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Deutschlands "erste Bauern"

Verfasst: 06.12.2005 16:28
von Baerbel Hammes
So, noch ein Umzugskarton
hunasiensis hat geschrieben:Folgender Artikel aus Der Tagesspiegel online bezieht sich auf einen Science-Artikels, der basierend auf paläogenetischen Untersuchungen einen eher kulturellen Import der bäuerlichen Lebensweise in Mitteleuropa postuliert statt eines Imports durch die Einwanderung der Bandkeramiker.

Arne

Der Tagesspiegel online 11.11.2005

Deutschlands erste Bauern

Vor rund 7500 Jahren übernahmen Jäger und Sammler die Landwirtschaft aus Anatolien

Von Roland Knauer

Mit Äxten roden die Männer den Urwald. Auf den Lichtungen weiden Ziegen, Schafe und Rinder, in einem kleinen Garten wächst auf den Beeten Ur-Getreide wie Emmer und Einkorn. Erbsen und Linsen von der eigenen Scholle ergänzen das Fleischgericht. So oder ähnlich begann vor 7500 Jahren die Steinzeit-Revolution, die aus einem Volk von Jägern und Sammlern eine Bauerngesellschaft machte. Soweit sind sich Wissenschaftler ziemlich einig. Woher aber kamen diese revolutionären Menschen, die zum ersten Mal Schafe hüteten und ein Feld bestellten ? dort, wo heute Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz sind?

Erfunden wurde die Landwirtschaft im fruchtbaren Halbmond, einem Landstreifen zwischen Anatolien und dem heutigen Irak. Nach der letzten Eiszeit wurde es dort wärmer, auf den Grassteppen wuchs Wildgetreide und in den Wäldern gab es so viel Wild, dass die Menschen nicht mehr umherstreifen mussten, sondern ihre Nahrung aus Dörfern heraus suchen konnten. Als sich das Klima aber vor gut 12000 Jahren abkühlte, kamen diese sesshaften Jäger und Sammler in Schwierigkeiten, weil sie nicht mehr genug Nahrung fanden. Angesichts der drohenden Hungersnot kamen wohl einige auf die Idee, Wildgetreide nicht mehr zu sammeln, sondern selbst zu säen.

Bisher wusste niemand so recht, wie die neue Kultur mit kleinen Schaf- und Ziegenherden samt Hütehunden und Hausgärten den Rest der Welt außerhalb des fruchtbaren Halbmondes eroberte. Die meisten Forscher nahmen an, dass einige Bauern aus dem fruchtbaren Halbmond aufbrachen, als dort ertragreiches Ackerland knapp wurde, um anderswo neues Land zu suchen. Vor 9000 Jahren sollen diese Auswanderer aus Anatolien die fruchtbaren Ebenen und Flusstäler Griechenlands erreicht haben.

Weil die Ernährung von Bauern auf einer stabileren Grundlage steht als das schwankende Angebot für Jäger und Sammler, wächst eine Bauerngesellschaft schneller als ein Nomadenstamm. Nach einiger Zeit wurden also auch in Griechenland Ackerland und Weideflächen knapp, erneut brachen einige Bauern auf und erreichten vor 8000 Jahren das Karpatenbecken, das heute zu Ungarn und Rumänien gehört. Vor 7500 Jahren erreichte die landwirtschaftliche Revolution auf diese Weise dann auch Mitteleuropa. Gehörten die kräftigen Äxte, mit denen diese ersten Steinzeitbauern die Urwälder Germaniens rodeten, also Einwanderern, die 1500 Jahre vorher aus Anatolien aufgebrochen waren und über mehrere Zwischenstationen Rhein, Elbe und Oder erreichten?

Mit den aufwändigen Methoden der Molekularbiologie lässt sich das nachprüfen. Die Anthropologen Joachim Burger und Wolfgang Haak von der Universität Mainz sammelten gemeinsam mit Kollegen aus Deutschland, England und Estland Proben von 57 Skeletten aus dieser Zeit. Grabbeigaben wie die großen Äxte zum Roden des Urwaldes zeigen, dass die Verstorbenen zu den ersten Bauern gehörten. Die für Jäger und Sammler typischen kleinen Pfeilspitzen fanden sich dagegen in den Gräbern der Skelette nicht. Aus immerhin 24 der Bauernskelette konnten die Forscher Teile der Erbsubstanz isolieren und analysieren ? und erlebten dabei eine faustdicke Überraschung, wie sie im Fachblatt ?Science? berichten (Band 310, Seite 1016).

Keiner der 24 Bauern aus der ersten Phase der Landwirtschaft in Mitteleuropa hatte eindeutig Vorfahren aus Anatolien oder anderen Teilen des Nahen Ostens. Damit erscheint die Annahme zweifelhaft, nach der Bauern aus dem fruchtbaren Halbmond auswanderten und in einer Art jahrtausendelangem Treck langsam ganz Europa besiedelten. Allenfalls einzelne Bauern könnten nach den neuen Erbgut-Analysen eingewandert sein, meint der an der Studie beteiligte Peter Forster von der Universität von Cambridge in England.

Jäger und Sammler in der Umgebung der neuen Heimat dieser wenigen Auswanderer könnten dann die landwirtschaftliche Revolution abgekupfert haben. Und weil es viel mehr Jäger und Sammler als Einwanderer gab, wäre das Erbgut der Neuankömmlinge in der Mehrheit der Alteingesessenen einfach untergegangen. Gewandert wären also weniger die Menschen selbst als ihre Kultur und die Idee, mit Ackerbau und Viehzucht seine Brötchen zu verdienen.

Es könnte aber auch so gewesen sein, dass umherstreifende Jäger und Sammler in der Ferne auf Ackerbauern trafen und die neue Lebensweise mit Viehherden und Hausgärten überzeugend fanden. Zurück in der Heimat rodeten sie Wälder und gewannen Weideland. In diesem Fall wäre also nur die Idee weitergegeben worden.

Sicher sind sich die Forscher, dass die mitteleuropäischen Jäger und Sammler die Landwirtschaft nicht selbst erfunden haben: Als sie die Erbgutreste in den Knochen von Rindern aus dieser Zeit untersuchten, fanden Joachim Burger und Ruth Bollongino in Mitteleuropa nur Erbsubstanz von Tieren aus dem Nahen Osten. Die ersten Bauern Deutschlands waren vermutlich Einheimische. Doch ihr Vieh kam aus der Ferne.

Dauerhaft konnten sich die neuen mitteleuropäischen Bauern vor 7500 Jahren allerdings nicht halten. Ein Viertel der untersuchten steinzeitlichen Bauern-DNS- Proben gehört nämlich zum N1a- Typ. Dieser ist heute selten, nur 0,2 Prozent der Mitteleuropäer haben ihn. Der aus Europa stammende Urbauer wurde also später von anderen Menschen ersetzt. Jäger und Sammler aus der weiteren Umgebung könnten die landwirtschaftlichen Methoden der Pioniere übernommen und so deren Erbgut so lange ?verdünnt? haben, bis es nahezu verschwunden war.

Verfasst: 11.09.2007 11:17
von Claudia
Etwas Interessantes, für das ich keine neue Rubrik aufmachen wollte:

http://www.archaeologie-online.de/magaz ... ac91ae4a9e