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Tonstempel der Hallstattkultur

Verfasst: 06.12.2005 17:50
von Steve Lenz
Ich hatte heute mal wieder das Bedürfnis, die ASS München zu besuchen.

Hier fielen mir in der Abteilung der Hallstattkultur einige Gebilde auf, welche als Tonstempel angesprochen werden. Mal sind es kleine Hände, mal Blätter (oder Lanzenspitzen?), mal Triskelen, mal Räder (diese gibt es in größerer Zahl).

Mir stellt sich die Frage, welchen Zweck diese Stempel ursprünglich erfüllt haben könnten. Zum Bedrucken von Töpferware kann?s nicht gewesen sein, denn mir ist keine Keramik mit solchen Verzierungen bekannt - dafür scheinen mir die Stempel aufgrund der Größe (ca. 10cm Durchmesser) zudem wenig geeignet.

Ebenso zum Bedrucken von Textilien, denn die "Druckfläche" ist leicht gewölbt. Stoffstempel müss(t)en aber absolut flach sein!

Brot oder Gebäck? Wäre eine Möglichkeit. Aber da wäre ein Holzstempel doch vorteilhafter! Das gleiche gilt auch für Druckverzierung an frischen Lehmwänden.

Als letzte Möglichkeit sehe ich die Verwendung der Stempel bei der Körperbemalung - sozusagen für "Instant Make-up".

Was meint Ihr?

Verfasst: 08.12.2005 08:56
von Thomas Trauner
Also....erstmal ein Wort zur Bay.Staatssammlung:
Die Aufstellung und Beschriftungen stammen aus den siebzigern und damit nicht in jedem Detail dem Forschungsstand. Für eine Neubearbeitung fehlt das Geld.
Zu dieser Fundgruppe:
Wenn ich mich jetzt nicht arg täusche, stammen diese Keramikteile aus einem Ha C Grab aus Oberfranken.
Sie sind tatsächlich relativ groß, die Idee mit dem "Stempel" stammt offenbar daher, dass auf der "Rückseite" eine kurze "Handhabe" angebracht ist. Als Stempel taugen sie aber nicht, die Oberflächen sind zu uneben, der Querschnitt beim Rad ist rund.
Warum sie in der Staatsammlung jetzt einfach als solche angesprochen werden (hallo...hallo...) ist mir nicht ganz klar, in der Literatur laufen sie als "Votivgaben".
Mir fällt es auch schwer, den Funden einen bestimmten, praktischen Zweck zuzuschreiben. Es fehlt an Vergleichsfunden, sie sind Einzelfunde.
Allerdings tauchen in Ha C und D immer wieder Keramikteile auf, bei denen die zwanglose Zuordnung zu einem praktischen Zweck sehr schwerfällt.
Da gibt es Pferdemodelle, eines sogar mit nacktem Reiter, sehr kleine Topfmodelle, einiges an antropomorphen Figuren.
Die Deutung geht von "Spielzeug" bis eben "Votivgaben".

Ohne jetzt das Wort "Kultisch" zu verwenden, denke ich, dass die Teile im weiten und tiefen Feld der Bestattungsbräuche immer noch am besten aufgehoben sind.

Thomas T.

Verfasst: 14.12.2005 13:14
von Thomas Trauner
Ich habe nochmal nachgelesen.
Der Grabhügel ist aus Prächting, Lkr. Lichtenfels, Oberfranken, Ha C, Grabung 1977/78 von Björn-Uwe Abels, jetzt Leiter LfD Oberfranken in Bamberg.
Bislang liegt nur eine Vorbericht vor (!). Erstpublikation im Archäologischen Korrespondenzblatt 8.
Nochmals in "Figürliche Darstellungen der Hallstattzeit", NHG-Publikation Nr. 3.

B.-J. Abels läßt die Verwendung offen, vermutet allerdings kultischen Hintergrund. Von "Stempel" spricht er nirgends. Die Bezeichnung als solche im Text der Prähistorischen Staatssammlung München entbehrt also einer nachweisbaren Grundlage.
Was mir noch zusätzlich an den Abbildungen auffiel, ist, dass bei der Hand und bei dem Dreieckigen Objekt ("Pfeilspitze") die Handhaben nicht mittig angebracht sind, die Funktion als Stempel dadurch sehr schwer bis fast unmöglich ist.

Ich denke nicht, dass hierfür jemals noch eine Abschlußpublikation folgt.

Ich glaube, die Objekte fallen unter:
Grabbeigabe, sonstige. Irgendwo zwischen: Ammoniten, nichtidentifizierbare Metallobjekte, Meteoritbruchstücke und Leibsklaven :shock: .

Thomas T.