Auszugsgewichte historischer Bogen
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- Steve Lenz
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Auszugsgewichte historischer Bogen
Ich hab?mich die letzte Zeit umgesehen, wurde aber bislang nicht fündig - gibt es eigentlich (evtl. experimentalarchäologisch festgestellt) Erkenntnisse zum Auszugsgewicht historischer Bogen?
Inbesondere interessieren mich die der Bogen ab Mesolithikum bis und mit Hallstattzeit.
Inbesondere interessieren mich die der Bogen ab Mesolithikum bis und mit Hallstattzeit.
Da es fast keine Funde gibt, gibt es auch nichts über Pfunde!
Im Ernst, es gibt fast nur Abbildungen von Bögen (Ausnahmen sind die Bögen aus Tut-Ench-Amuns Grab, wo man aber auch nicht weiß, ob sie aus Holz bestanden, aus Holz mit einem Sehnenbelag konstruiert wurden, oder ob sie "echte" Kompositbögen waren. Horn und Sehne vergeht ja schnell.
Die gefundenen skythischen Bögen sind vermutlich nicht für den Gebrauch gefertigt (viel zu dick und nur aus Holz). Dasselbe gilt für zumindest einige der Bögen aus Oberflacht. Hierzu gibt es das sehr schöne Buch von Holger Riesch zu diesen Bögen aus der Merowinger Zeit im Karfunkel-Verlag (ein Teil wurde auch in der Zeitschrift "Traditionell Bogenschießen" und in einer archäologischen Zeitschrift veröffentlicht).
Deshalb mache ich selbst eine Reihe von Experimenten zum Zuggewicht. Meine Ergebnisse deuten an, dass Zuggewichte von 45 bis 55 Pfund bei einem Auszug von 58 bis 60 cm ausreichen, um bei geeigneter Pfeilspitze Nachbauten römischer Scuta, germanischer Plankenschilde (mit Rohhaut (bezogen), sowie Schilde aus Flechtwerk (wie in Dura Europos neben den Scuta gefunden) zu durchschlagen.
Diese Ergebnisse decken sich auch mit einem Rat aus einer Schießanleitung für türkische Bogenschützen, dass man im Ernstfall immer Bögen benutzen soll, die nicht an die Grenze der Leistung eines Schützen stoßen sondern schwächer sein sollen.
Dies gilt für mit Sehne belegten Holzbögen skythischer Form mit 48 und 52 Pfund und einen türkischen Kompositbogen mit 53 Pfund. Ein moderner Reiterbogen von Samick mit 42 Pfund bei 65 cm Auszug war fast eben so gut wie der schwerere skythische, der wieder fast an den türkischen in seiner Leistung heran kam. Das zeigt zwei Dinge: einmal ist modernes Material manchmal doch besser als das organische; es ist NICHT WAHR, wenn Leute einfach behaupten, dass schwere Pfeile nur von Bögen, die selbst schwer sind, geschossen werden sollten. Hier ist wohl nur das Zuggewicht, aber micht das Eigengewicht der entscheidende Faktor (meine Pfeile waren zwischen 22 und 48 Gramm schwer).
Das Projekt läuft im Februar aus. Danach sollte der Schlussbericht bei der DFG im Internet einsehbar sein.
Ein neues Projekt über antike griechische Bögen wird seit September von der Thyssen-Stiftung gefördert. Hier sollen die verschiedenen bildlichen Darstellungen auf ihren Realitätsgehalt untersucht werden. Es sind Gelder für den Bau von sechs Komposit- oder Hornbögen besilligt, ebenso für eine Reihe von Pfeilen, die an Schilden "zerdeppert" werden können. Schilde habe ich noch, nur leider keinen vom Typ Hoplon (oder Aspis(?)).
Gruß, Erhard
Im Ernst, es gibt fast nur Abbildungen von Bögen (Ausnahmen sind die Bögen aus Tut-Ench-Amuns Grab, wo man aber auch nicht weiß, ob sie aus Holz bestanden, aus Holz mit einem Sehnenbelag konstruiert wurden, oder ob sie "echte" Kompositbögen waren. Horn und Sehne vergeht ja schnell.
Die gefundenen skythischen Bögen sind vermutlich nicht für den Gebrauch gefertigt (viel zu dick und nur aus Holz). Dasselbe gilt für zumindest einige der Bögen aus Oberflacht. Hierzu gibt es das sehr schöne Buch von Holger Riesch zu diesen Bögen aus der Merowinger Zeit im Karfunkel-Verlag (ein Teil wurde auch in der Zeitschrift "Traditionell Bogenschießen" und in einer archäologischen Zeitschrift veröffentlicht).
Deshalb mache ich selbst eine Reihe von Experimenten zum Zuggewicht. Meine Ergebnisse deuten an, dass Zuggewichte von 45 bis 55 Pfund bei einem Auszug von 58 bis 60 cm ausreichen, um bei geeigneter Pfeilspitze Nachbauten römischer Scuta, germanischer Plankenschilde (mit Rohhaut (bezogen), sowie Schilde aus Flechtwerk (wie in Dura Europos neben den Scuta gefunden) zu durchschlagen.
