Verfasst: 30.05.2007 08:03
Du sprichst da was aus was mir auch schon mit Schrecken an diesen Sendeformaten aufgefallen ist.Turms Kreutzfeldt hat geschrieben: Nicht die schlechte oder gute Ausstattung, die schlechte oder gute Umsetzung gibt mir zu denken, sondern der Umgang mit den "Darstellern": Fahrlässige u. gefährliche Einbaumfahrt, keine Schlechtwettervariante geplant ... mmmh ... das ist doch alles sehr bedenklich. Welches Menschenbild steckt dahinter, das ist vielleicht das eigentliche Ergebnis des "Experimentes".
Man bringt die Leute ohne ausreichende Vorbereitung in Situationen in denen sie scheitern müssen und guckt genüsslich zu.
Bei diesem "Experiment Steinzeit" viel mir die ungenügende Vorbereitungszeit von einer Woche auf.
Ich denke jetzt nur an meine Ma-Darstellung wie lange hab ich gebraucht um die dazugehörigen Fähigkeiten zu erlernen. z.B. das Kochen in Keramik auf der offenen Glut.
Ich hab min. 5 Saisons gebraucht um vom Hordentopf über der offenen Flamme zum Keramiktopf in der Glut zu kommen.
Ich musste lernen wie ich das Feuer richtig anlege, wo ich das bestmögliche Holz im Unterholz finde. Wie die Garzeiten sind, wie verhält sich der Keramiktopf in der Glut und so weiter und so fort.(Und trotzdem hab ich meinen ersten Keramiktopf gespalten:()
Alles Dinge die ein Mensch der betreffenden Zeit sich einfach von seiner Mutter abguckt.
Als ich in der ersten Folge den Kochtopf so nah an der Flamme sah, dachte ich nur "Autsch! Dat geiht schief!" und rumms in der nächsten Szene kam auch schon die Flammenspitze an den Topf.
Da hab ich mich auch gefragt, warum niemand den Leuten bei der Trainingswoche gezeigt hat wie man das Feuer richtig anlegt.
Mit nur 15 min "Erklärbär" wäre das vermeidbar gewesen.
Anderes Beispiel, jetzt aus dem "Abenteuer Mittelalter" da setzte man jemanden der noch nie eine Spindel in der Hand gehabt hatte an ein schnell laufendes Spinnrad.
Das muss schiefgehen! So schnell bekommt man einfach nicht die richtige Handkoordination auf die Reihe.
Wenn ich an mein eigenes Spinnen denke, hab ich erstmal ein paar Jahre mit der Handspindel gearbeitet bis ich mich im vorletzten Herbst an ein Spinnrad gesetzt habe. Bei der Handspindel dauert es schon seine Zeit bis man lockerlassen des Wollbauschs mit der einen Hand und anschubsen der Spindel mit der anderen Hand sauber koordiniert hat.
Und beim Spinnrad kommt dann noch das flottere Tempo des Schwungrades und das runde antreten mit dem Fuß dazu.
Alles Dinge die ein heutiger Mensch erstmal mühselig erlernen und einüben muss, die aber für einen Menschen der betreffenden Zeit so selbstverständlich waren, wie für uns Lesen und Schreiben.
Es fällt mir auf, das man den Leuten künstlich die Aufgaben erschwert(mangelnde Vorbereitung, unpraktische Rekonstruktionsvorschläge...(siehe Ofen auf Veranda mit zu dünner Lehmschicht drunter(meine Meinung!)(war der Ofen bei den Häusern tatsächlich auf der Holzveranda?))).
Und dann genüsslich das Scheitern an der Aufgabe beobachtet.
Als würde man dem Publikum vermitteln wollen:
Seht! Wir heutigen Menschen sind sogar dafür zu doof!
Keiner von uns würde erwarten, das ein Mensch der damaligen Zeit sofort mit einer U-bahnfahrt klarkommt oder eine moderne Küche bedienen kann.
Warum soll dann ein heutiger Mensch sogleich die damalige Technik beherrschen.
Jede Zeit hat ihre eigenen kulturellen Fähigkeiten, die erstmal erlernt werden müssen, man sollte demjenigen auch die Zeit zum lernen gönnen.
*lach*
Man merkt, ich mag keine Sensationsgier.
LG
Birgit