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Langobardische Tunika 5./6. Jahrhundert
Verfasst: 12.07.2006 17:50
von Dain II.
Ahoihoi,
ich bin zur Zeit auf der Suche nach Belegen und Literatur zur langobardischen Bekleidung zur Zeit der Landnahme südlich der Donau im Noricum um 489 bis 505, genauer gesagt im "Feld" im Rugiland nach Paulus Diaconus (heute als Tullner-Feld bekannt zwischen Wien und St.Polten).
Insbesondere beschäftigt mich die Frage nach dem Tunikaschnittm, also mit oder ohne seitlichen Keilen, T-förmigen Besätzen, Schlüssellochausschnitt, konischen Ärmeln (eng oder eher weit)?
Kann man da einfach die sächsische, alamannische oder gotische Mode dieser Zeit verwenden? (Dann würd ich nämlich ganz frech Andis Schnitte kopieren :haha:
)
lg Stephan
Verfasst: 12.07.2006 18:52
von Bullenwächter
Meine Klamotten sind auch nur frei rekonstruiert. Einen Anhalt könte der Silberteller von Isola Rizza geben, der ist allerdings um 600.
Übrigens:
Wer meine Klamotte nachmacht oder verfälscht, oder sich nachgemachte oder verfälschte beschafft oder in Umlauf bringt wird bestraft
Verfasst: 12.07.2006 19:53
von Dain II.
Und wie will er das anstellen, der Hörr Nordalamanne?
Du bist in Hamburg und ich sitz hier in Wien
. Oder hetzt du mir die Vorarlberger auf den Hals
.
Na ja, jedenfalls hab ich jetzt schon mal herausgefunden dass man eventuell koptische Tuniken verwenden könnte (sofern die Disskusion von Sylvia, Jupp und Tassilos Rache im TV noch aktuell ist, und natürlich fragt sich ob man dazu einen christlichen Langobarden darstellen muss).
Jupp schreibt im Tempus Vivit:
Die Gürtel sehen meines Erachtens aus wie einfache Schilddornschnallen wie z.B auf Seite 92, ohne Beschlag, ohne Gegenbeschlag und ohne Riemenzunge. Auch die Tragweise läßt sich gut erkennen. Der Riemen wird durch zwei Löcher am Dorn des Gürtels befestigt. Dadurch läuft das Riemenende hinter der anderen Seite des Gürtels und es entfällt das sonst typische "Gebamsel" (das herunterhängende Riemenende)
Das würde zu den Fundumständen in den zwei, mir als Vorlage dienenden, Gräberfeldern passen. Nur Schnallen, lediglich ein silberplattierter, bronzener Schwertgurtbeschlag ist gefunden worden und zwar mit der typisch, irischen Flechtbandornamentik die, wie ich gelesen habe, ihren Ursprung im ägyptisch, koptischen haben. Das würde eventuell für eine Tunika im koptischen Stil sprechen?!?
Und was ist mit den Thorsbergfunden? Die kann man doch sicherlich auch noch verwenden?
Ich werde mir jetzt mal jedenfalls das Buch "Langobarden, Geschichte und Archäologie" von Wilfried Menghin Theiss-Verlag ISBN 3-926642-23-8 besorgen. Da soll diese Silberschale ja abgebildet sein.
lg Stephan
Verfasst: 12.07.2006 20:04
von Dain II.
Hier ein Fragment einer spätantiken/frühmittelalterlichen koptischen Tunika aus Ägypten. Es handelt sich um einen rechteckigen Ärmelbesatz:
Quelle:
http://homepage.univie.ac.at/elisabeth. ... kopten.htm
In beiden Gräberfeldern wurden je ein Ango gefunden (die einzigen zwei langobardischen Angos in Österreich überhaupt). Einmal in einem Männergrab(Schild und Ango) und dann in einem "Duces"-Grab (Schild, Ango, Speer, Sax, Spatha, Pferderiemen). Laut Ausgrabungskatalog deutet das angeblich auf fränkischen Einfluss hin. Daraus könnte sich ja, rein theoretisch, auch ein Einfluss auf die Kleidung ergeben (sofern da überhaupt schon ein Unterschied bestand).
Also wären koptische Tuniken (christlicher und oströmischer Einfluss, der ja wissentlich bestand), fränkische Tuniken (auch der ist, zumindest für spätere Zeit nachgewiesen) sowie die typisch germanischen Tuniken (eventuell, Thorseberg) denkbar, oder was meint ihr?
lg Stephan
Verfasst: 13.07.2006 00:45
von Dain II.
Hab die Scheibe gefunden (hät ich gewusst dass es die ist...
). Und gleich auch noch eine interessante Beschreibung einer ebenfalls interessanten Reko.
http://www.die-bajuwaren.de/Handarbei_Tunika.html
lg Stephan
Verfasst: 13.07.2006 07:32
von Daniel S.
Meiner Meinung nach eine sehr gute Reko die der Indy da gemacht hat.
War sicher ne Menge Arbeit.
Ich werde mir jetzt mal jedenfalls das Buch "Langobarden, Geschichte und Archäologie" von Wilfried Menghin Theiss-Verlag ISBN 3-926642-23-8 besorgen. Da soll diese Silberschale ja abgebildet sein.