Diese Ergebnisse decken sich auch mit einem Rat aus einer Schießanleitung für türkische Bogenschützen, dass man im Ernstfall immer Bögen benutzen soll, die nicht an die Grenze der Leistung eines Schützen stoßen sondern schwächer sein sollen.
Dies gilt für mit Sehne belegten Holzbögen skythischer Form mit 48 und 52 Pfund und einen türkischen Kompositbogen mit 53 Pfund. Ein moderner Reiterbogen von Samick mit 42 Pfund bei 65 cm Auszug war fast eben so gut wie der schwerere skythische, der wieder fast an den türkischen in seiner Leistung heran kam. Das zeigt zwei Dinge: einmal ist modernes Material manchmal doch besser als das organische; es ist NICHT WAHR, wenn Leute einfach behaupten, dass schwere Pfeile nur von Bögen, die selbst schwer sind, geschossen werden sollten. Hier ist wohl nur das Zuggewicht, aber micht das Eigengewicht der entscheidende Faktor (meine Pfeile waren zwischen 22 und 48 Gramm schwer).
Das Projekt läuft im Februar aus. Danach sollte der Schlussbericht bei der DFG im Internet einsehbar sein.
Ein neues Projekt über antike griechische Bögen wird seit September von der Thyssen-Stiftung gefördert. Hier sollen die verschiedenen bildlichen Darstellungen auf ihren Realitätsgehalt untersucht werden. Es sind Gelder für den Bau von sechs Komposit- oder Hornbögen besilligt, ebenso für eine Reihe von Pfeilen, die an Schilden "zerdeppert" werden können. Schilde habe ich noch, nur leider keinen vom Typ Hoplon (oder Aspis(?)).
Gruß, Erhard
Erhard Godehardt
Steve, es gibt einige Rekonstruktionen an meso- und neolithischer und bz-zeitlicher Bögen, wobei die Datierung neolithisch/Bz-zeitlich oft unsicher bleibt.
Es würde jetzt einer recht umfangreiche Literatursuche bedürfen, um die einzelnen Ergebnisse hier und jetzt darzustellen.
Problem: Es ließen sich immer nur annähernd die "richtigen" Bogenhölzer beschaffen. Zwar schon das richtige Material, aber z.B. die Dichte der Wachstumsringe ließ sich nicht immer haargenau nachvollziehen.
Bei Ötzis?Bgen gelingt dies überhaupt nicht mehr, da aufgrund des damaligen Klimas das Wachstum langsamer geschah, d.h. sein Bogen war jedenfalls schwerer als jede neuzeitliche Rekonstruktion. Keine Chance also, selbst bei noch so genau maßhaltigem Nachbau.
Für die anderen neolithischen Bögen gelten die Ergebnisse immer nur als Näherungswerte.
Wenn ich mich recht entsinne, liegen die Gewichte der Rekonstruktionen zwischen 35 und 45 lbs.
Mein (neolithischer) "Bodman-Schachen" Eibenbogen, sehr maßhaltig gearbeitet, zieht um die 35.
Hallstattzeitliche Bögen gibt es keine im Fundmaterial.
Bewerte das Ganze nicht über. Der Bogen war wohl ein persönliches Stück, also den Fähigkeiten und Vorlieben des Benutzers angepasst.
Und lass Dich auf keinen Fall von modernen Forderungen nach Meßzahlen und "Optimierungen" irritieren.
Handwerklich perfekt, hohe Bandbreite an verwendetem Material sind zwar festzustellen. Aber definitiv keine "Spinewerte" oder ähnliches, keine "optimierte" Zusammenstellung an Pfeillänge/Bogenlänge/Benutzermaße.
Such Dir ein passendes Vorbild, setz es um und lass Dich überraschen, was dann dabei herauskommt.
Grundsätzlich gilt: Je kürzer der Bogen ist, desto härter zieht er, je länger desto weicher (Bei gleichem Material und Querschnittmaßen !)
(Hebelgesetz...)
Aber nochmal: Da gab es keine Normierung und schon lange kein "Bench-marking".
Ich befürchte, dass jetzt die Bogen-cracks auf meine Aussagen eindonnern, aber das Fundmaterial und die Reckos sprechen halt erstmal nur diese Sprache....
Thomas
Es würde jetzt einer recht umfangreiche Literatursuche bedürfen, um die einzelnen Ergebnisse hier und jetzt darzustellen.
Problem: Es ließen sich immer nur annähernd die "richtigen" Bogenhölzer beschaffen. Zwar schon das richtige Material, aber z.B. die Dichte der Wachstumsringe ließ sich nicht immer haargenau nachvollziehen.
Bei Ötzis?Bgen gelingt dies überhaupt nicht mehr, da aufgrund des damaligen Klimas das Wachstum langsamer geschah, d.h. sein Bogen war jedenfalls schwerer als jede neuzeitliche Rekonstruktion. Keine Chance also, selbst bei noch so genau maßhaltigem Nachbau.
