch Datierungen eines anderen Labors und mit einer anderen Methode (TIMS) bestätigt, so dass m. E. keine Zweifel an der alten Datierung bestehen.

Literatur:

Genty, Dominique, Bassam Ghaleb, Valérie Plagnes, Christiane Causse, HélèneValladas, Dominique Blamart, Marc Massault, Jean-Michel Geneste, and Jean Clottes. 2004. Datations U/Th (TIMS) et 14C (AMS) des stalagmites de la grotte Chauvet (Ardèche, France) : intérêt pour la chronologie des événements naturels et anthropiques de la grotte. C. R. Palevol 3: 629?642.


Abstract:


TIMS U/Th and 14C AMS ages of the Chauvet cave stalagmites: interest for the chronology of natural and human events of the cave. Eight stalagmites, two flowstones and several pieces of charcoal found trapped under the speleothems from the Chauvet cave (Vallon-Pont-d?Arc, Ardèche, France) have been dated by radiometric mass spectrometric methods (U/Th et 14C). Results give accurate ages for some geological features of the cave, and, for some of them, confirm the old ages of the prehistoric charcoal. They also indicate the timing of the climatic periods that were favourable to the stalagmites growth.
Ein weiteres Zitat aus der englischen Zusammenfassung der Publilkation verdanke ich J.-J. Saint-Mars' Forum palanth.com:
4. Conclusion TIMS U/Th dating of the Chauvet Cave stalagmites and flowstones brings the following results:
? since 33 ka, several periods of stalagmite growth are observed and are coincident with climatic improvements; but it appears from this first set of analyses that no deposition occurred between 24.5 ± 0.5 ka and 15.5 ± 0.5 ka because the climate was too cold;
? U/Th ages of the stalagmites that grew at the basis and at the top of the entrance collapse of the cave demonstrate that this collapse seems to have occurred before the end of the Younger Dryas, but more analyses on other stalagmites from the entrance collapse are necessary in order to confirm or not this hypothesis, especially because other ages obtained on archaeological remains indicate an older closing of the cave;
? the 10-m-large collapse of the Hillaire Chamber occurred after 7.7 ka and the flowstone that seals the archaeological deposits of this part of the cave started to grow around 27.8 ± 1.9 ka; the comparison between speleothem U/Th and charcoals 14C ages demonstrates that the prehistoric charcoals are older than 30 ka, at least for the Croisillons Gallery and very likely for the Hillaire Chamber.

Arne
Hans hat geschrieben:Wie sagte Konrad Spindler: Früher oder später wird jede epochale archäologische Entdeckung der Fälschung verdächtigt.... :roll:

H.

So, das ist der Stand.

Eigentlich schade, das die Diskussion ein wenig eingeschlafen ist - wo bleiben unsere Paläolithiker?

:wink:

mehr

Verfasst: 20.12.2005 21:06
von Peter N.
zum lesen während der Feiertage:

http://www.lebensspuren.at/lebensspuren ... 20Wand.pdf

P.