"Riemenschneider" - Klingenschäftung
Verfasst: 17.11.2013 23:58
Eine spektakuläre Fundgruppe meines Lieblings-Flachland-Spätjungpaläolithikums, der Hamburger Kultur, sind die vom Ausgräber Alfred Rust als "Riemenschneider" bezeichneten Messergriffe. Es sind sehr schlanke Stücke aus schwachen Rengeweihen, die über einen durchgehenden Schlitz im oberen Drittel verfügen. Unter den sechs im Ahrensburger Tunneltal gefundenen Exemplaren finden sich auch schön verzierte Stücke. Nach J.M. Burdukiewicz soll auch aus Frankreich (Magdalénien von Teyat) ein Exemplar vorliegen.
Vom Fundplatz Meiendorf Teich ist ein einfaches Exemplar mit in situ gefundenem, unretuschierten Abschlag im Schlitz überliefert, und so steht der funktionale Charakter als Schäftung ausser Frage.
Rust hatte damals die Idee, das auch Kerbspitzen (nachgewiesene Funktion: Geschoßspitzen) in diese Schlitze eingesetzt wurden. Diese Idee hatte sich (meiner Ansicht nach völlig ungerechtfertigt) verselbstständigt, so daß sogar Kerbspitzen als Messereinsätze in Publikationen auftauchten.
Hier zwei Beispiele der Funde vom Fundplatz Meiendorf Teich:
Im Rahmen der von mir ins Leben gerufenen "Hamburger Kultur-Förderung" habe ich einige vergleichbare Schäftungen aus Rengeweih angefertigt und auch die Schlitze mit Flintwerkzeugen ("Zinken") eingearbeitet. Dem anonym bleiben wollenden Geweih-Spender sei an dieser Stelle gedankt!
Nach meinen Erfahrungen sind dies ganz wunderbar praktische Klingenschäftungen. Der Winkel der Einsätze liegt ideal zum Handgriff für maximale Schneidwirkung bei ziehendem Gebrauch, wie schon von Rust angemerkt. Wird die Schneide stumpf, so läßt sie sich mit einem spitzen Stück Stein, Geweih oder Holz von der anderen Seite leicht hinausdrücken. Ohne Klebe, Kitt und Bändsel und ähnlichen Aufwand.
Es findet sich auch im kleinen Klingenvorrat schnell eine passende kleine Klinge/kleiner Abschlag, die/der sich ohne jede Kantenretusche einpassen läßt. Das Innere des Schlitzes besteht ja aus der schwammartigen Spongiosa, und darin lassen sich die Klingen grade auch mit der Schärfe sehr schön hineindrücken. Rechtwinklig zur Durchlochung führt man die Klinge hinein und zieht sie dann etwas nach oben, bis sie "sitzt". Besonders gut funktioniert dies, wenn man den Geweihgriff kurz ins Wasser legt. Claus Möller hat in einem Artikel auch schon über den positiven Effekt des tageweisen Einweichens von Riemenschneidern nachgedacht. Die dünne Spongiosa, die fast ausschließlich aus "Oberfläche" besteht, wird nach meinen Erfahrungen aber schon in minutenschnelle weich.
Tja, die Originale sind alle am Rand von alten Teichen gefunden worden und ich frage mich nun, ob deswegen so viele (ohne Einsätze) gefunden wurden? Am Teichrand zum Einweichen niedergelegt und dann vergessen, verloren, von Tieren verschleppt, ins etwas tiefere Wasser abgerutscht oder über Nacht von einer Eisschicht bedeckt?
Für mich das ideale Teppichmesser 2.0, wobei die von Rust vermutete Funktion als Spezialwerkzeug zur Lederverarbeitung mir nicht ganz einleuchtet. Die entsprechenden Fundplätze sind eindeutig von Rentierjagd und besonders auch der Verarbeitung der Jagdbeute gekennzeichnet. Sind`s womöglich ideale Filetiermesser? Schließlich musste nach B. Bratlund in kurzer Zeit eine große Menge Fleisch durch Trocknen haltbar gemacht werden. Wer weiss?
LG Marquardt
Vom Fundplatz Meiendorf Teich ist ein einfaches Exemplar mit in situ gefundenem, unretuschierten Abschlag im Schlitz überliefert, und so steht der funktionale Charakter als Schäftung ausser Frage.
Rust hatte damals die Idee, das auch Kerbspitzen (nachgewiesene Funktion: Geschoßspitzen) in diese Schlitze eingesetzt wurden. Diese Idee hatte sich (meiner Ansicht nach völlig ungerechtfertigt) verselbstständigt, so daß sogar Kerbspitzen als Messereinsätze in Publikationen auftauchten.
Hier zwei Beispiele der Funde vom Fundplatz Meiendorf Teich:
Im Rahmen der von mir ins Leben gerufenen "Hamburger Kultur-Förderung" habe ich einige vergleichbare Schäftungen aus Rengeweih angefertigt und auch die Schlitze mit Flintwerkzeugen ("Zinken") eingearbeitet. Dem anonym bleiben wollenden Geweih-Spender sei an dieser Stelle gedankt!
Nach meinen Erfahrungen sind dies ganz wunderbar praktische Klingenschäftungen. Der Winkel der Einsätze liegt ideal zum Handgriff für maximale Schneidwirkung bei ziehendem Gebrauch, wie schon von Rust angemerkt. Wird die Schneide stumpf, so läßt sie sich mit einem spitzen Stück Stein, Geweih oder Holz von der anderen Seite leicht hinausdrücken. Ohne Klebe, Kitt und Bändsel und ähnlichen Aufwand.
Es findet sich auch im kleinen Klingenvorrat schnell eine passende kleine Klinge/kleiner Abschlag, die/der sich ohne jede Kantenretusche einpassen läßt. Das Innere des Schlitzes besteht ja aus der schwammartigen Spongiosa, und darin lassen sich die Klingen grade auch mit der Schärfe sehr schön hineindrücken. Rechtwinklig zur Durchlochung führt man die Klinge hinein und zieht sie dann etwas nach oben, bis sie "sitzt". Besonders gut funktioniert dies, wenn man den Geweihgriff kurz ins Wasser legt. Claus Möller hat in einem Artikel auch schon über den positiven Effekt des tageweisen Einweichens von Riemenschneidern nachgedacht. Die dünne Spongiosa, die fast ausschließlich aus "Oberfläche" besteht, wird nach meinen Erfahrungen aber schon in minutenschnelle weich.
Tja, die Originale sind alle am Rand von alten Teichen gefunden worden und ich frage mich nun, ob deswegen so viele (ohne Einsätze) gefunden wurden? Am Teichrand zum Einweichen niedergelegt und dann vergessen, verloren, von Tieren verschleppt, ins etwas tiefere Wasser abgerutscht oder über Nacht von einer Eisschicht bedeckt?
Für mich das ideale Teppichmesser 2.0, wobei die von Rust vermutete Funktion als Spezialwerkzeug zur Lederverarbeitung mir nicht ganz einleuchtet. Die entsprechenden Fundplätze sind eindeutig von Rentierjagd und besonders auch der Verarbeitung der Jagdbeute gekennzeichnet. Sind`s womöglich ideale Filetiermesser? Schließlich musste nach B. Bratlund in kurzer Zeit eine große Menge Fleisch durch Trocknen haltbar gemacht werden. Wer weiss?
LG Marquardt