So. Ich habe jetzt mal meinen Anwalt bemüht....
Ich versuche mal, H. Floss in Conard et.al. „Vom Neandertaler zum modernen Menschen“, 2005, zumindest sinngemäß wiederzugeben:
Floss bezweifelt einen zwingende Argumentation, dass die dem Chatelperronien zugeordnete Schicht in der Grotte du Renne bei Arcy-sur-Cure tatsächlich Schmuck und Werkzeuge des Neandertalers beinhaltet.
Zum einen ist er sich mit verschiedenen anderen Autoren einig, dass vor allem der Schmuck und dessen Machart dem aus Aurignacien-Schichten sehr, sehr ähnlich ist.
Weiterhin erwähnt er, dass die Chatelperronien-Schichten der Grotte du Renne absolutchronologisch (14C) mit denen des südwestdeutschen Aurignacien übereinstimmt.
Außerdem liegen die Fundorte des frühesten Aurignacien und des spätesten Chatelperronien (hier die Grotte du Renne) nur einige km entfernt voneinander, in Burgund, wobei das Chatelperronien dort auch seine westlichste Grenze erreicht.
Dass er auch zusätzlich mit einer gewissen Unsicherheit bezüglich der korrekten Zuordnung der Funde zu den Schichten (Altgrabung) argumentiert, sei jetzt nur der Vollständigkeit halber angeführt. Da würde ich mich jetzt nicht darauf versteifen, solange keine eindeutigen Falschzuordnungen vorliegen, es klingt zu arg nach Todschlagargument.
Floss geht sogar so weit, dass er, nicht nur wegen der Grotte du Renne, die Trägerschaft des Chatelperronien eher dem HSS zuordnet, als dem HN.
Wenngleich ich mit dieser Sicht sympathisiere, würde hier eine detaillierte Argumentation bezüglich der kompletten Trägerschaft des Chatelperronien zu weit gehen.
Zum Ausgangsthema:
Ich denke auch, dass die Unterscheidung Tattersalls in Technologiekomplexe und Kunst, wobei er nur die Kunst als „symbolic“ sieht, unglücklich ist, weil der Begriff „symbolic“ hier nicht genauer definiert ist.
Außerdem denke ich, dass der HN sehr wohl auch „Kunst“ schätzte. Immerhin sammelte er offenbar „schöne Dinge“ wie z.b ein jurassischen Seeigel aus einer HN-Fundstelle belegen könnte...außerdem finden sich farbige Mineralien.
Ich habe aber trotzdem Schwierigkeiten, dem HN eine Fähigkeit zum symbolischen oder abstrakten Denken zuzuordnen, die dem des HSS gleichkommt.
Einfach weil es sein könnte, dass das Fundspektrum, das eindeutig dem HN zuzuordnen ist, tatsächlich die Gegebenheiten widerspiegelt. (Keine Kunst mit Symbolgehalt, wie z.b. der Löwenmensch.)
Es lag m.E. nicht an einem biologischen Unterschied. Ich denke, dass die sozio-kulturellen Bedingungen einen Einfluss hatten. Wie schon erwähnt, die Hirnmasse macht m.E. den Unterschied nicht, sondern die Möglichkeiten und Anregungen von außen fördern oder beschränken die Nutzung. Aber da habe ich nur einen Verdacht, einen Analogschluß auf die Nutzung des HSS-Hirns im Zusammenhang mit sozialem Hintergrund und den Veränderungen wärend des Lebens...
Aber wie auch immer -
Mir geht es eigentlich nur darum, dass, wenn wir „Schmuck“ als eine bestimmte Form der Abstraktion sehen, wir dem Neandertaler die Ehre erweisen sollten, nicht unbedingt mit Fundstellen zu argumentieren, deren Urheberschaft nicht zwingend dem HN zugeordnet werden.
Thomas