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Viehhaltung doch eher als Feldbau?
Verfasst: 15.09.2022 19:44
von ulfr
Re: Viehhaltung doch eher als Feldbau?
Verfasst: 15.09.2022 23:10
von Pitassa
Das heute, im Jahre 2022 (?) ein Team der University of Connecticut die archäozoologisch wertvollen Sphäruliten einer im Jahre 1972 / 1973 in Abu Hureyra durchgeführten Notgrabung auswertet, stellt schon ein enormes Beharrungsvermögen dar. Vermutlich wird sich der einstige Grabungsleiter Andrew Moore nochmals persönlich dahinter geklemmt haben, denn diese Kügelchen sind zur Datierung der ersten Tierhaltung durch den Menschen offenbar Gold wert.
12.800 Jahre, also ca. 11.000 v. Chr. Das ist zu Beginn der heutigen Warmzeit.
Ich selbst bin durch die Arbeiten von Rowley Conwy auf die Bedeutung von archäozoologischen Untersuchungen aufmerksam geworden.
Interessant finde ich auch die am Ende des Beitrages befindliche Bildergalerie. Dort wird auf dem Bild 33 / 47 ein alte Aufnahme des im Jahre 1890 in Kirowgrad bei Jekaterinenburg entdeckten Shigir Idols gezeigt. Auch dieses beeindruckende Artefakt - ich kannte es bislang noch gar nicht - wird nunmehr chronologisch von 11.500 auf 12.500 Jahre hinaufdatiert. Die Menschen begannen offenbar bereits mit dem Ende der letzten Eiszeit sehr innovativ und gestalterisch kreativ zu werden.
Je näher ich mir das alles anschaue, desto erstaunter bin ich
Re: Viehhaltung doch eher als Feldbau?
Verfasst: 16.09.2022 13:15
von Sculpteur
Wenn man doch mehr Zeit hätte sich mit all diesen interessanten Aspekten mehr als nur oberflächlich auseinanderzusetzen.
Das Shigir-idol ist von der Bemusterung und der Frage nach den verwendendeten Werkzeugen her sehr interessant und hat schon einmal früher mein Interesse geweckt.
Der besagte interessante Klappstuhl taucht in der Bildergalerie auch wieder auf.
Zur Frage nach der frühesten Tierhaltung ist meine unmaßgebliche Meinung, dass Tierhaltung ja eine Frage der Definition ist. Wenn der frühe Mensch als umherstreifender Jäger und Sammler z.B. von Beutejägern begleitet wurde, die sich an den Überresten seiner Jagd bedienten, könnte man ja zu der Meinung kommen, dass einen schließlich (im Vorübergehen) domestizierten Canis Lupus begleitend zu halten, ja auch eine Form von Tierhaltung darstellt hätte. Ob das z.B. auch mit Schafen und Gazellen möglich gewesen wäre, die man mit sich hätte führen können, kann ich natürlich nicht beurteilen.
Aber gemeint ist hier wohl vermutlich die Tierhaltung in Verbindung mit Sesshaftigkeit, oder?
Re: Viehhaltung doch eher als Feldbau?
Verfasst: 18.09.2022 09:37
von Ragnar
War der Frühmensch sesshaft, oder Nomade? Es kommt da auf die Landschaft an, in der er gelebt hat. War es eine offene Steppe, in der man seine Beute schon aus einer weiteren Entfernung sehen konnte, so kann ich mir vorstellen, das man dieser gefolgt ist. Das war wohl einfacher, als in einer Hütte zu sitzen und zu warten, wann mal wieder etwas jagdbares vorbei kommt. Herden lernen, wer eine wirkliche Bedrohung ist und akzeptieren fremde Arten. Auch Beutegreifer, wenn sie nicht zur allgemeinen Gefahr werden und nur einzelne und kranke Tiere erbeuten. Bei einer stärker bewachsenen Landschaft, in der es nicht so einfach ist, Beute aus größerer Entfernung auszumachen, gibt es auch viele kleinere Tiere, die das ganze Jahr über Beute bringen. Auch kleine Herden, treiben sich in der Buschlandschaft herum. Vielleicht gibt es auch eine natürliche Falle, in der sich immer wieder solche Kleinherden, fangen lassen. Da es aber nur in der kalten Jahreszeit sinnvoll ist, diese zu töten, ist es wohl einfacher sie zu füttern und einzelne Tiere zu entnehmen. Bei den täglichen Jagdzügen, wird wohl da ein oder andere verwaiste Jungtier, zur Belustigung oder als Spielzeug für die Kinder mit nach Hause gebracht worden sein.(Passiert ja heute auch noch). Bei sozialen Tieren, ist eine Domestizierung nicht besonders schwer. Vielleicht hat ein übermütiger Vater mal einen seiner Sprösslinge, auf ein handzahm gewordenes Pferd gesetzt. Gut vorstellbar, aber leider nur eine Vermutung!
Re: Viehhaltung doch eher als Feldbau?
Verfasst: 18.09.2022 19:02
von Sculpteur
Hallo Ragnar,
ich finde Deine Ansichten und die von Dir genannten Aspekte sehr interessant! Natürlich ist der dynamische Aspekt - trotz Charakter einer Vermutung - (für mich persönlich) immer oberste Direktive:
Es gibt unzählige Versuche, die Vergangenheit einzuordnen, es sollte jedoch immer berücksichtigt werden, dass es angesichts der Vielzahl an Möglichkeiten immer nur als ungefähre Annäherungen an tatsächliche Ereignisse verstanden werden kann, was wir heute interpretierend und rekonstruierend über die Vergangenheit auszusagen suchen.
Darin gefällt mir die Berücksichtigung des dynamischen Aspekts besonders gut und deshalb gefällt mir Dein Beitrag so sehr: Du spielst mit den Möglichkeiten und eröffnest dadurch neue Sichtweisen: Es gibt bis heute zu viele Bücher, Artikel, Aufsätze, Abhandlungen, die im Brustton der Überzeugung und mit dem Anspruch absoluter Gewissheit formuliert wurden. Solche Texte, die meinen, alles ganz genau einordnen zu können anhand von vagen heutigen Wissenszusammenhängen, gehören zwar zur Geschichtsschreibung dazu, sind jedoch in den meisten Fällen rasch überholt. Unter anderem haben solche Texte wohl zu der einseitigen heutigen Einstellung über z.B. den Neandertaler geführt, der mainstreammäßig wohl auch heute noch ziemlich unpassend eingeordnet wird.