Ich bedaure Sculpteur, aber auch die Hethiter kannten den Stahl nicht. Der in dem Wikipedia Artikel dazu angeführte Friedrich Cornelius (1) lag meines Erachtens mit der These, dass es sich bei dem in hethitischen Quellen genannten "Amutum" um Stahl handeln würde falsch, denn die Assyrer bezeichneten dasselbe Metall mit "Guhlu" und dies ist Stibium. Verhüttetes Stibium (Amutum) wurde in der Bronzezeit seitens der Hethiter für das 6-faches des Preises von Gold an die Assyrer und Ägypter verkauft (2). Die in dem Artikel genannten Rennöfen wurden auch im altanatolischen Metallhandwerk der Hethiter benutzt und erreichten lediglich eine Temperatur um 1350 °C. Da der Schmelzpunkt von Eisen jedoch bei 1536 °C lag, fehlten die technischen Voraussetzungen zur Stahlproduktion. Ohne Stückofen kein Stahl, so einfach ist das.
Bis etwa 1425 n. Chr. gab es lediglich die Reduktion von Eisen, was heißt, dass nicht etwa das Eisenerz, sondern die darin befindlichen Verunreinigungen als Schlacken verflüssigt und abgeschieden wurden. Dies stellt eine Art Reinigungsprozess dar, was aber keinesfalls mit einer Stahlproduktion verwechselt werden sollte, wie es Aristoteles beispielsweise tat.
Was die Hethiter und die ihnen nachfolgenden Phrygier jedoch zustande brachten, war die Fertigung einer blauen Hartbronze, welche als unbezwinglich galt (3). In Gordion etwa wurde diesbezüglich anhand von Rückständen in Tiegeln und Gussformen ein Anteil von 0, 5 - 3, 5 % Stibium (Antimon) nachgewiesen, welches bei der Herstellung von Hartbronze als Legiermetall zugesetzt wurde (4). Die Verhüttung des zur Herstellung von Hartbronze benötigten Stibiums findet sich in den griechischen Quellen verschiedentlich dargestellt.
Hesiod berichtet in seiner Theogonie, Verse 861 - 867 : "Weithin brannte die mächtige Erd' (Gaia) in des Wetters stürmischer Loh' und es zerfloss, dem schmelzenden Zinne (Kassiteros) vergleichbar, der Unbezwingliche (Damazómenos) feurig in die von der Jünglinge Kunst wohl durchlöcherten (eútretos / titráo) irdenen Gefäße (chóanoi), die wie (oion) das glühende Eisen (sideros) in der abgedeckten Schmelzgrube (des Ofens) ... durch die hohe Kunst des Hephaistos (Chthonios) von flammender Hitze angeblasen wurden, sodass der Strahlende (Pyrrhòs) auf den heiligen Boden ... [des unteren Gefäßes] sickerte." (5)
Eustathios von Thessaloniki erläuterte diesen bei Hesiod geschilderten Vorgang wie folgt : "Man muss wissen, dass die feuerfesten choanoi die übereinander stehenden, angeblasenen irdenen Gefäße sind, in welchen wir diese Stoffe schmelzen (hylai tékontai) und dass diese bei uns aus Ton sind." (6)
Nun wäre hier sicherlich der Einwand berechtigt, dass ich der Dichtkunst des Hesiod hiermit aber Gewalt angetan hätte, wenn sich Eustathios in seinem Kommentar zur Ilias nicht ausdrücklich auf diese Passagen bezogen und dazu die eben gemachten Ausführungen getan hätte. Meiner Auffassung nach wird hier die Verhüttung von Stibium beschrieben. Olshausen zufolge finden wir diesen Vorgang bei Agricola in dessen Werk De re Metallica bildlich illustriert. Gert Goldenberg hatte 1996 im archäologischen Experiment bewiesen, dass die Verhüttung von Stibium tatsächlich in dieser Weise stattgefunden haben wird (7). Wer über Antimonbronze verfügte, konnte sich auch militärisch erfolgreich behaupten, denn schmiedeeiserne Waffen machten in der Schlacht stets die Vereinbarung von regelmäßigen Kampfpausen erforderlich, damit die Krieger ihre Waffen wieder zurechtbiegen konnten. Meines Erachtens eigneten sich die Römer erst mit der Eroberung von Korinth die Technik der Legierung von Hartbronze an. Die etruskischen Gebiete dahingegen verfügten bereits seit ca. 700 v. Chr. über diese Technik, was für ein benachbartes Gebiet ein erstaunlich langer Zeitraum ist, in dem dieser Unterschied gewahrt wurde.
Das herabsinken in die Eisenzeit wird bei Plato, Nomoi III 678 eindringlich beschrieben :
Dort heißt es für die Zeit nach den Troischen Kriegen : "Die Kunst des Bergbaus, Metall aus der Erde zu gewinnen, wurde damals verschüttet, ... . Die Kenntnis der Verhüttung von Adamas (Antimon) und anderen Metallen ging damals auf lange Zeit verloren."
Man begnügte sich stattdessen oftmals mit der Nutzung leicht erschließbarer Rasenerze und produzierte damit Schmiedeeisen, welches in der Regel innerhalb weniger Jahrzehnte verging.
Pitassa
Literatur
(1) Cornelius, Friedrich : Geistesgeschichte der Frühzeit, Bd. 1, Von der Eiszeit bis zur Erfindung der Keilschrift, Leiden u. Köln 1960, S. 132. Zitiert in : Wikipedia, Artikel Stahl, Fußnote 6.
(2) Goetze, Albrecht : Kulturgeschichte Kleinasiens, München 1957, S. 79 (Amutum).
(3) Niemeier, Wolf Dietrich : Hattusa und Ahhijawa im Konflikt um Millawanda / Milet. In : Willinghöfer, Helga ; Özgüc, Tahsin ; Hasekamp, Uta : Die Hethiter und ihr Reich - Das Volk der 1000 Götter, Bonn 2002, S. 297, Abb. 4 (Hethitische Schwerter).
(4) Rademakers, Frederik ; Rehren, Thilo ; Voigt, Mary : Bronze metallurgy in the Late Phrygian settlement of Gordion, Turkey. In : Archaeological and Anthropological Sciences, Vol. 10, Berlin 2018, S. 1656. Siehe online unter :
https://www.researchgate.net/publicatio ... ion_Turkey
(5) Voß, Johann Heinrich : Hesiodus Theogonia, Heidelberg 1806. Siehe online :
https://www.gottwein.de/Grie/hes/thggr.php
(6) Stallbaum, Gottfried : Eustathii archiepiscopi Thessalonicensis Commentarii ad Homeri Iliadem, Tomus IV, Leipzig 1830, S. 83 (Eustathios, Fol. 1153, Vers 470). Siehe online unter :
https://www.archive.org/details/comment ... ew=theater
(7) Goldenberg, Gert : Die Gewinnung von "Antimonium Crudum" bei Sulzburg im Südschwarzwald im Spätmittelalter und in der Neuzeit. In : Archäologie Online, Beitrag vom 27.11.2001. Siehe dazu online unter
https://www.archaeologie-online.de/arti ... um-crudum/ sowie hier im Forum den Beitrag zur Verhüttung von Antimon Sulfiderzen.