Für die anderen neolithischen Bögen gelten die Ergebnisse immer nur als Näherungswerte.
Wenn ich mich recht entsinne, liegen die Gewichte der Rekonstruktionen zwischen 35 und 45 lbs.
Mein (neolithischer) "Bodman-Schachen" Eibenbogen, sehr maßhaltig gearbeitet, zieht um die 35.
Hallstattzeitliche Bögen gibt es keine im Fundmaterial.
Bewerte das Ganze nicht über. Der Bogen war wohl ein persönliches Stück, also den Fähigkeiten und Vorlieben des Benutzers angepasst.
Und lass Dich auf keinen Fall von modernen Forderungen nach Meßzahlen und "Optimierungen" irritieren.
Handwerklich perfekt, hohe Bandbreite an verwendetem Material sind zwar festzustellen. Aber definitiv keine "Spinewerte" oder ähnliches, keine "optimierte" Zusammenstellung an Pfeillänge/Bogenlänge/Benutzermaße.
Such Dir ein passendes Vorbild, setz es um und lass Dich überraschen, was dann dabei herauskommt.
Grundsätzlich gilt: Je kürzer der Bogen ist, desto härter zieht er, je länger desto weicher (Bei gleichem Material und Querschnittmaßen !)
(Hebelgesetz...)
Aber nochmal: Da gab es keine Normierung und schon lange kein "Bench-marking".
Ich befürchte, dass jetzt die Bogen-cracks auf meine Aussagen eindonnern, aber das Fundmaterial und die Reckos sprechen halt erstmal nur diese Sprache....
Thomas
- Steve Lenz
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Danke Thomas - dass ich nicht mit modernen Werten rechnen soll, ist mir klar (würde ich ohnehin nicht tun)! Etwas umbedingt bis ins letzte yota auf die persönlichsten Bedürfnisse hinoptimieren zu müssen ist erst seit etwa 50 Jahren üblich und ohnehin nicht mein Ding.
Es gab in der Antike keine top ausgewogenen Waffen - die Leute kamen auch damit absolut klar.
Ich spicke auf einen Langbogen um die 70/72" Länge, 28" bis 30" Auszug und um die 50/60 Pfund (wobei ich die persische Faustregel beachte, einen für mich schwächeren Bogen zu wählen ).
Es gab in der Antike keine top ausgewogenen Waffen - die Leute kamen auch damit absolut klar.
Ich spicke auf einen Langbogen um die 70/72" Länge, 28" bis 30" Auszug und um die 50/60 Pfund (wobei ich die persische Faustregel beachte, einen für mich schwächeren Bogen zu wählen ).
Ich habe mich ja nun einige Zeit mit der Suche nach Funden von Bögen beschäftigt, es gibt sehr wenige! Ich gebe Thomas Trauner vollkommen recht, man kann keine genauen Schlüße aus Rekonstruktionen ziehen, wie er schon beschreibt. Ich kann wieder nur die Arbeiten vión Jürgen Junkmanns empfehlen, er spricht von einer Zugkraft zwischen 16 und 32 kg bei jungsteinzeitlichen Bögen. Er meint, die Leistung des Bogens hängt stark vom verwendeten Material ab, also vor allem Eibenholz. Die Festigkeit von Eibenholz kann bis 35% variieren, also kann ein exakt nach Aussehen rekonstruierter Bogen eine ganz andere Leistung haben als das Original.
Ich glaube, es ist nicht möglich und vielleicht auch nicht so wichtig auch das genaue Zuggewicht eines Bogens zu Rekonstruieren.
Ich glaube, es ist nicht möglich und vielleicht auch nicht so wichtig auch das genaue Zuggewicht eines Bogens zu Rekonstruieren.
- Steve Lenz
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Für meine UK-Darstellung.
Die bronzezeitlichen Funde zeigen Bogen um die 68", meist mit rundem oder D-Querschnitt (mal abgesehen vom "Meare Heath"-Bogen, welcher ziemliche holmegaardeske Züge trägt).
Auf den Bronzezeittagen in Ülsen schoß ich eine Reko, um die 72", schätze mal 40 Pfund. Da war?s um mich geschehen...
Ich halte den übrigens nicht asymethrisch - der Winkel sieht nur so aus, weil ich beim Bogenschießen die Waffe selbst etwas querneige!
Die bronzezeitlichen Funde zeigen Bogen um die 68", meist mit rundem oder D-Querschnitt (mal abgesehen vom "Meare Heath"-Bogen, welcher ziemliche holmegaardeske Züge trägt).
Auf den Bronzezeittagen in Ülsen schoß ich eine Reko, um die 72", schätze mal 40 Pfund. Da war?s um mich geschehen...
Ich halte den übrigens nicht asymethrisch - der Winkel sieht nur so aus, weil ich beim Bogenschießen die Waffe selbst etwas querneige!