Dieses Buch habe ich, kann ich Dir bedenkenlos empfehlen....
Gruß
Daniel
Verfasst: 13.07.2006 09:01
von Bullenwächter
Hallo Dain II!
So weit bin ich grad nicht weg von Dir: Ich mache grad im Allgäu Urlaub und nach Wien
reite ich eben mal schnell rüber wenns nötig werden sollte
Indys Tunika ist wirklich gut. Er hat daran monatelang gestickt.
Ansonsten muß man sich, was Schnitte und Mode angeht, an den Abbildungen im Stuttgarter Psalter, Gedenksteinen und ömischen Barbarendarstellungen orientieren. Die Textilfunde ergeben ja leider kein Bild über die Mode. Man kann aus jedem Fund immer nur kleine Einzelheiten herauslesen.
Du solltest auch mal einen Blick in:
Textilfunde der Eisenzeit in Norddeutschland von Karl Schlabow werfen. Den gibts bestimmt in Wien in der Uni-Bib. Einige der Klamotten aus den norddeutschen Mooren sind nach neueren Untersuchungen auch aus dem 5. Jh.
Wenn ich wieder Zuhause bin, muß ich noch mal meine Museumsbilder durchforsten, irgendwo ist mir noch eine Darstellung über den Weg gelaufen
Verfasst: 13.07.2006 11:34
von Dain II.
Auch meiner Meinung nach ist das eine Top-Rekonstruktion wenn man bedenkt welche (plausiblen) Schlüsse er nur anhand der zwei Abbildungen gezogen hat. Das leidige Problem des Textilschnitte-von-Abbildungen-ableiten kennen wir ja alle. Ich weis allerdings noch nicht ob ich den Schnitt so übernehmen will oder ob ich das ganze vereinfache (Sprich Zwickel weg, Oberkörper ab Brustwarzenhöhe bis Gürtelhöhe mit zwei Abnhähern vorn und zwei hinten verengen, Rock mit zwei Keilen seitlich zusätzlich erweitern).
Was den Schlabow angeht, den hab ich hier bei mir als gebundene Kopie liegen. (Dank eines uns allen wohlbekannten Ex-Neandertalers und einer Nomadenkriegerin die gerne seltsame Zipfelmützen trägt
.)
lg Stephan
Verfasst: 07.08.2007 07:20
von Indy
Wenn's interessiert - die zweite Tunika ist fertig. Allerdings mußte ich sie leider weggeben, dabei war sie mir schon richtig ans Herz gewachsen (aber ich krieg ja was dafür
)
weil man die Schultern nur schlecht sieht...
[/img]
Verfasst: 07.08.2007 09:07
von Thomas Trauner
B-e-e-i-n-d-r-u-c-k-e-n-d !
Wirklich toll !
Ein paar Zeilen zur Herstellung, vielleicht ?
Th.
Verfasst: 07.08.2007 09:42
von Steve Lenz
Mir hat Deine erste Tunika schon gereicht, Indy!
Heftig. geil! Was anderes fällt mir grad ned ein!!!
Verfasst: 07.08.2007 10:39
von Nika E.S.
Wow!
Das ist ABSOLUT beeindrucken!
(...ich stell mich jetzt hinter meinen Vorhang und weine...)
Verfasst: 07.08.2007 12:13
von Bridget
Saubere Stickarbeit!
Ich hoffe, das du ordentlich was dafür bekommst!
Lass mich raten?
Ca 150 Arbeitsstunden alleine für die Stickerei?
Gruß von der Nadelschwingerin
Verfasst: 07.08.2007 14:36
von Indy
Danke für die netten Worte.
Was kann ich zur Herstellung sagen? Die komplizierten Sachen hat eh meine Frau gemacht, weil ich um's verrecken net nähen kann. Der Schnitt basiert fast 1:1 auf den hier ja schon erwähnten Überlegungen zu den Tuniken auf der Isola-Rizza Schale (
http://www.die-bajuwaren.de/Handarbei_Tunika.html ). Oberstoff diesmal Diamantköper (Wolle) vom Jörg Fraske und auf Wunsch des späteren Trägers ist der Oberkörper komplett mit Leinenköper gefüttert, damit nichts kratzt. Ausführung komplett in Kappnähten.
Die Applikation für die Schultern ist aus einem Stück, der Halsausschnitt nachträglich eingepaßt. Sobald das Hemd fertig war, hab ich ausgemessen, wieviel Platz für's Sticken ist und hab dann entworfen. Inspirationen stammen aus der einschlägigen Literatur. Danach ganz unauthentisch mit Stickvlies und Rundrahmen eingespannt, hingesetzt und gestickt (Seidengarn NM 11). Das frickeligste war eigentlich die Verbindung zwischen den Bandenden hinzukriegen, nachdem die Applikationen aufgenäht waren (die Lücken erkennt man auf dem zweiten Foto).
Insgesamt waren's so zwischen 250 und 300 Stunden insgesamt, verteilt auf knapp 2 Jahre. Und jetzt will ich bis Weihnachten kein Stickzeug mehr sehen.